Hohes Präsidium, liebe Corpsbrüder, sehr geehrte Herren!
„Es irrt der Mensch, solange er strebt“ Goethe, Prolog zu Faust – das Lebensmotto von Dir.i.R. Dipl.-Ing. Erwin Kuebel. Von unserem lieben Cbr gilt es nun nach 58 Jahren Corpszugehörigkeit für immer Abschied zu nehmen.
Erwin Ragnar Fritiof Kuebel ist am 20. August 1923 im damals blutroten Kapfenberg geboren worden. Vater und Mutter stammten aus den slawischen Gebieten der k.u.k. Monarchie (Mähren bzw. Bosnien) und haben ob ihrer deutschen Volkszugehörigkeit leidvolle Erfahrungen im zunehmenden Nationalitätenstreit des bereits wankenden Vielvölkerreiches gemacht. Dies dürfte Erwin sehr früh geprägt haben, genauso wie die Tatsache, daß er unter dem Regiment von drei Schwestern - von denen Erna über ihren Tod hinaus sein erklärter Liebling gewesen ist - aufwachsen durfte.
In Kapfenberg besuchte Erwin die Volksschule und danach in Bruck an der Mur die Realschule, die er 1941 mit der Matura abschloß. Die Schulzeit zeichnete sich nicht so sehr durch die Lernerfolge des Schülers Kuebel aus, umso mehr jedoch durch den Umstand, daß Erwin stets gut bewaffnet die Schulbank gedrückt hat. Sportbogen, Steinschleuder, 6 mm Revolver und 6’35 Pistole fanden sich im Schultaschenarsenal. Die zunehmende politische Polarisierung seiner Heimat ist auch an Erwin nicht spurlos vorübergegangen und er schloß sich der HJ an, bei der er es bald zu Führerrang bringen konnte. Unmittelbar nach der Reifeprüfung ist er als Kriegsfreiwilliger zum RAD eingerückt (Einsatzgebiete Polen und Rußland), danach zur Luftnachrichtentruppe (Rußland, Belgien und Frankreich) als Unteroffizier und schlußendlich zum Heer (Westfront). Erwin wollte immer ein Held werden. Dies scheint jedoch ein Vorsatz gewesen zu sein, der unerreicht geblieben ist, obwohl Soldat Kuebel stets durch seine herausragenden Schießkünste glänzen konnte. 1945 beendete die alliierte Gefangennahme in Thüringen (Kessel von Gotha) und einjährige Gastfreundschaft der Amerikaner, Engländer und Franzosen den Traum vom Reich.
Nach der Entlassung verdiente sich der Kriegsheimkehrer als Hilfsarbeiter (Schlosser) sein Brot. Im WS 1946/47 inskribierte Erwin Kuebel Hüttenwesen und konnte über EM Biberich 1949 seinen Weg zu Erz finden, der 1950 zur Reception geführt hat. Am 27. November 1952 ist die Graduierung zum Diplomingenieur erfolgt und tags darauf die AH-Ernennung. Am Wiederaufbau unseres lieben Erz nach dem Weltkrieg hatte Cbr Kuebel ganz wesentlichen Anteil. Aus den ersten Kontakten zu EM Biberich ist in den Folgejahren eine tiefe Freundschaft geworden, um die sich viele schöne Anekdoten ranken.
Am 01. Jänner 1953 begann der junge Dipl.-Ing. seine Karriere in der Linzer VOEST. Im selben Jahr und nach Klärung der konfessionellen Verhältnisse erfolgte die Eheschließung mit seiner über alles geliebten und leider 2000 allzu früh verstorbenen Valerie. Der stets glücklichen und von gegenseitiger Achtung und Zuneigung getragenen Ehe entstammen drei Söhne. Erwin konnte auch bereits fünf Enkelkinder zählen. In den 30 Jahren als VOEST-Ingenieur hat AH Kuebel Stahlwerke in der halben Welt (Europa, Indien, Japan, Rhodesien u.a.m.) in Betrieb genommen. Er ist 1983 als Bereichsdirektor für Hochofen und Stahlwerk in Pension gegangen. Zahlreiche Montanisten aller waffenstudentischen Couleurs dürfen auf Dir. Kuebel als beruflichen Ziehvater zurückblicken.
Im Ruhestand widmete sich Cbr Kuebel mit vorbildlichem Einsatz dem Wohlergehen des OÖ. Corpsphilisterverbandes. Zahlreiche Vorstandsfunktionen - darunter mehrere Jahre als Vizepräsident - zeichnen sein unnachahmliches Bemühen um das Corpsstudententum aus. Die Gästebücher des Verbandes sprechen darüber im wahrsten Sinne des Wortes Bände. Beim Corps Alemannia Wien zu Linz ist er oft und gern gesehener Gast gewesen. Bei Erz hat AH Kuebel keinen Ledersprung und kein Stiftungsfest ausgelassen, sofern es seine Gesundheit erlaubt hat. Die Gespräche besonders mit den jungen Corpsbrüdern haben dabei oft bis in die frühen Morgenstunden gedauert. Presbyterfunktion in der evangelischen Kirche, Historikerklub der VOEST, Direktorenstammtisch, Märchen- und Geschichtenschreiber, Zeichner u.v.a.m. runden das Bild eines aktiven Pensionärs ab. Am 21. Juni 2002 ist unserem Corpsbruder Kuebel das Goldene Ingenieursdiplom der alma mater leobiensis im Rahmen einer akademischen Feier von Magnifizenz Pöhl überreicht worden.
Getrübt wurde das Pensionistendasein durch die schwere Krankheit von Gattin Valerie. 14 Jahre lang - oft bis zur körperlichen Erschöpfung – kümmerte sich Erwin um seine Liebste. Nach ihrem Tod blieb Schwester Erna Erwins Rückhalt. Ihr Ableben war ein weiterer schwerer Schlag für ihn. Cph Martinelli II, des Schacht, der die ehem. Biberichwohnung über der von Erwin bezogen hatte, ging ihm in den letzten Jahren bei der Gartenarbeit hilfreich zur Hand. Die Kontakte zu den Corpsbrüder und den Corpsphilistern, die Besuche der Söhne – im Nachhinein betrachtet alle davon zu wenig – sowie über Jahre sorgsam gepflegte Briefwechsel darunter mit Corpsschwester OA Dr. Nikolay konnten nicht darüber hinweghelfen, daß Cbr Kuebel in der Stille der leeren Direktorenwohnung zunehmend vereinsamte. Körperliche Mangelerscheinungen waren die Folge und wohl auch der Anfang vom Ende.
Bei meiner ersten Praxis als F in Linz 1982 durfte ich AH Kuebel (gemeinsam mit AH Abt und EM Biberich) persönlich kennen und schätzen lernen. Uns verband spätestens ab 1993 eine echte corpsbrüderliche Freundschaft. Die weltoffene, warmherzige, tolerante und stets jedoch bescheidene Art unseres Corpsbruders Kuebel machte es leicht, einen freundschaftlichen Dialog über die Generationen hinweg zu pflegen. Oft durfte ich ihn um Rat fragen. Einen jedoch konnte ich nicht befolgen – nämlich jenen, nicht um ihn zu trauern.
Am 28. Jänner 2008 ist Corpsbruder Kuebel in die ewige Armee abberufen worden. Die Verabschiedung hat am 02. Februar 2008 auf Wunsch der Familie im engsten Kreise d.h. ohne seine Corpsstudenten, denen er immer auf das Innigste verbunden gewesen ist, stattgefunden. Der AHSC zu Linz, dem Cph Kuebel über 55 Jahre die Treue gehalten hat, hat ihm mit einer Trauerkneipe unter großer Beteiligung am 12. Februar d. J. die letzte Ehre erwiesen.
Das Corps Erz und der OÖ Corpsphilisterverband werden dem vorbildlichen Corpsstudenten und ganz besonderen Menschen Kuebel stets in Dankbarkeit und mit hoher Achtung gedenken. Unser lieber Erwin kann nicht mehr irren, sein Streben ist beendet.
FIDUCIT!
AH Waltner eh
anl. TC am 19. Februar 2008