Ansprache von Dr. Karl Johanny anläßlich der AGOeC-Tagung in Salzburg und des 40. Jahrestages des Abschlusses des Patenschaftsverhältnisses des SC zu München mit dem SC zu Salzburg am Samstag, den 26. April 2008 im Wappensaal, Festung Hohensalzburg (37. Hohensalzburger Kommers)
Johanny studierte an der Julius-Maximilians-Universität Rechtswissenschaft. 1961 wurde er im Corps Bavaria Würzburg recipiert.[1] Als Consenior und Senior ausgezeichnet, wechselte er 1962 an die Ludwig-Maximilians-Universität. Dort wurde er auch im Corps Suevia München aktiv. 1965/66 folgte ein Politologiestudium in den Vereinigten Staaten. 1966 wurde er in Würzburg zum Dr. iur. promoviert. Er trat nach Wehrdienst und Assessorexamen in die Bundeswehrverwaltung ein und war ab 1971 im Bundesministerium der Verteidigung tätig. 1982–1987 war er als Referent für Außen-, Verteidigungs-, Deutschland- und Entwicklungspolitik zur CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag beurlaubt. Am 3. Oktober 1990 wurde er erster Präsident der neu aufgebauten Wehrbereichsverwaltung VII in Strausberg. Von August 1995 bis 1997 war er als Ministerialdirektor Abteilungsleiter der Sozialabteilung im Verteidigungsministerium, ab 1998 ebendort Abteilungsleiter Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umweltschutz. Er ist Herausgeber der Schriftenreihe Mein Recht als Wehrpflichtiger. 2008–2011 saß er im Bonner Vorstand des Verbandes Alter Corpsstudenten. (Quelle: Wikipedia)
Hoher Senior!
Verehrte Festversammlung!
1)
Aus Ihren Reihen bin ich gebeten worden, heute Abend eine Ansprache zu halten. Als Thema haben wir vereinbart: „Corps und Leitkultur“.
Zu beiden Begriffen gibt es eine gemeinsame Jahreszahl, nämlich 1968. Auf der einen Seite sind es 40 Jahre her, daß zwischen dem Münchner SC ein Patenschaftsverhältnis mit dem SC zu Salzburg besteht. Als Münchner Schwabe, der ich auch bin, bin ich daher besonders gerne hierher gekommen.
Und andererseits betraten vor 40 Jahren in Deutschland die sog. 68er die Szene, die scheinbar harmlos als studentische sog. außerparlamentarische Opposition (APO) begannen und im Blutrausch der sog. RAF endeten; RAF ist das Kürzel für die großkotzige Selbstbezeichnung als „Rote Armee Fraktion“. Richtigerweise nennt man sie aber Baader-Meinhof-Bande, die dann einige ebenso nichtswürdige wie verbrecherische Nachfolger hatte.
Gegensätzlicher könnten die Begriffe nicht sein: Hier die Corps mit ihrer erprobten Leitkultur – da die 68er, die erklärtermaßen antraten, die bis dahin bestehende Kultur zu zerstören. Was daraus geworden ist, und welche Schlußfolgerungen daraus die Allgemeinheit und insbesondere unsere Corps zu ziehen haben, das werde ich zu beleuchten versuchen.
Und nun komme ich noch zu einem Dritten, zu dem heute Abend Wichtigsten, weswegen ich ja hier bin: Der Hohensalzburger Kommers, der sich heuer in Salzburg wiedererfindet. Es ist mir eine wahrhaft hohe Ehre, daß ich hierzu gebeten wurde, zu Ihnen zu sprechen. Vorab schon wünsche ich diesem Kommersunternehmen weiter eine gute Zukunft! Ich fühle mich übrigens auch ganz persönlich in diesem Kreis besonders wohl – und zwar deswegen, weil mein Vater Carl Johanny wie auch mein Onkel Hermann Johanny das Band der hier ortsansässigen Frankonia aufgenommen haben – 1964, bei deren Rekonstitution. Bis zu ihrem Tod haben mein Vater und mein Onkel dieses Band mit Stolz getragen.
Nun noch eine Bemerkung vorweg. Ich bin mir bewußt, daß ich als deutscher Staatsbürger in Österreich spreche. Ich kann also nicht Fragen und Probleme, die primär in der Bundesrepublik Deutschland angesiedelt sind, einfach auf Österreich übertragen. Dennoch sehe ich manches Ähnliche – und jeder mag für sich entscheiden, ob es für Deutschland gilt, für Österreich oder für beide.
2)
Zuerst zu den 68ern.
Soeben sagte ich, daß die sog. 68er zur Baader-Meinhof-Bande führten und zu ihren Nachfolgern. Deren Ende, d. h. das Ende der blutigen Verbrechen, bedeutete freilich nicht, daß damit in Deutschland auch die Ideologie der 68er verschwunden wäre. Im Gegenteil: Die letzten 40 Jahre haben das Fühlen und Denken der Gesellschaft in einem immer schneller fortlaufenden Prozeß umfassend verwüstet.
Als einen der Kernsätze der 68er nehme ich die These, wie sie damals in Berlin von der sog. Kommune 1 formuliert wurde – im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS):
„Faschismus entsteht aus der Kleinfamilie. Sie ist die kleinste Zelle des Staates, aus deren unterdrückerischem Charakter sich alle Institutionen ableiten. Mann und Frau leben in Abhängigkeit voneinander, so daß sich keiner von beiden zum freien Menschen entwickeln kann. Deshalb muß die Familie zerschlagen werden.“
Nun hätte das auch als Quatsch einer desorientierten Splittergruppe ungehört verhallen können. Tat es aber nicht. Jener Unfug wurde vielmehr lautstark, flächendeckend und nachhaltig in allen nur erdenklichen Medien weitergereicht – auch von sog. Wissenschaftlern und hielt Einzug in die Politik – als Endlosschleife in linker Selbstdrehung.
Gleichzeitig wurden verkündet:
Projektionsfläche war die angeblich muffige, verkrustete, „faschistoide“ Nachkriegsatmosphäre, die es zu sprengen gälte. (Stichwort in Deutschland: „Adenauer“. Noch heute schütteln sich bei uns bestimmte sog. Intellektuelle vor Abscheu, wenn sie dessen Namen aussprechen.) Eine persönliche Anmerkung dazu: Das waren natürlich üble Denunziationsbegriffe. Anno 1968 war ich 28 Jahre alt und habe jene Nachkriegszeit als positiv erlebt – aufbruchsvoll und auf stete Reform hin orientiert.
Im Programm der 68er waren weiter sog. Bewußtseinserweiterung durch Drogen und Pornographisierung des öffentlichen Lebens als zusätzliche Schubkräfte in Richtung Dekadenz – alles wiederum eingebettet in den erwähnten Medienbetrieb, durch ihn gefördert und propagiert.
1968 ist somit die Chiffre für den Beginn eines Werteverfalls ohnegleichen, in welchem die öffentliche Wahrnehmung und private Zustände heute einer Trümmerlandschaft gleichen. Ich nenne nur
Dazu hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog schon vor über zehn Jahren gefordert, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen. Bis heute hat sich freilich kaum etwas geruckt. Vielmehr bewahrheitet sich das alte Wort: Wo das Gemeine geduldet wird, da gibt es den Ton an (Julius Langbehn).
Abschließen möchte ich diese Negativ-Aufzählung mit einem Phänomen, das man nur als
Haß aufs Vaterland
bezeichnen kann. Insbesondere in der Kunstszene, speziell bei den Schriftstellern, hat sich dieser Haß Bahn gebrochen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, wie ich es in langen Jahren bemerkt habe. Namen brauche ich dazu nicht zu nennen; sie sind Ihnen allen bestens bekannt, meine Herren.
3)
Das alles nahm also seinen Ausgang im Jahr 1968. Im selben Jahr wurde – wie eingangs bemerkt – die Patenschaft des Münchner SC mit dem Salzburger SC abgeschlossen. Wie geht das zusammen? Das geht sehr wohl zusammen. Unbeirrt von den 68er-Umtrieben hat sich ein SC genau in jenem Jahr 1968 dafür eingesetzt, daß andernorts unsere Ideen gepflegt werden können. Denn unsere Corps haben sich an dieser Abwärtsspirale der Werte nicht beteiligt. Und die Entwicklung hat uns recht gegeben. Denn heute greift mehr und mehr auch allgemein die Erkenntnis um sich, daß dasjenige, was bisher als scheinbar neutraler, objektiver sog. Wertewandel verniedlicht und hingenommen wurde, in Wahrheit Wertechaos, Wertebankrott ist, die die Zukunft schwer gefährden.
Aus vielen Beispielen will ich nur die angesehene Frankfurter Allgemeine Zeitung zitieren. Sie konstatiert „einen anhaltenden Hunger nach Werten in Politik und Gesellschaft“. Fragt man allerdings diejenigen, die jetzt – endlich – nach Werten rufen, was sie denn damit meinen, d.h. welche Werte es denn sein sollen, besteht große Ratlosigkeit – bzw. vernimmt man einen vielstimmigen Chor, der ohne Dirigent wild durcheinanderruft.
Ein Beispiel: Die evangelische Bischöfin Käßmann wünscht sich eine starke Rolle der christlichen Kirchen auf dem (so wörtlich) „Markt der Werte“. Den Ausdruck sollte man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen – „Markt der Werte“. Sind wir da auf einem Handelsbasar oder was?
In diesen Zusammenhang gehört auch der Begriff „Leitkultur“, der mittlerweile immerhin sogar in das Programm einer großen politischen Partei in Deutschland aufgenommen worden ist. Schaut man sich allerdings an, was damit gemeint ist, so ist es nicht so recht was zum Beißen. Verfassungsgrundsätze halt – sehr ehrenwert; aber das reicht m. E. nicht für eine wirksame Leitkultur. Die steht nämlich nicht nur in der Verfassung. Ich bin mir sicher, daß dabei der Schlüssel zu allem in folgendem liegt. Dazu zitiere ich den deutschen Professor syrischer Herkunft Bassam Tibi; er hat den Finger tief in die deutsche Wunde gelegt. In einem SPIEGEL-Interview gab er zu Protokoll: „Deutschland kann den Fremden keine Identität anbieten, weil die Deutschen selbst keine haben“.
Was wären denn nun Werte, Tugenden, die eine Leitkultur, unsere Leitkultur, abgeben könnten? Ich kann und will jetzt keine soziokulturell-philosophische Vorlesung halten. Machen wir’s daher kurz: Unter Werten/Tugenden, die Orientierungsmaßstäbe, die Verhaltenssicherheit geben sollen, wären zu verstehen:
Als Worte können diese Tugenden wohl von den meisten unterschrieben werden. Aber entscheidend ist doch, welche Normen aus den Werten/Tugenden abgeleitet werden und die das Alltagsleben bestimmen – einschließlich der Rollen, die die Beteiligten (z. B. auch die Corps) darin einnehmen dürfen oder auch nicht einnehmen dürfen.
Das ist eine ernste Sache. Ich rufe die berüchtigten Worte von Oskar Lafontaine ins Gedächtnis, die er, seinerzeit Oberbürgermeister von Saarbrücken, an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt richtete: „Helmut Schmidt spricht ... von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzise gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben.“
Das sagt natürlich einiges darüber aus, unter welchen Vorzeichen Wertedebatten stehen können.
4)
Nun zu unseren Corps.
Wie steht es mit uns, die wir die Rolle der Corpsstudenten haben? Was sind unsere Werte und Tugenden – was sind die Normen, die wir daraus herleiten? Von alters her, seit zwei Jahrhunderten, seit unserer Gründung waren unsere übergreifenden Prinzipien Toleranz, Freundschaft, Gleichheit, Vaterland – und unsere Tugenden hießen Ehrenhaftigkeit, Charakterfestigkeit, Tatkraft und Pflichttreue.
Prüfen wir uns heute, so brauchen wir nichts davon zurückzunehmen – wir nicht. Unser Wertegefüge hat im großen und ganzen den Härtetest der Zeitläufte bestanden. Einzelne Verfehlungen hat es gegeben, sie sollen nicht beschönigt werden; sie trüben aber das Bild nicht entscheidend. Grundsätzlich lagen und liegen wir richtig. Der beste Beweis: Wir waren mit unseren Werten diktatorischen Regimen stets ein Dorn im Auge. Die Nazis hatten die Corps in Deutschland und Österreich verboten, und die sog. Deutsche Demokratische Republik (DDR) führte das in totalitärer Kontinuität fort.
5)
Eben habe ich unsere wesentlichen Werte genannt. Was können wir daraus heute für eine Leitkultur der Corps schöpfen? Wie ist dabei konkret unser Verhältnis zu Fragen wie z. B.
a) Tradition,
b) Anstand,
c) akademischer Erfolg,
d) Gemeinschaft,
e) Vaterland?
a) Tradition
Es gibt keine Zukunft ohne Herkunft (Bundespräsident Köhler). Zu unserer Identität, auch zur Identität jedes einzelnen Corps, gehört ganz wesentlich das Bewußtsein von der eigenen Geschichte. Wir müssen aber die Tradition auch immer wieder befragen, um nicht zu erstarren. Wir pflegen einen positiven Konservativismus – ganz im Sinne meines unvergessenen Corpsbruders Wolfgang Gottwald, der immer wieder sagte: „Das Konservative verstehen wir
Lassen Sie mich dazu nur einen Punkt herausgreifen – das Fechten, die Mensur. Seit Jahrzehnten tun sich viele, vor allem in anderen Verbänden, damit schwer. Ich nicht – und ich nehme an, die heute hier Versammelten auch nicht. Die Gründe, die wir fürs Fechten anführen, sind uns bekannt. Aber warum nehmen wir uns nicht die Freiheit, auch einen weiteren Bezug herzustellen – zu einer ganz zeitgenössischen Erscheinung, dem Extremsport. Dieser wird u. a. damit begründet, daß er in einer sog. „Ungewißheitsgesellschaft“ eindeutige Momente bietet, in denen akute Gefahr das Handeln diktiert.
Ein einschlägiger Professor formuliert: „Die Extremsportler klettern, fallen, schwimmen usw. Sie hangeln, laufen und rutschen – und finden im Wagnis paradoxerweise Halt.“ Warum nimmt der Professor, so meine Frage, nicht auch die Mensur in seine Liste auf? Wir sollten uns da gar nicht genieren, der Öffentlichkeit unser Fechten auch, ich betone auch – neben den anderen Gründen –, ganz unverkniffen positiv als Extremsportart zu präsentieren.
b) Anstand
Anstand war den Corps immer eine Selbstverständlichkeit.
Dazu gehört ganz am Anfang auch Benimm. Unser VAC-Vorsitzender Hermann Rink hat in seiner Neujahrsansprache dazu und den Defiziten das Erforderliche gesagt. Jeder kann es im aktuellen Corpsmagazin I/08 nachlesen, so daß ich es nicht wiederhole, sondern es nur an einem Beispiel beleuchte. Vor ein paar Tagen feierte in Bonn eine Universitätsfakultät abends ein Fest. Ein Teilnehmer schilderte mir folgendes: Neben dem Veranstaltungssaal steht das Haus einer Studentenverbindung. Von dort hörten die Teilnehmer des Universitätsfestes im Laufe des Abends zunehmendes wüstes Gebrüll. Dann flogen Flaschen und Gläser aus dem Verbindungshaus und zerschellten auf dem Vorplatz. Gegen Mitternacht Uhr platzte plötzlich ein halbes Dutzend stark Angetrunkener aus der Verbindung in das Universitätsfest und mußte mit mehr oder weniger Gewalt aus dem Festraum entfernt werden.
Keine Angst, meine Herren, es handelt sich nicht um eines unserer Corps, sondern die Verbindung stammt aus einem anderen Verband – sogar aus einem mit Religionshintergrund. Aber solches und Ähnliches sind leider keine Einzelfälle – das gilt wohl für alle Verbände. Warum erzähle ich das alles? Derjenige, der mir den Vorfall schilderte, ist Vater eines Gymnasiasten, der bald studieren wird. Dieser Vater, selbst kein Akademiker, sagte, er hätte seinem Sohn eigentlich raten wollen, in eine Verbindung zu gehen. Nachdem er aber das erlebt habe, werde er von dem Rat wohl Abstand nehmen; er möchte nicht, daß sein Sohn in ein solches Milieu gerät.
Was ist die Moral von der Geschicht? Wir sitzen alle in einem Boot, und vieles muß sich ändern. Da sind wir uns wohl einig, meine Herren.
c) Akademischer Erfolg
Ändern wird sich auch das Verhältnis zwischen Studium und Aktivität. Auch darauf hat Rink in seiner Neujahrsansprache hingewiesen. Die Umstellung auf den Bachelor z. B wird gerade für uns in den Corps erhebliche Anstrengungen erzwingen, damit unsere künftigen Aktiven weiter auch akademisch Erfolg haben – was wir alle wünschen und fordern; denn akademischer Erfolg ist schließlich Kern und Ziel eines jeden Studiums.
d) Gemeinschaft
e) Vaterland
Neben dem zentralen Erlebnis der Gemeinschaft (worüber ich mich jetzt nicht weiter verbreite) sind wir in den Corps besonders unserem Vaterland verpflichtet. Heute geht es erst einmal darum, sich unverkrampft dazu zu bekennen und sich nicht davon beeinflussen zu lassen, wenn es geschmäht und der Patriotismus verunglimpft wird.
Wir müssen es für die Heutigen immer wieder buchstabieren, was Vaterland bedeutet und wie unersetzlich die Liebe zum Vaterland ist. Sie ist das, was die Nation zusammenhält. Sie vermittelt kulturelle Identität, Lebensqualität; sie schließt die Sorgen und Hoffnungen der Landsleute ein und unsere gesamte Geschichte, ich wiederhole, die gesamte Geschichte – ihre Tiefen selbstverständlich, aber nicht nur die Tiefen, sondern auch und gerade ihre Höhen. Wir wollen unsere Werte und Tugenden leben, die Werte und Tugenden, die die Nation als ihre besonderen, eigenen, unverwechselbaren empfindet.
Ich plädiere für das Vaterland als tragende Norm, als Basis für eine Leitkultur. Wird der Patriotismus gepflegt, blühen auch die anderen Werte wie Familie, Bildung, Tatkraft, Fortschritt. Ich stelle einige Punkte vor, die nicht neu sind, aber sie sollten immer wieder genannt werden, wenn wir über Patriotismus reden:
6)
Nun gibt es zu all jenen Punkten seit langem eine, m. E. überflüssige Debatte. Vor allem wird gefragt, ob denn Staat und Regierung da etwas tun können oder ob sie es überhaupt dürfen. Manche sagen Nein. Ich bin anderer Ansicht. Natürlich nicht Chauvinismus (wie leider in manchen anderen Nationen durchaus üblich), aber die Liebe zum Vaterland gehört in die Lehrpläne der Schulen, in die Köpfe der Lehrer. Wo soll er denn herkommen, der Patriotismus?!
Patriotismus muß auch auf Dauer angelegt sein, auch in schweren Zeiten tragen, und schließlich, Verzeihung, etwas Substanz haben (ein bißchen Fahnenschwenken bei Sportveranstaltungen allein tut es nun wirklich nicht).
Die Schule ist die beste Institution, Patriotismus zu festigen – nicht zuletzt auch, um den jungen Leuten ausländischer Herkunft in pädagogisch richtiger Weise etwas mitzugeben. Woher sollen diese z. B. Stolz auf ihr neues Heimatland gewinnen, wenn die Einheimischen sich nicht darum scheren. Am Schultor darf das dann nicht enden. Hochschulen, Arbeitgeber müssen daran anknüpfen können und weitermachen. Die Gesellschaft braucht den Orientierungswert Patriotismus dringend. Er darf aber nicht nur auf dem Papier stehen; er muß von Menschen verkörpert werden. Davon gibt es bei uns zu wenige.
7)
Eine Gruppe kenne ich allerdings, die dafür prädestiniert ist, um Werte zu schaffen, auch zu vermitteln und dabei eine Vorbildrolle, eine Führungsrolle einzunehmen: Das sind unsere Corps. Ich habe vorhin ihre Prinzipien benannt; unter ihnen nimmt das Vaterland eine hervorragende Stelle ein. Seien wir also besonders auch hier Elite. Geben wir Älteren durch eigenes Vorleben den Jungen eine Vorstellung von den Tugenden mit, die uns seit unseren Gründungstagen begleiten, unverändert begleiten, weil sie überzeitlich sind, und die auch wir seit über zweihundert Jahren in unseren Corps verwirklichen. Das ist unsere Art von Leitkultur, mit der wir im Zeitgeist des Wertevakuums positive Normen setzen können, in einer Führungsrolle – mit Ausstrahlung auf andere und mit Breitenwirkung. Dann leisten wir ernsthaft einen Beitrag, damit aus den prekären Verhältnissen im Land ein blühendes Gemeinwesen wird – im Inneren eine stabile und zuversichtliche Bürgergemeinschaft, als Gesellschaft prosperierend, und nach außen eine selbstbewußte und angesehene Nation.