Zusammengestellt von AH Milz, zur Verfügung gestellt von CB Geyr
Dr. jur. Theodor Christomannos Gothiae Innsbruck x, x, xx, xx, xx, xxx, FM, FM, FM Lusatiae Leipzig, Landtagsabgeordneter in Meran, geb. 1854 rez. 1874 gest. 1911, der Erschließer Sübtirols (Das Photo wurde von seinem Sohne, Dr. Sigurd Christomannos Gothiae, Notar in Gurk, Kärnten, zur Verfügung gestellt)
Von Mag.pharm. Dr.phil. Karlheinz Pollner (gest. 1965 in Eferding / OÖ)
Die Tageszeitung „Neue Freie Presse" war eines der führenden Organe im alten österreichischen Kaiserreich. In einem Nachruf ist dort im Jänner 1911 zu lesen: Dr. Theodor Christomannos wird immer genannt werden, wenn von den Alpenparadiesen Sulden, Trafoi, Dolomiten, Cortina die Rede sein wird. Auch um eines der schönsten Kulturwerke Tirols, um die Errichtung der neuen, modernen Hochstraße durch die Dolomiten, hat er sich unvergängliche Verdienste erworben.
Wer war nun jener Mann, für den der Vielvölkerstaat Österreich gerade der richtige Boden und Rahmen war, auf und in dem er, in der freigewählten Gemeinschaft seiner Corpsbrüder, zu einem flotten Studenten und in seinem Berufsleben zu einem zielstrebigen Mann und schließlich, als Krönung seines Lebenswerkes zu einem Pionier bei der Erschließung Südtirols emporgewachsen ist.
Christomannos wurde am 31. Juli 1854 im 1. Wiener Bezirk, in der Schönlaterngasse, geboren. Wohl schon seit einigen Generationen in Wien ansässig, stammt die Familie aus dem mazedonisch-griechischen Raum. Sein Urgroßvater, Inhaber eines angesehenen Bankhauses in Wien, führte noch den Familiennamen Mannos und hieß mit dem vornamen Christus. Erst Großvater Anastasius zog den Vor- und Zunamen zu der heutigen Schreibweise Christomannos zusammen. Durch seine Mutter war Christomannos mit der Familie des Wiener Kunstmäzens und Parlamentariers Dumba verwandt, in dessen Palais in Wien, am Parkring 4, des öfteren Männer von Wissenschaft und Kultur einen illustren Kreis bildeten. Dort mag wohl dem jungen Mann, verständnisvoll gelenkt durch seine feinsinnige Mutter, der Grundstein zu seinem ausgesprochen künstlerischen Gefühl gelegt worden sein.
Zum erstenmal kam Christomannos im Winter 1870/71 nach Tirol, wohin er seine Mutter zu einem Kuraufenthalt nach Gries bei Bozen begleitete und als Privatist das Gymnasium bei den Franziskanern in Bozen besuchte. Dort sprang er in das pennale Corps Amicicie ein, gelangte alsbald dank seiner auffallenden, interessanten Erscheinung und seines zielstrebigen Wesens zu Beachtung und Ansehen. Das erstemal trat er dort in die Öffentlichkeit, als er anläßlich einer Ehrung des bekannten Professors der Naturgeschichte, des „Käferpaters" Vinzenz Gredler, dem das Goldene Verdienstkreuz verliehen wurde, fackelschwingend seine Klasse im Festzug anführte. Und seit diesem Tage leuchtete ihm die Fackel seiner Begeisterung und Tatkraft hell voran. Durch seine Studentenstädte Innsbruck und Leipzig, in seinem Berufsleben durch Bozen und Meran hinauf zu den Graten und Zinnen der Dolomiten, bis ein allzu früher Tod sie unbarmherzig verlöschte.
Im Wintersemester 1873 inskribierte er an der Alma mater zu Innsbruck Medizin und wurde am 10. Oktober 1873 in das Corps Gothia aufgenommen.
Alles was Christomannos tat, tat er ganz, kompromißlos ganz, und so war es nicht verwunderlich, daß alsbald in den Straßen Innsbrucks ein, wie Zeitgenossen zu berichten wissen, „draufgängerischer junger Gothe mit ungewöhnlich schönem, schmißdurchfurchtem dunklen Kopfe" auffiel und eine Menge Histörchen und Geschichten um seine Person erstanden.
Christomannos konnte es sich leisten, in Farben, mit einem lebendigen Fuchs im Arm über den Bummel auf der Theresienstraße zu gehen, die übliche Studentenmütze mit einem pelzverbrämten weißen Cerevis zu vertauschen, und manch studentenfreudiges Mädchenherz schlug höher, wenn er auf seiner arabischen Stute Aga ritt. Man weiß heute noch schmunzelnd davon zu berichten, wie er nach einer durchzechten Nacht mit einem Fiaker, der dieses Vollblut aus der Exekutionsmasse eines Zirkusses im Innsbrucker Winterquartier erstanden und vor seinen Wagen gespannt hat, eine Wette abschloß, daß das Pferd sein Eigentum sein sollte, wenn er mit der Stute jetzt im Winter den Inn überquere, ohne daß Roß und Reiter irgendeinen Schaden nähmen. Christomannos gewann diese Wette und lange Jahre hindurch blieb Aga sein treuer Begleiter bei den ausgedehnten Ritten durch Süd- und Nordtirol.
Das Corps Gothia gelangte dank seiner Persönlichkeit zu großer Blüte und Ansehen. Wenn er auch, so im Wintersemester 1874/75, im Sommersemester 1883 und nochmals im Wintersemester 1883/84 bei Lusatia Leipzig aktiv war, galt doch seine Liebe und Treue seinem Muttercorps, dem er bis zu seinem Lebensende auf das engste verbunden war. Er galt mit Recht als stadtbekannte Persönlichkeit, bildete sich zu einem glänzenden Redner heran, legte den Grundstein zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit und war das Idealbild eines tatenfrohen Corpsstudenten seiner Zeit. Seine geklammerten Chargen x, x, xx, xx, xxx, FM, FM, FM geben ein beredtes Zeugnis und in den Mensurprotokollen ist er mit 34 Partien eingetragen.
Bei einer der letzten Partien, es war dies zu Straßburg, ereilte ihn das Mißgeschick, daß durch einen schadhaften Kettenhandschuh das rechte Handgelenk durchtrennt wurde und, buchstäblich nur an einigen Hautfetzen hängend, an Ort und Stelle verbadert werden mußte. Da größte Eile geboten war, mußten Rotwein und Nikotin in Form von Zigaretten als Narkotika dienen. Aber selbst dieser Unfall konnte die Tatkraft Christomannos nicht beeinträchtigen, denn da seine rechte Hand nunmehr steif und gekrümmt war, mußte er sein Medizinstudium aufgeben, auf Jus umsatteln und focht seine letzten Partien als „Linkser", wie er auch in unglaublich kurzer Zeit das Schreiben mit der linken Hand erlernte.
Nunmehr war es aber hoch an der Zeit, seinem Studentenleben Valet zu sagen. Und da war es wieder typisch für Christomannos, daß er sich mit seiner ganzen Willenskraft auf sein Studium warf und sich zu diesem Zwecke in das Gasthaus „Peterbrünnl" zurückzog. Man weiß aus dieser Zeit, daß er, nur mit einer Decke ausgerüstet, auf dem Fußboden schlief, um nicht allzuviel Zeit vom Studium durch langes und bequemes Schlafen zu verlieren.
Im Jahre 1884 wurde er zum Doktor der Rechte promoviert und trat beim Landesgericht Innsbruck seine Gerichtspraxis an. Und wiederum „echt Christomannos": In den ersten Tagen seiner Gerichtstätigkeit hob er im Strafregister seine Kartei aus, um nachzusehen, was sich alles während seiner Studentenzeit an Strafmandaten wegen Raufhändel, Wachebeleidigung und nächtlicher Ruhestörung angesammelt hatte. Er hat damals über sich selbst lachend sehr den Kopf geschüttelt.
Es währte jedoch nicht lange und noch im Jahre 1884 übersiedelte Christomannos nach Meran, wo er seine Gerichtspraxis fortsetzte und beendete, um im Anschluß daran im Jahre 1887 in die Rechtsanwaltskanzlei seines Corpsbruders Dr. Hans Steiner einzutreten.
Von zu Hause mit reichlichen finanziellen Mitteln dotiert, stand er alsbald im Mittelpunkt der Meraner Gesellschaft, in der er nicht nur wegen seines Auftretens, seiner gesellschaftlichen Talente und seiner, an die Studentenzeit anklingenden munteren Wesensart beachtet, sondern auch als redegewandter Richter geachtet und geehrt wurde. Gerade zu jener Zeit traten seine außerordentlichen Begabungen zu Tage. Er zeichnete sich durch ganz besonderes Rechtsgefühl aus, besonders wenn es galt, die Belange der kleinen Leute zu wahren. Der damalige Präsident des Kreisgerichtes Bozen, der wegen seiner Strenge und scharfen Kritik bekannte Graf Melchior, stellte Christomannos ein glänzendes Zeugnis aus. Natürlich blieb er auch zu dieser Zeit dem politischen Parkett nicht fern. Seine stets jugendlich überschäumende Begeisterung, der ewige Studententraum für Freiheit, Fortschritt und Volkstum prädestinierte ihn dank seiner großen rethorischen Fähigkeiten zum Redner der deutsch-freiheitlichen Partei in Südtirol.
In seiner Wohnungsgemeinde Obermais bei Meran vertrat er nachdrücklichst die Belange seiner Sorgenkinder, der „kleinen Leute" und es war nur eine natürliche Entwicklung, daß er später, im Jahre 1905 als Abgeordneter in den Tiroler Landtag berufen wurde. Jedoch, so sehr er manchmal im politischen Kampfe in vorderster Front manch scharfes Rededuell ausgefochten, konnte das Getriebe der Tagespolitik mit seinem Ärger und Kleinkram seinen hochfliegenden Plänen nicht genügen.
Christomannos wollte mehr, er wollte seiner Tiroler Wahlheimat, der sein ganzes, begeisterungsfrohes Herz gehörte, Ansehen, Beachtung und Wohlstand bringen. Aber nicht nur dieses allein war für sein Tun und Handeln maßgebend, sondern es galt für ihn im Besonderen auch, dem politischen Einfluß der italienischen Irridenta einen Riegel vorzuschieben, und mit beinahe seherischem Weitblick erkannte er die aufkommende Gefahr, die dem Südtiroler Volk von seiten seines italienischen Nachbarn drohte.
Als begeisterter Alpinist wurde Christomannos 1890 Mitglied der Alpenvereinssektion Meran. Mit diesem Zeitpunkt begann für Christomannos zwar der arbeitsreichste, aber auch der beglückendste Abschnitt seines Lebens, der nach vielen Mühen und manchen Rückschlägen jenen Erfolg brachte, der bis auf den heutigen Tag seinen Namen mit Südtirol untrennbar verbunden hat.
Das Edelweiß des Alpenvereinsabzeichens wurde für ihn zum Symbol seiner Pläne. Und er empfand seine Arbeit für Südtirol als Mission. Alle seine Gedanken und Werke hat er bis zu seinem Lebensende diesem seinem Vorhaben untergeordnet. In zahlreichen Vortragsreisen in den österreichischen und deutschen Sektionen des Alpenvereins wies Christomannos immer wieder auf die nationale Notwendigkeit hin, Südtirol der Welt zu erschließen und den deutsch-österreichischen Geist dieser herrlichen Landschaft zu dokumentieren und zu untermauern. Im Jahre 1891 wurde er zum Vorstand der Sektion Meran ernannt, und in dieser Funktion hat er zahlreiche Publikationen für Südtirol und seine Pläne geworben. Auch sein Buch „Sulden-Trafoi" ist von dieser Grundidee erfüllt.
Sein Hauptinteresse galt der Ortlergruppe und den Dolomiten. Mit Feuereifer ging er daran, den Bau der Suldenstraße einzuleiten und zu betreiben. Als Krönung dieses Arbeitsabsdmittes kann die Errichtung des für damalige Verhältnisse als hypermodern geltenden Alpenhotels in Sulden angesehen werden. Dieser Erfolg spornte ihn zu neuen Plänen an und mit Hilfe ausländischen Kapitals gründete er einen „Verein zur Erbauung von Alpenhotels", mit dessen Hilfe dann die großen Häuser, das Karerseehotel und Trafoihotel erstanden sind. Daneben vergaß er aber nicht die kleinen Alpenschutzhäuser, ja er sah sie geradezu als wichtiges Bindeglied der großen Hotels an und förderte deren Errichtung mit allen Mitteln.
Soviele Verdienste sich Christomannos bisher mit seinen Plänen erworben hatte, die Krönung seines Lebenswerkes sollte die Dolomitenstraße sein. Nach dem Bau der Karerpaßstraße wurde die 1897 im Südtiroler Landesgesetz sichergestellte Dolomitenstraße nach Cortina angelegt. Auch hier entstanden im Zuge der weltbekannten Trasse wiederum Hotels und Alpenvereinshäuser, und zahlreiche Höhenwege zweigten ab in einsamere Gebiete. Es hat vieler Arbeit bedurft, bis das Dolomitenhotel in Canzei im Fassantal beziehbar war, und ein jahrelanger Wunsch ging erst 1910 in Erfüllung, als die Alpenvereinssektion Meran den Plan ihres Vorstandes, das Bauvorhaben am Pordoijoch, dem Knotenpunkt der Dolomiten, begann.
Als Abgeordneter im Südtiroler Landtag trat er immer wieder als redegewandter Anwalt unablässig für den Ausbau des Tiroler Verkehrsnetzes ein und betrieb den Ausbau mancher Lokalbahnen.
Wien wurde auf ihn aufmerksam, denn im Jahre 1909 bekam er eine Berufung in das Arbeitsministerium für öffentlidie Arbeiten mit der Einstufung in den Rang eines Hofrates. Er blieb aber seinem Tiroler Land treu und lehnte ab.
Von all den Gebieten Südtirols, die er durchwandert, erforscht und erschlossen hat, galt seine ganz besondere Liebe dem Rosengartengebiet. Auf der Welschnofenalm hat er einen modernen Kurort geschaffen, der heute noch der Zielpunkt der Wanderer aus aller Welt ist. Seine Lieblingsschöpfung war und blieb das Karerseehotel.
Am 13.8.1910 wurde dieser Bau ein Raub der Flammen. Und obwohl auf das tiefste erschüttert, ging er mit seiner ganzen Energie an den Wiederaufbau des Hauses. Als dieses am 12.7.1912 wieder eröffnet wurde, lebte Christomannos nicht mehr.
Er verstarb am 30.1.1911 in seinem Haus in Obermais an einer Lungenentzündung. Dr. Otto v. Sölder, der in den Mitteilungen des Deutschen und Osterreichischen Alpenvereins darüber berichtete, schreibt, daß Christomannos mit einem Blick aus seinem Fenster auf die verschneiten Berge noch flüstern konnte: "Schade, daß dieser schöne Tag so kurz ist". Wenige Stunden später war er nicht mehr unter den Lebenden.
Ein über zweieinhalb Meter hoher Bronzeadler erinnert heute oberhalb des Karerpasses an Theodor Christomannos (Der Druckstock ist eine Leihgabe der „Dolomiten", Tageblatt der Südtiroler in Bozen.)
„Sie haben ihn glänzend zu Grabe getragen" erzählt sein Malerfreund Grubhofer in dem Gedenkbuch, das er ihm gewidmet. Die Liebe und Wertschätzung seiner Mitbürger stand an seinem offenen Grabe, und heute noch hat der Name Christomannos in Tiroler Landen einen guten Klang. Am 22.9.1912 wurde oberhalb des Karerpasses, zwischen der Ostertag- und Köllnerhütte von Corpsbrüdern, Freunden und namhaften Persönlichkeiten aus Innsbruck, Meran und Bozen ein Denkmal für ihn errichtet: Eine bronzene Erinnerungstafel mit der einfachen Inschrift "Dr. Theodor Christomannos" unter einem aufgeblockten, bronzenen Adler.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde dieses Denkmal zerstört und konnte am 12.7.1959 in beinahe ganz gleicher Form wieder errichtet werden. Abermals umstanden Corpsbrüder, Tiroler Freunde und Angehörige der Familie Christomannos die Stätte, aber diesmal standen neben der Tiroler Trachtenkapelle von Welschnofen sechs italienische Carabinieri.
Dr. Theodor Christomannos war eine Persönlichkeit, ein Original. Eine Paarung der widerstrebendsten Charaktereigenschaften, ein Realist, ein Praktiker, ein Träumer, ein flotter draufgängerischer Student, ein zielstrebiger Mann, eine ausdrucksvolle Erscheinung, ein Genießer, ein Asket, sorglos und freigiebig bis zum Leichtsinn und doch wieder, wenn es not tat, sehr wohl um den Wert des Geldes bewußt. Bestechend in seinen Umgangsformen, ein einfacher einsamer Wanderer durch seine Tiroler Berge, selbstlos eintretend für andere und für sich nichts begehrend. Sein Glück bei Frauen war sprichwörtlidt und doch wurde er, als er etliche Jahre vor seinem Tode heiratete, ein treubesorgter Familienvater.
Anläßlich seines 50. Todestages war im Sommer 1961 von Corps Gothia eine Gedenkfeier am Karersee geplant. Liebevoll und umsichtig von seinen Corpsbrüdern aus Bozen, Meran und Innsbruck vorbereitet, sollte dies — Lusatia Leipzig hatte eine Entsendung von Vertretern zugesagt — eine würdevolle Ehrung werden, die jedoch den innerpolitischen Vorfällen jener Tage zum Opfer fiel. Es erschien unopportun, in den Tagen der Bombenattentate im Trentino-Südtirol eine Gedenkfeier für den Osterreicher Christomannos abzuführen.
Und gerade in diesen Tagen wurden die Schlußworte, die Christomannos unter sein Manuskript „Rund um den Rosengarten" gesetzt, bittere Erkenntnis:
„Möge der Zauberkreis, den deutscher Sinn und deutsche Poesie um das herrliche Gebiet gewoben, dieses noch lange vor fremder Überflutung schützen, die deutschen Träumer, fürcht ich, tun es nicht".