Text: Zivana de Kozierowski
Fotos: Monika Löff, Kulturelle Arge Grundlsee
Quelle: Unser Salzkammergut / Sommer 2019 / Nr. 10
Grundlsee, das Meer der Steiermark
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Ein seltenes Naturschauspiel
Nur einmal alle zehn Jahre findet in Gössl am Grundlsee das "Wildererspiel" statt: "Gnade, mein Prinz, Gnade!" ist ein Freiluft-Theaterstück, an dem sich das gesamte Dorf mit über 200 Laiendarstellern in historischer Festtagstracht beteiligt. Ein Gespräch mit dem Obmann der "Kulturellen Arbeitsgemeinschaft Grundlsee", Werner Pirkner, und dem Regisseur des Stücks, Peter Grill.
Es ist eine beeindruckende Szenerie: Das ganze Dorf, darunter Trachtengruppen aus Grundlsee, Bad Aussee und Öblarn, bildet einen Festzug in historischen Trachten, wie sie vor 150 Jahren in dieser Gegend getragen wurden. Gefolgt von Bauern, Jägern, Knechten, Almleuten, Fischern und Bergleuten führt diese Prozession vom Ufer des Grundlsees durch das malerische Gössler Dorf hinauf bis zur Gössler Wand, die letztendlich Teil der Theaterkulisse ist. Vor dieser 180 Meter hohen Felswand findet letztendlich die Inszenierung statt, welche an das Kennenlernen des volksverbundenen Erzherzog Johann und seine spätere Frau, Anna Plochl, vor 200 Jahren erinnern soll.
Herr Pirkner, das ist schon etwas ganz Außergewöhnliches: Am 3. August ist nach zehnjähriger Pause wieder ein ganzes Dorf auf den Beinen, um gemeinsam Theater zu machen. Alles zu Ehren von Erzherzog Johann und Anna Plochl. Wie lange gibt es diese Tradition schon?
Werner Pirkner: Das legendäre "Wildererspiel" wurde in ähnlicher Form bereits in den Jahren 1959 und 1969 aufgeführt, allerdings etwas vereinfacht in der Handlung. Die Begegnung von Erzherzog Johann und Anna Plochl im Jahre 1819 am Toplitzsee wurde damals nachgespielt - nonverbal, also ohne Worte. Das Ganze begann ebenfalls mit einem festlichen Trachtenzug, anders als heute aber vom Toplitzersee nach Gössl. Anschließend wurde gefeiert und getanzt. Es folgte dann eine jahrzehntelange Pause, erst im Jahr 2009 wurde diese Idee wieder aufgegriffen und das Stück neu inszeniert.
Wie kamen Sie denn ins "Spiel"?
Werner Pirkner: 2009 war ich als Zuschauer dabei und habe erlebt, welche Begeisterung sich im Ort breit gemacht hat für diese gemeinsame Sache. Überall wurde die Wiese gemäht, um Flächen für Parkplätze zu schaffen. Es war ein großer Zusammenhalt zu spüren. Das war für mich die Motivation. Als mich dann der Verein "Kulturelle Arge Grundlsee" gefragt hat, ob ich die Obmannfunktion des Vereins und die Organisation der Veranstaltung übernehmen würde, habe ich voreilig geantwortet: "Na klar, das kann ja nicht so schwer sein (lacht)!"
Was ist also Ihre Aufgabe?
Werner Pirkner: Ich mache eigentlich alles, was Peter Grill nicht macht. Er ist der Regisseur des Stücks. Ich kümmere mich um Organisation, Sponsoring, Werbung und vieles andere mehr. Um Ausstattung und Kostüme kümmert sich die Expertinnenrunde.
Herr Grill, Sie sind nicht nur der Regisseur, Sie haben auch die Neufassung des Stücks geschrieben?
Peter Grill: Ja, das stimmt. Warum die ehemalige Obfrau Nora Schönfellinger damals auf mich gekommen ist, rührt wahrscheinlich daher, dass ich nicht nur die Ausseer Theatergruppe vor Jahren gegründet habe, ich war auch etliche Jahre Mitglied. Dann passierte aber Folgendes: Das alte Theatermanuskript und somit die Grundlage für die Uraufführung des Stücks aus den Jahren 1959 und 1969 war plötzlich verschollen! Also bin ich persönlich zu den alten Gösslern nach Hause gegangen und habe mich erkundigt, ob jemand das Stück in den 50er oder 60er-Jahren im letzten Jahrhundert gesehen oder vielleicht sogar mitgewirkt hat. Diese Recherche war dann die Grundlage meines Manuskriptes. Neben der authentisch und historisch korrekten Darstellung war es mit natürlich auch ein Anliegen, Gefühle und Humor ins Stück einzubringen und so eine passende Rahmenhandlung zu schaffen.
Ist das Original-Manuskript wieder aufgetaucht?
Peter Grill: Ja, das war auf einmal wieder da. Ein dreieinhalbseitiges Schriftstück aus dem Jahr 1959, von Hans Gielge sen. verfasst und in Gedichtform geschrieben.
Eine kurze Inhaltsangabe des aktuellen Theaterstücks ...?
Peter Grill: Die Ausseer haben es ja immer schon verstanden, Feste zu feiern und dabei das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Und so wurde unterhalb der Gössler Wand ein Tanzboden errichtet, der aber vorher auch als Audienzplatz für den hohen Gast dienen sollte, um dort die Anliegen, Wünsche und Huldigungen der heimischen Bevölkerung entgegenzunehmen. Diese Gespräche werden jedoch von Schüssen hoch oben in der Gössler Wand unterbrochen, wo zwei Jäger einen Wilderer stellen, diesen schließlich überwältigen und vor den Erzherzog bringen.
Der Bruder des regierenden österreichischen Kaisers fällt jedoch ein Urteil, das einerseits niemand erwarten konnte und das andererseits die tiefe Verbundenheit Johanns mit dem Volk und sein Talent, auf besondere Ereignisse geschickt zu reagieren, ausdrückt. Aber es geht nicht nur steirische Erzherzogpaar, es geht auch um Beziehungen, um Liebe, Männerfreundschaft, um Feindschaft, Neid und Missgunst. Und es geht auch um Fleischknödel - aber das alles soll eigentlich im Voraus nicht verraten werden ...
Die Schauplätze an sich sind ja schon sehr spektakulär ...
Werner Pirkner: Ja, die Handlungsplätze sind eigentlich filmreif: Am Beginn werden die Hoheiten in einer Plätte über den See gerudert, dann der Festzug durch das beschauliche Dorf und schließlich diese beeindruckende Felswand, auf deren oberen Drittel sich die Wilderer tatsächlich während des Stücks befinden.
Spektakulär dürften Ihren Schilderungen nach auch die Kostüme sein?
Werner Pirkner: Ja genau. Über 200 Laiendarsteller tragen an diesem Tag authentische Trachten aus der Zeit von Erzherzog Johann. Es gibt in Aussee um die 30 Familien, die noch alte Gewänder besitzen, oder diese nachgeschneidert haben.
Peter Grill: Ich arbeite zudem ehrenamtlich im Kammermuseum Bad Aussee und wir stellen unsere 30 bestickten Ranzen (Lederhosen, Anm.) und eigentlich fast alles, was wir haben, für diesen Zweck zur Verfügung.
Werner Pirkner: Das ist schon sehr bewegend, wenn man bei den Leuten, die noch alte Gewänder besitzen, anfragt, ob sie mit dabei sein wollen. Und man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie auch wirklich mitmachen. Was außerdem noch erwähnenswert ist: Alle, die in diesen authentischen Gewändern Berufsgruppen wie Bauern, Jäger, Bergleute oder Fischer etc. darstellen, sind auch im realen Leben Bauern, Jäger, Bergleute oder Fischer.
Welche Schwierigkeiten bringt der Abstand von zehn Jahren zwischen den Aufführungen mit sich?
Werner Pirkner: Zwei der wichtigsten Hauptdarsteller (Jäger, Anm.) haben wir tragischerweise durch Tod verloren. Und unser "Erzherzog Johann" hat seinen Arbeitsplatz leider von Aussee nach Hamburg verlegt. Das waren schon Herausforderungen, denn es musste da natürlich eine neue Besetzung her.
Vor zehn Jahren waren um die 2.500 Zuschauer. Was passiert, wenn es am 3. August regnet?
Werner Pirkner: Davon gehen wir eigentlich nicht aus. Immerhin spielt ja auch unser Herr Pfarrer mit und der ist für das Wetter verantwortlich (lacht). Nein, im Ernst: Bei diesem großen Organisationsaufwand und so vielen Teilnehmern ist es unmöglich, einen Ersatztermin zu planen ...
P.S. Wolfgang Waltner: Selbst der erwähnte Herr Pfarrer konnte Regen am Veranstaltungstag nicht verhindern. Gottes Wege sind eben oft unergründlich.