Schon seit meiner Pensionierung ist mir ständig vorgeschwebt, einmal möchte ich eine größere Bergtour unternehmen.
Dabei ist dann irgendwann der Kilimanjaro ins Gespräch gekommen, aber immer nur in der Wunschform ohne wirklich daran zu glauben, dass es einmal Wirklichkeit werden könnte.
Der große Umschwung kam dann anlässlich der Feier meines 60. Geburtstages am Corpshaus. Meine Töchter haben mir als Geburtstagsgeschenk ein Sparschwein geschenkt, worin sich die Anzahlung für einen Urlaub, zweckgebunden auf den Kilimanjaro befand.
Nun war ich festgelegt.
Man kann nicht jahrelang von etwas schwärmen und dann einen Rückzieher machen. Also begann ich mich ernsthaft zu informieren.
Mein Schwager war auch sofort begeistert und wollte auch mit. Leider hat sich aber dann herausgestellt, dass er die Praxis dann doch nicht so lange zusperren konnte und so habe ich mich dann mit
dem Reisebüro in Verbindung gesetzt, wie das allein zu machen wäre.
Dort wurde mir dann versichert, dass das alles kein Problem sei, es gab nur eine Einschränkung, es müssen mindestens zwei Teilnehmer zu diesem Termin zusammenkommen.
So haben wir uns dann entschlossen, Poldi macht Urlaub am Meer, ich gehe auf den Kilimanjaro und komme dann für vier Tage Badeurlaub nach. Gesagt, getan, gebucht.
Nun ging es ernsthaft ans Erkundigen, wer war schon oben, was muss man beachten, was muss man mitnehmen, etc. So mit guten Ratschlägen und Material ausgerüstet war es dann endlich soweit, am 21. Juli 2009 ging es über Frankfurt nach Kilimanjaro Airport in Tansania, wo ich kaum 20 Stunden nach der Abreise in Leoben mit verbogenem Gestell angekommen bin. Von dort mit einem Kleinbus ins Hotel in das ca. 50 km entfernte Moshi.
Der erste Eindruck von Tansania ist der, ein ganzes Volk zu Fuß. Da die Infrastruktur bescheiden ist, ist das gebräuchlichste Fortbewegungsmittel der Fußmarsch.
Im Hotel angekommen, fallen einem sofort zwei Kategorien von Gästen auf, die, die hinauf wollen und die, die schon oben waren oder es zumindest versucht haben.
Es ist dann doch schon ein bisschen Respekt vor dem Berg zu spüren, den man am nächsten Tag in Angriff nehmen soll. Am Nachmittag folgt dann ein kurze Einweisung, der Guide stellt sich vor und man beginnt sich mit den neuen Bergkameraden anzufreunden, mit denen man nun eine Woche ständig auf Tuchfühlung ist.
Unsere Gruppe bestand aus vier Personen, drei Deutsche, ein Ehepaar, ein Einzelreisender und mir. Gott sei dank waren alles nette Kerle und wir haben uns sehr gut verstanden.
Am nächsten Morgen ging es dann endlich los. Mit dem Bus nach Marango, dort beginnt der Naturpark und der Fußmarsch in einer Höhe von ca. 1800 m.
Wenn man aus dem Bus steigt, verschwindet auf wundersame Weise das Gepäck, bis auf die Sachen die man im eigenen Rucksack für den Tag mitnehmen will. Der erste Tag geht dann ca. 9 km durch tropischen Regenwald bis zu der auf 2700 m hoch gelegenen Mandarahütte.
(ehemals Bismarckhütte). Bei diesem Marsch der nicht besonders anstrengend ist, beeindruckt vor allem der Urwald der hier noch diesen Namen verdient. Man würde ohne Machete meist keine 10m vom Weg in den Wald vordringen können. dort bekommt man dann sein Quartier zugewiesen, ca. 10 m2 für 4 Personen.
Die Anlage besteht aus mehreren kleinen Hütten und einer größeren Gemeinschafts- und Speisehütte. Man richtet sich häuslich ein und harrt des Abendessens, das nun irgendwo von irgendwem produziert werden soll.
Da noch Zeit genug zu diesem ersten, mit einiger Skepsis erwarteten Essen war, bin ich noch schnell zu einem in der Nähe gelegenen Vulkankrater gestiegen, begleitet vom Gekreisch einer Horde Affen.
Nach der Rückkehr war dann der Tisch bereits gedeckt, Tischtuch in der Farbe des Veranstalters und einem Boy, der die Speisen aufträgt, aufpasst, dass genug heißes Wasser für Tee oder Kaffe vorhanden ist und sich auch sonst um unser Wohlbefinden kümmert.
Ich war ehrlich überrascht, es gab Suppe, Hauptspeise, Nachspeise, Obst, alles hat ausgezeichnet geschmeckt. Dabei muss man aber bedenken, dass alles von den Trägern mitgetragen werden musste, für die ganze Woche bis hinauf ins letzte Camp auf 4700m Seehöhe.
Da es praktisch kein elektrisches Licht gibt, nur eine Funsel gespeist von einigen Solarzellen und es um 7 Uhr bereits stockdunkel ist, beginnt das Nachtleben um 8 Uhr im Schlafsack.
Am nächsten Tag Tagwache, Katzenwäsche und Frühstück. Vor dem Aufbruch wieder dasselbe Zeremoniell, man legt sein Gepäck einfach auf die Stufen und marschiert los, nur mit dem im Rucksack, was man für den Tag braucht.
Nach ein paar Höhenmetern ändert sich die Vegetation komplett. Man geht nun durch die so genannten Moorelands, einer Heidelandschaft mit zum Teil dichtem Strauchwerk. Dieser Boden dürfte sich in der Regenzeit voll saugen wie ein Schwamm und es befinden sich auch immer wieder Wasserstellen und kleine Bäche in der Landschaft.
Je höher man steigt, umso karger wird das Gesträuch und nach 10 km Fußmarsch und 1000 Höhenmetern erreich man Horombo Huts. Hier auf 3700 m ist es schon merklich frisch, in der Nacht sinken die Temperaturen deutlich unter den Gefrierpunkt. Abendessen und Nachtleben wie gehabt, aber diesmal habe ich mich umgesehen wo unser Essen fabriziert wird. In einem Zelt von ca. 6 m2 sitzen 5 Mann und kochen, wie das funktioniert ist mir unbegreiflich, aber das Essen war wieder ausgezeichnet.
Horombo ist eine Drehscheibe auf der Route, da die meisten hier einen Tag zur Akklimatisierung einlegen und auch die Bergabkommenden hier noch einmal Nächtigen. Am nächsten Tag dann zum akklimatisieren ein Spaziergang auf den so genannten Sattel, einen Rücken zwischen Kibo, auf dem sich der Gipfel des Kilimanjaro befindet und Mawnezi einem Nebenberg auf ca. 4500 m.
Am nächsten Tag geht es dann zur letzten Station auf die Kibo Huts, auf 4700 m. Dieser Marsch führt dann fast nur mehr durch eine alpine Wüste, denn die letzte Wasserstelle hat man schon lange hinter sich gelassen. Zu dieser Hütte muss dann auch noch das Wasser hinaufgetragen werden.
Spätestens hier beginnt man dann etwas fragend das steile Geröllfeld anzuschauen, das sich 1000m hoch vor einem auftut, und wenn man das erst einmal geschafft hat, hat man den Gipfel noch immer nicht erreicht. Das Ende dieses Geröllfeldes heißt Gilmans Point, wenn man das erreicht hat, darf man sich schon Bezwinger des Kilimanjaro nennen, obwohl einen noch 200 Höhenmeter und 2 km Fußmarsch vom eigentlichen Gipfel trennen.
In dieser Höhe beginnen bei vielen schon die ersten Probleme mit der Höhenkrankheit, diese äußern sich durch Kopfschmerzen, Übelkeit und können im schlimmsten Fall zu Gehirnödemen und zum Tod führen. Mir sind diese Symptome alle erspart geblieben, ich habe bis zum Gipfel keine Probleme gehabt, außer dass man sich jede schnelle Bewegung verkneifen muss, da man sofort außer Atem kommt.
Abends noch eine kurze Lagebesprechung mit dem Guide, aufstehen um 23 Uhr, kleines Frühstück, Abmarsch um Mitternacht.
Wir sind in einem ungeheizten Zimmer, 12 Personen und versuchen noch ein paar Stunden zu schlafen. So richtig gelingt es keinem, die Aufregung, der Sauerstoffmangel, einige haben schon Kopfschmerzen und nehmen Tabletten, irgendeiner muss immer auf die Toilette. So ist es dann schon direkt eine Erleichterung als um 23 Uhr das Frühstück kommt.
Anschließend wird noch einmal der Rucksack kontrolliert und dann geht es los zur letzten Etappe. Es ist eine sternenklare Nacht aber ziemlich kalt, so um die minus 10 Grad. Auf dem Vorplatz herrscht reges Treiben, einige Gruppen sind schon vor uns aufgebrochen, einige gerade erst aufgestanden. Es gibt scheinbar bei den Guides verschiedene Ansichten wann die beste Zeit zu Aufstieg ist, ich glaube aber, sie beobachten ihre Leute während der letzten Tage und schätzen dann die Kondition ihrer Gruppe ein sowie die benötigte Zeit für den Aufstieg. Es ist ein eigenartiges Schauspiel, die Stirnlampen der Bergsteiger wie Perlenschnüre über die Bergflanke sich bewegen zu sehen. Wir haben den Rat bekommen nicht zu viel nach oben zu sehen um nicht zu verzweifeln.
So geht es jetzt Serpentine um Serpentine nach oben. Unser Guide hat scheinbar gut beobachtet, denn wir starten mit drei Führern bei einer Gruppe von vier Personen. Bei ca 5000HM, wir haben schon einigen Pausen eingelegt kollabiert die Erste von unserer Gruppe. Sie wird von einem Guide nach unten gebracht und wir marschieren weiter. Der zweite Kollege bleibt mit dem nächsten Guide zurück, er will etwas langsamer gehen. Auch er wird wenig später zurückgebracht. Bei ca. 5200 HM kollabiert auch der Dritte. Ich bin Führerlos, und hänge mich bei einer Gruppe die vor uns geht an. Es bleiben immer wieder Leute zurück, es wird gekotzt wie bei zehngliedrigen Bierstaffette und einige taumeln auch wie nach einer solchen. Nach gut 6 Stunden erreichen wie Gilmans Point genau zum Sonnenaufgang.
Es ist ein unvergesslicher Augenblick, tief unter uns ein Wolkenmeer und der Blick so weit, dass man die Krümmung der Erde sieht. Nicht bloß etwa ahnt, sondern richtig erkennen kann. Für einige aus meiner neuen Gruppe ist hier Schluss, der Guide geht mit ihnen nicht mehr weiter.
Während ich noch etwas ratlos herumstehe, kommt ein Guide aus unserer Gruppe dahergehetzt, er hat den Kollegen ein Stück nach unten gebracht und ist mir dann nachgerannt. Mit ihm gehe ich dann weiter Richtung Gipfel. Nach weiteren eineinhalb Stunden ist es dann soweit, ich stehe am höchsten Berg Afrikas auf 5895 m SH.
Ich hab`s geschafft.
Der Ausblick ist ein Wahnsinn, vor mir liegen im wahrsten Sinn des Wortes die Gletscher, hinter mir der Krater und aus den Wolken einige Vier- und Fünftausender.
Neben mir stehen auch einige so ergriffen wie ich herum, einige haben Tränen in den Augen und fallen sich um den Hals, alle kramen ihre Kamera aus um diesen Augenblick festzuhalten. Länger als etwa 15min bleibt mir nicht, die Aussicht und das Gefühl es geschafft zu haben, zu genießen. Dann drängt der Guide den Abstieg in Angriff zu nehmen. Es ist ein tolles Szenario das man nun genießen kann, denn jetzt hat man es geschafft.
Mit gezückter Kamera werden nun die Gletscher, der Krater und was mir sonst noch interessant erscheint fotografiert und gebührend bewundert.
Noch immer kommen mir Gruppen entgegen, zum Teil halb von ihren Führern geschleppt. Auf dem Weg nach unten überholen wir einen aus der Gruppe, der nur bis zum Gilmans Point gekommen ist mit seinem Guide. Er kann nicht mehr gehen, die Füße lassen aus und er knickt nach ein paar Schritten immer wieder ein. Wir versprechen von untern Hilfe zu schicken. Gegen Mittag sind wir wieder auf Kibo Hut angelangt, ich packe meine Klamotten zusammen und nach einer kurzen Rast wird die letzte Etappe dieses Tages in Angriff genommen, 10 km und 1000 HM zur Horombo Hut. Dort treffe ich meine Gruppe, die schon in der Früh abgestiegen ist. Sie sind ein bisschen deprimiert, denn schließlich ist das Ziel ja doch der Gipfelsieg, aber sie gratulieren mir neidlos. Gegen 7Uhr verkrieche ich mich dann in den Schlafsack, schließlich bin ich so an die 15 Stunden an diesem Tag durch die Gegend gelaufen, und rühre mich erst 12 Stunden später wieder als es Frühstück gibt.
Dann geht es zur letzten Etappe über 20 km und 2000 HM zurück zum Ausgangspunkt, wo bereits wieder ein Bus auf uns wartet der uns zurück ins Hotel bringt. Was dann folgt ist eine Duschorgie nach sechs Tagen Minimalkörperpflege und das fast schon abhanden gekommene Gefühl frischer Wäsche.
Anschließend Treffpunkt Garten auf ein Bier und Szenerie wie am ersten Tag, nur bin ich diesmal in der Kategorie jener die es geschafft haben. Es ist ein bisschen ein unwirkliches Gefühl, dass man noch 36 Stunden vorher wirklich oben gewesen ist, und ich bin schon stolz darauf es geschafft zu haben. Am Abend kommt noch einmal der Guide vorbei um sich zu verabschieden, hauptsächlich aber um sich das Trinkgeld für sich und die ganze Mannschaft aus Trägern und Köchen etc abzuholen, ohne die das ganze Unterfangen nicht möglich gewesen wäre.
Am nächsten Tag fliege ich dann nach Sansibar, wo Poldi schon urlaubt und lasse es mir noch vier Tage am indischen Ozean gut gehen, ehe wie uns wieder auf die Heimreise machen.
Alles in allem war es für mich ein tolles Erlebnis, die Lust aufs Bergsteigen ist mir dabei nicht vergällt worden, ich würde es noch einmal machen.
AH Zauner, 2009