Vorwort von Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Landeshauptmannstv. a.D.
Brauchen wir Bräuche?
Brauchtum und Tradition ein unverzichtbarer Teil unseres Werte Systems
1968 war ein aufregendes Jahr!
Kaum dreht man den Radio oder Fernseher auf, wird diese Zeit von übriggebliebenen „Alt 68ern", die längst den Marsch durch die Institutionen gemacht haben, beachtliche, oft politisch vom linken Lager unterstützte Karrieren durchlaufen haben und jetzt im Pensionsalter sind, verherrlicht. Ich werte dies als ein letztes Aufbäumen dieser Bewegung, die damals angetreten ist um ein System zu zerstören und jetzt einsehen muß, daß manche Tradition und mancher Brauch einfach stärker war als Sie. Rückblickend waren sicherlich Reformen notwendig, die durch diese Bewegung eingeleitet wurden, aber mindestens ebenso viele Unsinnigkeiten wurden gefordert. Denken wir nur an den völligen Schwachsinn der damals propagierten antiautoritären Erziehung, oder die völlig falsch verstandene Liberalisierung unseres Ausbildungssystems, die zu einer Nivellierung nach unten geführt hat. „Unter den Talaren steckt der Muff von tausend Jahren!" war ein Slogan dieser Zeit, der die Erstarrung der Universitäten bekämpfen sollte.
An den technischen Universitäten ist sicherlich zwischenzeitlich eine sehr moderne Einstellung eingekehrt, allein aus dem internationalen Wettbewerb heraus, den es zu bestehen gilt. Auf unser studentisches Brauchtum wollen und können wir nicht verzichten, weil es jene Komponente des akademischen Lebens darstellt, die über die Ausbildung weit hinausgeht. Weil Brauchtum identitätsstiftend ist und in unserem Falle die Leobener Absolventen wie ein Band über Generationen hinweg verbindet. Ich habe in meinem bisherigen Leben noch nie einen Berufskollegen getroffen mit dem ich nicht die gleiche Sprache gesprochen hätte. Wie wollen auch nicht auf die Feierstunden an der Universität mit Chargierten und Talarträgern verzichten, die in unserer Erinnerung immer lebendig sein werden. Wer möchte wirklich „cool" und pragmatisch seine Sponsions- oder gar die Dissertationsurkunde per Post nach Hause geschickt bekommen. Es mag Menschen geben, die darauf keinen Wert legen. Ob diese die reichsten Zeitgenossen unter uns sind wage ich zu bezweifeln. Ich denke gerade unsere Zeit braucht auch Emotionen.
Brauchtum und Traditionen gehen aber weit über den universitären Bereich hinaus und markieren Punkte im Jahresablauf: Weihnachten mit einem überreichen Brauchtum, das nichts von seiner Symbolik und seinem Tiefgang verloren hat, wenn man das unerträgliche Konsumgetöse ausblendet. Es ist, wie wenn man einen „Woazstriezel" abschälen muß, um an das Korn zu kommen. Fasching, denken wir nur an das Salzkammergut, wo der Fasching eine 5. Jahreszeit ist. Ostern, Kirtage, Herbstfeste mit Erntekronen und so weiter. Viele Bräuche haben ihre Wurzeln in der Urzeit. Häufig handelt es sich um Riten, die die Götter und Elemente günstig stimmen sollen und Unglück und Hunger verhindern helfen sollen. Die Menschen haben immer schon Hilfe bei übersinnlichen Kräften gesucht, und wohl auch in irgend einer Form gefunden. Ich behaupte, daß Menschen die an „etwas" glauben leichter durchs Leben kommen und Halt, Hoffnung und Trost in schwierigen Situationen finden, als jene, glauben darauf verzichten zu können. Natürlich wurden viele alte Riten und Bräuche „christianisiert", d.h. von der Kirche vereinnahmt, weil die Menschen nicht darauf verzichtet hätten. So wurden die alten Feuerriten zur Sommersonnenwende zu den Johannisfeuern umgedeutet und mit christlichen Elementen verbrämt. Dennoch möchte ich auf alle diese Bräuche vom Feuertragen, Ratschen, Palmbuschentragen, Oster- und Sonnwendfeuer, Advent und Julfeier und die unendlich vielen Bräuche nicht verzichten müssen. Sie sind einfach ein Teil unseres Lebens und unseres Gesellschaftssystems. Ich denke, wir sollten diese Traditionen auch verteidigen und weitergeben. Wir sollten aber auch wachsam sein wenn durch Import von so genanntem Brauchtum die Substanz unserer eigenständigen Bräuche oder Traditionen verwässert oder entwertet werden. Ich denke da an den völligen Schwachsinn von „Halloween" der uns derzeit, von den USA kommend, überschwemmt.
Vor allem linke Kreise versuchen nun unser Brauchtum durch Bräuche aus anderen Kulturen, die als multikulturelle „Bereicherung" angepriesen werden zu ergänzen oder zu ersetzen. Ich habe nichts gegen Bräuche und Traditionen aus dem jüdischen, islamischen, asiatischen oder afrikanischen Kulturkreis. Sie sollen auch im Rahmen unserer Spielregeln bei uns durchgeführt werden dürfen, aber sie sollen unser Brauchtum nicht ersetzen! Wien ist heute zum Beispiel ein multikultureller Eintopf geworden. Dies mag bei einer modernen Metropole heute Standard sein, sind doch die modernen Großstädte heute international austauschbar geworden, soweit sie nicht durch die historischen Baudenkmäler eigene Besonderheiten aufweisen, wegen deren übrigens Millionen Touristen unterwegs sind. Ich möchte nicht in einer beliebig austauschbaren Gesellschaft ohne eigene Traditionen oder Bräuche leben.
Zum Schluß fällt mir eine Fabel ein, die gut zum Thema paßt: Zwei Füchse treffen einander und einer davon beschließt seinen Schwanz abzuschneiden, weil er ihm bei der Jagd und vielen anderen Gelegenheiten im Weg ist. Nach einiger Zeit treffen die Füchse einander wieder und der schwanzlose Fuchs erzählt dem anderen wie toll denn das Leben ohne Schwanz wäre. Dieser antwortet: "Das mag schon sein, aber Du bist kein Fuchs mehr." So würde es uns ergehen, wenn wir den „Schwanz" unserer Traditionen ablegen würden.
Ich grüße Euch mit unserem traditionellen Gruß Glück Auf!
Leopold Schöggl AH