Im Mai 2009 besuchten AH Pirkner und Sohn Werner, sowie AH Waltner das 150. Stiftungsfest des Corps Silvania zu Tharandt
Hohes Präsidium
Hochansehnliche Festcorona!
Weiße Mützen, grünweißgoldene Bänder, junge begeisterte Gesichter, ältere Gesichter mit der Patina der Lebenserfahrung, all das gehört zur großen Familie der Silvanen, die hier zusammengekommen ist, um das 150. Stiftungsfest zu feiern. Gerne komme ich der großen Ehre nach, anlässlich des Festkommerses zum 150. Stiftungsfest des Corps Silvania, persönliche Gedanken zum Corpsstudententum aus meiner Sicht kund zu tun.
Dass die waffenstudentischen Verbindungen heute in der allgemeinen Vorstellungswelt vieler Studierender an den deutschsprachigen Universitäten, eine zweitrangige und teils nicht unproblematische Position inne haben, hängt wohl mit einer eher unglücklichen Vergangenheit zusammen.
Einer Vergangenheit, in der die Verbindungen ihre Ziele zum Teil falsch interpretierten und in der aus ihnen Leute kamen, die sich rassistischen und teils chauvinistischen Ideologien verschrieben haben, die mit dem ursprünglichen Ideengut dieser Verbindungen nichts mehr zu tun haben.
Wenn also die waffenstudentischen Verbindungen eine Chance für die Zukunft sehen und haben wollen, so müssen sie meines Erachtens auf jene Gedanken zurückgreifen, die als humanistische und
weitherzige den meisten ihrer Gründer wichtig waren.
Die Corpsstudenten haben nämlich das große Glück, sich auf eine Tradition berufen zu können, für die die Freiheit des Menschen und des Geistes im Vordergrund stand.
Es waren die Ideen der französischen Revolution, also die Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die um die Wende zum 19. Jahrhundert die Geister der deutschen Universitäten beflügelten. Symbolisch dokumentierte man dies durch das Aufstellen des Jakobinerbaumes vor dem Gasthaus „Zur Tanne“ in Jena, durch die Bezeichnung der deutschen Farben als der „Deutschen Trikolore“. Mit diesem Hinweis soll nur kurz eine Tradition ins Licht gerückt werden, die heute vielfach zurückgedrängt scheint. Nämlich die Tradition, die die Freiheit des Menschen im Vordergrund sieht. Wenn also von corpsstudentischen Verbindungen die Rede ist, so ist auch darauf zu verweisen.
Charakteristisch für diese Ausrichtung der frühen Verbindungen, und dazu darf sich unsere liebe Silvania stolz zählen, ist übrigens, dass ihr Freiheitsbegriff übernational und nicht bloß auf die eigene Nation beschränkt war. So identifizierten sich deutsche Waffenstudenten mit dem Freiheitskampf der Polen und der Griechen.
Jeder Chauvinismus war ihnen fremd. Ein Chauvinismus, der niemals den Ideen der Gründungsväter entsprach, der jedoch in eine Reihe dieser Verbindungen aufgenommen wurde, womit diese sich von ihren Gründungsvätern abwandten.
Wie steht es mit uns, die wir die Rolle der Corpsstudenten haben? Was sind unsere Werte und Tugenden was sind die Normen, die wir daraus herleiten? Von alters her, seit zwei Jahrhunderten, seit
unserer Gründung waren unsere übergreifenden Prinzipien Toleranz, Freundschaft, Gleichheit, Vaterland und unsere Tugenden hießen Ehrenhaftigkeit, Charakterfestigkeit, Tatkraft und Pflichttreue.
Prüfen wir uns heute, so brauchen wir nichts davon zurückzunehmen wir nicht. Unser Wertegefüge hat im Großen und Ganzen den Härtetest der Zeitläufe bestanden. Einzelne Verfehlungen hat es gegeben,
sie sollen nicht beschönigt werden; sie trüben aber das Bild nicht entscheidend.
Grundsätzlich lagen und liegen wir richtig. Der beste Beweis: Wir waren mit unseren Werten diktatorischen Regimen stets ein Dorn im Auge. Die Nationalsozialisten hatten die Corps in Deutschland und Österreich verboten, und die sogenannte Deutsche Demokratische Republik führte das in totalitärer Kontinuität fort, wofür gerade wir eindrucksvoll Beispiel geben.
Bundespräsident Köhler sagte: „Es gibt keine Zukunft, ohne Herkunft“.
Zu unserer Identität, gehört auch das Bewusstsein von der eigenen Geschichte. Um nicht zu erstarren sind wir angehalten unsere Traditionen auch immer wieder zu hinterfragen. Wir stehen für Konservatismus – im besten Sinn des Wortes, und verstehen darunter: nicht das Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.
Der Bestand des Corps Silvania von den Anfängen im 19. bis herauf in das 21. Jahrhundert war geprägt von Individualisten, die sich erfolgreich den Herausforderungen einer sich verändernden Welt gestellt haben. Sie haben ihre Fähigkeiten in den Dienst einer größeren Gemeinschaft, der unserer lieben Silvania, gestellt. Nicht der Zusammenbruch von Monarchien oder ein blutiges Völkerringen auf deutschem Boden konnte die Corpsgemeinschaft fordern sondern kultureller und gesellschaftlicher Wandel. Im Herzen Europas haben sich die Veränderungen der letzten Jahre weitgehend friedlich aber um nichts weniger nachhaltig vollzogen.
Der Wandel der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht und der Fall der Mauer und des eisernen Vorhanges hat die Völker der Alten Welt wieder näher bringen lassen.
Letzteres ermöglichte vielen Kösener Corpsstudenten die Rückkehr in ihre alte Heimat. Neue Mittel der Kommunikation, neue Technologien und wissenschaftliche Errungenschaften haben den Horizont erweitert. Die Wirtschaft wurde globalisiert, die Gesellschaft in einem nie gekannten Ausmaß entsolidarisiert.
Der homo novus am Beginn des dritten Jahrtausends wird offensichtlich Werte, die über Generationen weitergegeben worden sind, gegen Konsum und Profit tauschen. Die Auswirkungen des Raubbaues an den Ressourcen sowie Katastrophen durch technisches und menschliches Versagen haben Zweifel an der Grenzenlosigkeit des Wachstums entstehen lassen. Das Postulat des Umweltschutzes entspricht dem traditionellen demokratischen und humanistischen Gedankengut, da es davon ausgeht, dass nur in einer Natur, die der Mensch achtet und schützt, der Mensch auch Mensch sein kann.
Die Corpsstudenten aus Tharandt, mit ihrem beruflichen akademischen Nahbezug zu diesem Thema, wissen genau um die angezogene Problematik.
Für den bekannten Waffenstudenten Hermann Löns war Umweltschutz gleichbedeutend mit Menschenschutz. Hermann Löns war nicht nur Heidedichter, sondern auch ein äußerst sozialkritischer Mensch. Von
ihm stammen einige wichtige Überlegungen zum Umweltschutz, die für den modernen Waffenstudenten beispielgebend sein können. Löns schreibt: „Die Natur ist unser Gesundbrunnen, keine Hygiene, keine
Volkswohlfahrtspflege kann uns das geben, was uns die Natur bietet. Schwächen wir sie, so schwächen wir uns“.
Der heutige Corpsstudent soll sich also diesen alten und immer wieder neuen humanistischen, demokratischen Ideen bewusst sein, um sich dorther seine Legitimation als Waffenstudent herzuleiten.
Freilich bedarf es heute noch einer zusätzlichen Zielrichtung, die eng mit den alten Gedanken verknüpft ist, für die der Schutz der natürlichen Umwelt des Menschen, in die er hineingeboren ist, wichtig ist.
Was uns jedoch bleiben wird, ist die Sehnsucht nach dem Geborgensein in Vertrautem, in einer Schicksalsgemeinschaft, in bekannten Traditionen und Ritualen. Das alte, traute Dresden, die alma mater und somit auch Silvania müssen sich den Herausforderungen der Neuzeit stellen und tun dies zum Teil mit beachtlichem Erfolg.
Das Corps bringt anerkannte akademische Spezialisten hervor. Corpsstudenten unseres Corps werden mit der höchsten Auszeichnung des Dachverbandes, der Klinggräffmedaille, ausgezeichnet.
Silvanen werden in alle Winde zerstoben und leisten dort in Technik, Wirtschaft und Wissenschaft Hervorragendes. Sie werden oft, in Anlehnung an ein altes Bergmannslied, auch auf einsamem Schacht, dem Ruf der Dresdener Forstakademiker gerecht. Viele Studierende konnten nach der Wiederauflöffelung für unsere liebe Silvania dauerhaft neu gewonnen werden. Oft übertönte der Schlägerklang den Becherklang und den Klang der Lieder. Dem Hausverein gelang es, beachtliche Mittel zur Bestandsicherung und Modernisierung des Corpshauses zu lukrieren.
Der Dank dafür gebührt allen Corpsbrüdern, die, wenn notwendig, durch aktives Handeln die Geschicke unseres Bundes gelenkt haben.
Der Dank gilt aber besonders auch jenen, die durch ihre stete Treue zum Corps den Fortbestand erst ermöglicht haben, die einfach nur da sind, wenn sie gebraucht werden, ohne dabei im Vordergrund
stehen zu wollen. Ihre Verbundenheit zeichnet sie und somit das Corps als innigsten Freundschaftsbund aus.
150 Jahre Corps Silvania, ein Jubiläum, das seine Mitglieder zu Recht mit Stolz erfüllt. Ein eindeutiger Beweis, dass unsere Vorfahren im Bund und auch jene die derzeit mit viel Energie, Kraft und Zuversicht im Corps Verantwortung tragen, und das sind wir letztlich alle, die jeweiligen Zeichen der Zeit erkannt haben, ohne dabei die Traditionen außer Acht zu lassen.
Mutige und aufrichtige Corpsstudenten, die die wechselhafte Geschichte unserer Verbindung, in vielfach selbstloser Weise mitgestaltet und mitgetragen haben.
Der Blick auf die jüngere Corpsgeschichte nach dem 2. Weltkrieg, wo beherzte Männer immer an den Fortbestand geglaubt haben, und sich letztlich dafür eingesetzt haben, gibt den berechtigten Mut an eine gute Zukunft zu glauben.
Wir wollen heute feiern, nicht ohne dabei die aktuellen Schwierigkeiten außer Acht zu lassen, deren Ursache im Wesentlichen in strukturellen Problemen mit der Standortfrage der Technischen Universität Dresden und den neuen Zeitgeist im Zusammenhang stehen.
Dankbar begrüßen wir auch unsere jüngsten Silvanen, welche sich als Stützungburschen bereit erklärt haben, helfend einzuspringen und so den Aktivbetrieb zu ermöglichen. In der festen Überzeugung,
dass euer Wirken gepaart mit vollen Einsatz aller Silvanen, uns eine gute gemeinsame Zukunft bescheren wird.
In Sinne der „alten“ Corpsstudenten meine ich schließlich, dass wir eine gute Chance für die Zukunft haben, wenn wir unsere Werte in unserer Tradition und unsere Prinzipien fortführen. Einem solchen
Prinzip wohnt natürlich auch der Gedanke der Achtung vor der Natur inne.
Umfassend bezieht sich auch Friedrich Schiller in seinem Lied „Freude schöner Götterfunken“ auf das, was ich heute angesprochen habe:
Freude trinken alle Wesen, an den Brüsten der Natur,
alle Guten, allen Bösen folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben
Brüder fliegt von euren Sitzen, wenn der volle Römer kreist:
lasst den Schaum zum Himmel spritzen: dieses Glas dem guten Geist!
Wahrheit gegen Freund und Feind, Männerstolz vor Königsthronen
Rettung von Tyrannenketten
Großmut auch dem Bösewicht, Hoffnung auf den Sterbebetten,
Gnade vor dem Hochgericht.
Auch die Toten sollen leben!
Brüder trinkt und stimmet ein: allen Sündern soll vergeben und die
Hölle nicht mehr sein.
„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ (Albert Einstein). Um diese Zukunft unserer lieben Silvania ist mir nicht bange. Silvania hat viele Voraussetzungen für ein Wachsen, Blühen und Gedeihen weit über das 150. Stiftungsfest hinaus.
AH Pirkner