Wer in diesem Buch die lebendig schönen Bilder aus alter berühmter deutscher Technik auf sich wirken läßt, wer in der anschaulichen Sprache des großen Gelehrten von den Freuden und Leiden wissenschaftlichen Erkennens und praktischen Schaffens, erzählen hört, kann sich nur wundern, daß erst jetzt in neuer deutscher Ausgabe dieser Schatz für unser ganzes Volk gehoben wurde. Eine kurz vor dem Kriege gegebene Anregung, das Hauptwerk Agricolas neu herauszugeben, konnte infolge der Zeitereignisse nicht verwirklicht werden. Inzwischen erschien die ausgezeichnete englische Ausgabe des amerikanischen Bergingenieurs Herbert Clark Hoover, dessen großes soziales und organisatorisches Wirken, zuletzt in der Stellung des Handelsministers der Vereinigten Staaten, heute in der ganzen Welt bekannt ist. In fünfjähriger Arbeit hat Herbert Hoover im Verein mit seiner Frau, Lou Henry Hoover, die große Arbeit vollbracht, nicht nur der englisch verstehenden Welt eine ausgezeichnete Übersetzung Agricolas zu schenken, sondern diese auch durch zahlreiche, wertvolle, geschichtliche Anmerkungen zu ergänzen. In seinem Vorwort weist Hoover mit Recht auf die Unzulänglichkeit der alten deutschen Ausgaben hin, und er wundert sich, daß wir Deutsche unsern Landsmann noch nicht durch eine neue deutsche Ausgabe seines Hauptwerkes weiteren Kreisen zugänglich gemacht haben.
In der Tat war es nunmehr an der Zeit, neben diese neueste Ausgabe in englischer Sprache eine neue deutsche Volksausgabe zu erstellen. Das Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik, das mit seinen großen, von Millionen betuchten Sammlungen so ungemein viel für die Geschichte der Technik getan hat, erklärte sich bereit, diese Arbeit in jeder Richtung zu fördern. Auf Vorschlag Oscar von Millers wurde die Agricola-Gesellschaft beim Deutschen Museum gegründet und der unterzeichnete Direktor des Vereines deutscher Ingenieure mit der Durchführung aller für die Herausgabe nötigen Maßnahmen beauftragt. Zum Deutschen Museum, dem Verein deutscher Ingenieure und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute gesellten sich die großen bergbaulichen Verbände unter Führung der Fachgruppe Bergbau des Reichsverbandes der deutschen Industrie und die Gesellschaft deutscher Metallhütten- und Bergleute. Der Hinweis auf die Bedeutung Agricolas genügte, um hervorragende Einzelpersonen, Reichs- und Länderministerien sowie die Städte Glauchau, Chemnitz und Zwickau, die in nahen Beziehungen zu Agricola stehen, als Mitglieder der neuen Gesellschaft zu gewinnen. Es zeigte sich packend, wie lebendig trotz allem das Lebenswerk Agricolas in Deutschland noch war.
Vor allem aber gelang es, die richtigen Männer für die Übersetzung und Bearbeitung des Werkes zu gewinnen. Professoren der ältesten deutschen Bergakademie in Freiberg und andere hervorragende Fachgelehrte erklärten sich zur Mitarbeit bereit. Die Schriftleitung übernahm der Geheime Bergrat Professor Dr.-Ing. E.h. CarI Schiffner, und seine Freiberger Kollegen Professor Dr.-Ing. Friedrich Schumacher, Geheimer Bergrat Professor Dr.-Ing. E.h. Emil Treprow und Professor Dr.phil. Erich Wandhoff sowie Konrektor i.R. Professor Dr. phil. Paul Knauth waren bereit, wichtige Kapitel, die ihrem Fachgebiet nahestanden, zu bearbeiten. Außerhalb Freibergs gelang es noch, Dr. Ernst Darmstaedter, München, Dr.-Ing. Wilhelm Pieper, Magdeburg, und Professor Dr.-Ing. Victor Tafel, Breslau, für die Mitarbeit zu gewinnen. Das Buch von den Lebewesen unter Tage wurde von dem Konservator der Zoologischen Staatssammlung in München, Professor Dr. phil. Heinrich Balss, einer fachmännischen Durchsicht unterzogen. So ist die wissenschaftliche Arbeit im Bannkreis der ältesten Bergakademie der Welt, die in der engeren Heimat Agricolas, in Sachsen, bereits 1766 errichtet wurde, entstanden.
Bei der ersten Besprechung der Mitarbeiter am 16. Oktober 1926 in Freiberg war zunächst die Frage zu entscheiden, ob man eine tiefgehende technisch-geschichtliche Forschung mit dieser Neuherausgabe verbinden solle, deren Ergebnisse in vielen Bemerkungen und einem umfangreichen Anhang dem Original anzugliedern wäre, oder ob man, um möglichst bald das lateinisch geschriebene Original in heutiger deutscher Sprache weitesten Kreisen zugänglich zu machen, zunächst mit der Wiedergabe des Originals sich begnügen solle. Man hat sich für den zweiten Weg entschieden, in der Hoffnung, daß gerade diese Wiedererweckung des alten Agricola manche Forscher veranIassen wird, an der Klärung wichtiger technisch-geschichtlicher Fragen zu arbeiten. Es wird später an der Zeit sein, Ergebnisse solcher Forschungen zusammenfassend weiterhin nötig werdenden Ausgaben anzufügen. Dies zur Erklärung, warum sich die Mitarbeiter auf die für das Verständnis weiter Kreise notwendigsten Anmerkungen beschränkt haben.
Das lateinische Titelblatt und die Initialen mit wenigen Ausnahmen sind der Originalausgabe entnommen. Von einer Verdeutschung des allen lateinischen Ausgaben vorgedruckten Gedichtes "Ad lectorem" ist abgesehen worden, da der ihm innewohnende eigenartige Reiz sich in einer deutschen Übersetzung nicht genügend wiedergeben läßt.
Dagegen erscheint hier zum ersten Male in deutscher Übersetzung im vorliegenden Buche das allen lateinischen Ausgaben angefügte und auf dem Titelblatt vermerkte Buch "De animantibus subterraneis", das zuerst im Jahre 1549 bei Froben in Basel herauskam, dann 1556 und in weiteren Ausgaben 1561, 1563 (italienisch), 1614, 1621 und 1657. Agricola hat es 1548 dem Rektor der Fürstenschule in Meißen, Georg Fabricius, mit einem Schreiben übersandt. Spricht Agricola im Hauptwerk von den unbelebten Stoffen des Bergbaues, so will er hier seinen Lesern einiges von dem mitteilen, was die Alten, besonders Aristoteles, von den Lebewesen unter Tage zu wissen glaubten. Agricola selbst sah in dieser Schrift eine Ergänzung seines Werkes "De Re Metallica".
Endlich ist noch die ins Neuhochdeutsche übertragene Vorrede beigefügt, mit der Philipp Bech, der Philosoph, Arzt und Professor an der Universität Basel, die von ihm im Jahre 1557 besorgte erste deutsche Ausgabe des Buches "Vom Bergwerck" Christoph Weitmoser zugeeignet hat. Sie zeigt uns, wie hoch die Zeitgenossen die Bedeutung dieses Werkes eingeschätzt haben. Neben einer zusammenfassenden Inhaltsübersicht erzählt sie uns viel von der Denkweise jener Zeiten, so daß es wertvoll erschien, diese Ausführungen hier aufzunehmen.
Die lebensgeschichtliche Einführung von Ernst Darmstaedter wird dem Leser des Buches ebenso erwünscht sein, wie die am Schluß gegebene Übersicht über das, was Agricola selbst geschrieben hat, sowie die Zusammenstellung der wichtigsten Literatur über ihn und seine Arbeit.
Für die Wirkung des Buches mußte eine dem Original ebenbürtige drucktechnische Wiedergabe von großem Wert sein. Mit besonderer Genugtuung hat deshalb die Agricola-Gesellschaft es begrüßt, daß die durch ihre hervorragende Leistung weit über Deutschlands Grenzen bekannte Reichsdruckerei die Herstellung übernommen hat. Mit welch technischer Sorgfalt und künstlerischer Hingabe die Reichsdruckerei diese Aufgabe durchgeführt hat, dafür zeugt das Buch, wie es nunmehr der Öffentlichkeit übergeben werden kann.
Den Dank an die Mitglieder der Agricola-Gesellschaft, die Schriftleitung und ihre Mitarbeiter, an die Reichsdruckerei und den Verlag des Vereines deutscher Ingenieure namens des Vorstandes des Deutschen Museums abzustatten, heißt, einer besonders angenehmen Pflicht entsprechen.
Agricola hat es als den Zweck seiner Schriften hingestellt, die Jugend zur Erforschung der Natur anzuspornen. Leidenschaftlich und mit ganzer Seele habe er sich dem Studium der Natur gewidmet, und die Wissenschaft habe er höhergestellt als Reichtum, Glücksgüter und Ehrenstellen. Diesen Geist leidenschaftlicher Hingabe an die Wissenschaft brauchen wir für die Fortentwickelung der Menschheit nötiger als je.
Unverändert wird dieser Geist des alten Agricola auch in seinem neuen Gewande fortwirken. Dies Buch hat mehr als viele andere seit Jahrhunderten im Sinne der die Völker verbindenden Gemeinschaftsarbeit gewirkt. Es wird zu alten Freunden viele neue dem großen Gelehrten Agricola gewinnen.
Alle diese Freunde der Wissenschaft und Technik grüße dieses Buch mit dem alten deutschen Bergmannsgruß: Glückauf!
Berlin, 25. März 1928
CONRAD MATSCHOSS
Direktor des Vereines deutscher Ingenieure
Verfaßt von Ernst Darmstaedter, München.
... so wollen wir unseres Landsmannes Georg Agrico gedenken, der schon in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, in Absicht auf das Bergwesen,
dasjenige geleistet, was wir für unser Fach hätten wünschen mögen. Er hatte freylich das Glück, in ein abgeschlossenes, schon seit geraumer Zeit behandeltes, in sich höchst mannigfaltiges und
doch immer auf einen Zweck hingeleitetes Natur- und Kunstwesen einzutreten. Gebirge aufgeschlossen durch Bergbau, bedeutende Naturprodukte roh aufgesucht, gewältigt, behandelt, bearbeitet,
gesondert, gereinigt und menschlichen Zwecken unterworfen: dieses war es, was ihn als einen Dritten, denn er lebte im Gebirge als Bergarzt, höchlich interessierte, indem er selbst eine
tüchtige und wohl um sich herschauende Natur war, dabey Kenner des Alterthums, gebildet durch die alten Sprachen, sich bequem und anmuthig darin ausdrückend. So bewundern wir ihn noch jetzt
in seinen Werken, welche den ganzen Kreis des alten und neuen Bergbaus, alter und neuer Erz- und Steinkunde umfassen und uns als ein köstliches Geschenk vorliegen. Er war 1494 geboren und
starb 1555, lebte also in der höchsten und schönsten Zeit der neu hervorbrechenden, aber auch sogleich ihren höchsten Gipfel erreichenden Kunst und Literatur.
Goethe, Zur Farbenlehre. Tübingen, Cotta, 1810. II. Band S. 236/37.
Das bedeutende Werk eines tüchtigen Mannes ersteht hier zu neuem Leben durch Übertragung in die deutsche Sprache unserer Zeit. Und mehr als das: Dieses Werk - das Bergwerksbuch des Georg Agricola - wird jetzt erst dem deutschen Volke wahrhaft zugänglich gemacht; ans Licht gezogen von den Bücherbrettern der Bibliotheken, befreit in jedem Sinne von dem Staube der Jahrhunderte. Vierhundert Jahre nach der Lebens- und Schaffenszeit dieses Deutschen, von dem sein Zeitgenosse Philipp Melanchthon schrieb: "Danken müssen wir dem gelehrten Georg Agricola, der hervorragende Bücher über Mineralien und Bergbau geschrieben hat, mit denen er das Vaterland ehrt und der ganzen Nachwelt die wunderbaren Werke der Natur zeigt. So bedeutende, klare Schriften hat es bisher - glaube ich - auf diesem Gebiet noch nicht gegeben." (Oratio de Mysnia.)
Und ein anderer Gelehrter jener Zeit, der kursächsische Historiograph Petrus Albinus, brachte in feiner Meißnischen Landchronica, Dresden 1589, und in der Bergchronica, Dresden, 1590, dreieinhalb Jahrzehnte nach Agricolas Tod, Lebensbeschreibungen dieses Mannes, auf die nicht unbeträchtliche spätere Angaben zurückgehen.
Georg Agricola wurde am 24. März 1494 - nach Albinus des Morgens zwischen 4 und 5 Uhr - zu Glauchau in Sachsen geboren. Seinen eigentlichen Familiennamen Bauer ersetzte er, der Sitte der Zeit entsprechend, als Gelehrter durch die latinisierte Form Agricola, wie er sich auch in seinen Büchern der lateinischen Sprache bediente. So konnte der eigentümliche Fall eintreten, daß er in Urkunden von einem Bruder, der als Franz Bauer erscheint, Georgius Agricola genannt wird. Auch in einem Dokument, das in der Zwickauer Ratsschulbibliothek aufbewahrt wird, ist von Dr. Georgius Agricola, sonst Pauer genannt, die Rede.
Über Agricolas Familie und frühe Jugend ist wenig bekannt und es ist recht zweifelhaft, ob viel Neues darüber noch gefunden werden kann, da die meisten Urkunden, die hier infrage kämen, im 16. und 17. Jahrhundert in Glauchau durch Feuer vernichtet wurden.
Agricola besuchte wohl die Schule seiner Vaterstadt und dann die Universität Leipzig, wo er Theologie, Philosophie und Philologie studierte. Die Einrichtungen und Sitten der damaligen Universitäten brachten es mit sich, daß die Studenten - mehr Schüler in unserem Sinne - in engerem Zusammenschlusse mit den Professoren in Universitätshäusern, den Bursen, wohnten und lebten, und es war daher von besonderem Wert für Agricola, daß ein bedeutender Mann wie Petrus Mosellanus - eigentlich Schade, von Bruttig an der Mosel - zu seinen Lehrern gehörte. Mosellanus war einer der führenden Männer des Humanismus und war mit Luther, Erasmus von Rotterdam, Reuchlin und Hutten bekannt und befreundet.
Nach dreieinhalb Jahren übernahm der junge Baccalaureus artium eine Lehrtätigkeit an der Stadtschule in Zwickau, die einen hohen Rang hatte und durch die Pflege der griechischen Sprache, deren gründliche Kenntnis damals noch eine Seltenheit war, eine ganz besondere Stellung in Deutschland einnahm. Wenn Agricola nicht nur junge Schüler unterrichtete, sondern auch, wie in alten Aufzeichnungen berichtet wird, Doctoribus, Priestern und Magistern die griechische Sprache lehrte, so muß er schon damals, mit kaum 24 Jahren, ganz bedeutende Kenntnisse gehabt haben, die für seine spätere Tätigkeit von großer Wichtigkeit waren. Damals veröffentlichte er auch seine erste Schrift: "Agricolae Glaucii - d. h. von Glauchau - Libellusde prima ac simplici institutione grammatica", eine kleine lateinische Grammatik, die 1520 bei Lotter in Leipzig erschien.
In diese Stadt kehrte er auch nochmals zurück, als Schüler und befreundeter Helfer des Mosellanus. Aber jetzt erweiterte er den Kreis seiner Studien und befaßte sich auch mit anderen Wissensgebieten und nicht zuletzt wohl mit der Medizin. So vorbereitet ging Agricola im Jahre 1524, nach dem Tode des Mosellanus, nach Italien, um dort Sprachen, Philosophie, Medizin und Naturwissenschaften weiter zu studieren. Nach seiner eigenen Angabe im zwölften Buche seines großen Werkes "De Re Metallica" brachte er zwei Jahre in Venedig zu, wo er im Hause der Druckerfamilie Manutius als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, besonders bei der großen, im Jahre 1525 erschienenen Galen-Ausgabe.
Vgl. dazu E. Wenkebach, John Clement, ein englischer Humanist und Arzt des 16. Jahrhunderts. Studien und Geschichten der Medizin, Heft 14, Leipzig
1925.
Der berühmte Gründer des Hauses, Aldus Manutius, war schon 1515 gestorben, und sein Schwiegervater, Andrea Torresani aus Asola, und dessen Söhne, Francesco und Federigo, führten sein großes Werk weiter.
Wenn Agricola, wie berichtet wird, außerdem auch die Universitäten Bologna und Padua besucht hat, so müßte er länger als zwei Jahre in Italien gelebt haben; und da er 1526 wieder in Deutschland war, so wird er wohl schon 1523 oder zu Beginn des Jahres 1524 nach Italien gegangen sein.
Wie dem auch sei, dieser Aufenthalt war für Agricola von größter Bedeutung und brachte ihm Erweiterung seines Gesichtskreises, Berührung und Freundschaft mit bedeutenden Menschen, Vervollkommnung seiner Sprachkenntnisse und Erwerbung des Doktorgrades. Hatte ihm schon seine seltene Beherrschung der alten Sprachen die Tätigkeit im Hause Manutius-Asulanus verschafft, so mußte ihm jetzt dazugewonnenes Können und Wissen gewichtige Anregung zu neuem Schaffen bringen und ungeahnte Möglichkeiten und Förderungen bei kommenden Arbeiten.
Erfüllt von Gedanken des Humanismus und gründlichen Kenntnissen, beglückt von Eindrücken eines mehrjährigen, besonders begünstigten Aufenthaltes in dem von den Strömungen der Renaissance bewegten Italien, kam der junge Gelehrte in die Heimat zurück und ließ sich 1527 als Stadtarzt in Joachimsthal nieder. - Welch großer Gegensatz! Von Venedig, aus schönster wissenschaftlicher Arbeit und einem Kreis angeregter und anregender Freunde, in grundverschiedene Verhältnisse einer jungen nordischen Bergstadt. Wir kennen nicht das Fühlen des heimwärts ziehenden Agricola und wissen nicht, ob er mit Albrecht Dürer dachte: "Wie wird mich nach der Sonnen frieren"; wahrscheinlich aber nahm ihn neues Schaffen bald ganz in Anspruch.
An verschiedenen Stellen seiner Schriften, so in der Einleitung zum "Bermannus", beschreibt Agricola, wie er zum Entschlusse kam, sich in Joachimsthal als Arzt niederzulassen. Am Ende des 15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts waren im Erzgebirge mehrere Bergwerksorte entstanden, die sich in großartiger Weise entwickelten. Die reichen Metallvorkommen hatten eine Menge Menschen angezogen, die ihr Glück machen wollten, und es bestanden in gewissem Sinne ähnliche Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert bei den Goldfunden in Amerika.
In dem jungen, erst elf Jahre vorher gegründeten, aber sehr lebhaften Joachimsthal fand Agricola die erwartete Tätigkeit. Hier konnte er seinen ärztlichen Beruf mit seiner Vorliebe für Mineralogie und Bergbau verbinden und immer mehr in diese neue Welt eindringen. Neue Freunde halfen ihm dabei, vor allen der Hüttenschreiber Lorenz Bermann, ein gründlicher Kenner der Mineralien, der Erze und des Bergbaues, dessen Name in Agricolas Werk "Bermannus, sive de re mecallica" für alle Zeiten fortlebt.
Ob Agricola auch eine - vielleicht ehrenamtliche - Tätigkeit im Bergwerksbetrieb ausgeübt hat, etwa als "Geschworener", als Berater des Bergmeisters, ist ungewiß; aber das ist sicher, daß er in enge Berührung mit dem ganzen Bergwerkswesen und den Bergleuten kam und dadurch die Kenntnisse und Erfahrungen gewinnen konnte, die er in seinen Büchern niedergelegt hat. Die erwähnte Schrift "Bermannus" ist hier entstanden und 1530 bei Froben in Basel erschienen.
Vorübergehend beschäftigte sich Agricola auch mit ganz anderen, politischen Gebieten. Eine Schrift "Oration, von Kriegsrüstung und Heerzuge widder den Türcken", die 1531 in Joachimsthal erschien, und später auch in anderen Ausgaben, war das Ergebnis.
Nach 1530 scheint Agricola sein Amt als Stadtarzt in Joachimsthal aufgegeben zu haben und dann auch seinen Wohnsitz in dieser Stadt. Drei Jahre später etwa wurde er Physikus in Chemnitz, wo er bis zu seinem Ende lebte, als Arzt und Naturforscher, mit besonderer Neigung und Vorliebe für die Welt der Mineralien und des Bergbaues, unermüdlich tätig und in lebhaftem wissenschaftlichem Verkehr und Briefwechsel mit anderen, auch ausländischen Bergleuten, Mineralogen und anderen Gelehrten. Von allen Seiten wurden ihm auch Mineralien geschickt, selbst aus Asien und Afrika, wie er selbst in der Widmung seiner Schrift "De natura fossilium" an den Kurfürsten Moritz von Sachsen erzählt. Seine weiteren Schriften: De mensuris et ponderibus, De ortu et causis subterraneorum, De natura eorum quae effluunt ex terra, De veteribus et novis metallis, De animantibus subterraneis und De peste, wollen wir hier nur kurz erwähnen.
Auch in praktischen Dingen des Lebens war der vielseitige Mann erfahren und tüchtig und konnte daher mehrmals als Bürgermeister die Verwaltung der Stadt Chemnitz leiten und auch diplomatische Aufträge ausführen, mit denen ihn Herzog Moritz von Sachsen betraute.
Aber bei allen diesen Ämtern und Arbeiten wird doch sein tiefstes Denken und Wollen seiner eigentlichen Tätigkeit, seinen Forschungen über Mineralogie, Geologie, Bergbau und Hüttenwesen gegolten haben und vor allem seinem Bestreben, das Erforschte, Gesehene und praktisch Erlebte für die Mit- und Nachwelt in seinen Büchern niederzulegen, wie es vor ihm in manchen Stücken schon Vanoccio Biringuccio getan hatte, auf dessen Pirotechnia (Venedig 1540) Agricola nicht selten zurückgreift.
Der Bergbau und seine Hilfswissenschaften war bis dahin, besonders in Deutschland, Sache der reinen Erfahrung, von den Vorfahren den Nachkommen gewiesen, vielleicht durch manche Aufzeichnungen und Vorschriften unterstützt und seit Beginn des 16. Jahrhunderts durch kleine, unscheinbare und einfache gedruckte Berg- und Probierbüchlein, wie das Bergbüchlein des Freiberger Stadtphysikus Rülein von Kalbe. Georg Agricola hat das alles - Theorie und Praxis - für lange Zeiträume zusammengefaßt und niedergelegt: Vor allem in seinem großen Werk "De Re Metallica", das in dieser neuen Gestalt vom deutschen Volke, dem es angehört, in dauernden Besitz genommen werden möge.
Agricolas Werk "De Re Metallica" war 1550 vollendet, erschien aber erst vier Monate nach Agricolas Tod, 1556 bei Froben in Basel. Die deutsche Ausgabe von Bechius ebendort 1557.
Es ist entstanden und zu verstehen aus den Gedanken des Humanismus und der Renaissance, aus der Kenntnis und Pflege der Antike, in glücklicher Vereinigung mit eigenen Beobachtungen und Verständnis für technische Dinge. Aus einer Vereinigung, die unserer Zeit in mehr als einer Hinsicht wichtig ist.
Die Gedanken und Geschehnisse der Reformation ließen Agricola gewiß nicht unbewegt. Aber er blieb der katholischen Kirche treu.
Am 21. November 1555 ist Georg Agricola in Chemnitz gestorben - wie Georg Fabricius in einem Briefe an Melanchthon schrieb - an einem "vier Tage andauernden Fieber", ohne daß er vorher krank gewesen sei. Er ruht in der Schloßkircbe in Zeitz.
Übersetzt aus dem Mittelfranzösischen von Paul Knauth, Freiberg in Sachsen.
Heinrich von Gottes Gnaden König von Frankreich
Den Obergerichtsverwaltern von Paris, dem Amtmann von Rouen, den Seneschallen von Lyon, Toulouse und Poitou und allen unseren anderen Gerichtsherren und Beamten oder ihren Stellvertretern unseren
Gruß! Wir haben die untertänige Eingabe unserer Freunde und Getreuen Hieronymus Froben und Nikolaus Bischof, Kaufleuten, Buchhändlern und Bürgern der Stadt Basel, eines der Kantone unserer
verbündeten Eidgenossen und lieben Gevattern, der Schweizer, empfangen, des Inhalts, daß sie mehrere noch nicht veröffentlichte Bücher auflegen, u.a. eines, betitelt GEORG AGRICOLAS sämtliche
Werke. Um dieses Buch aufzulegen und zu drucken, haben sie sich bereitgefunden, große Kosten und Ausgaben auf sich zu nehmen; und sie fürchten nun, daß Buchhändler und Drucker, sobald die
genannten Bittsteller besagtes Buch veröffentlicht haben werden, es nachdrucken zu lassen; das bedeutete aber, ihnen, jede Möglichkeit nehmen, wieder auf ihre Kosten und Auslagen kommen zu können
und den Lohn zu empfangen, den sie von ihrer Arbeit erhoffen. Aus diesem Grunde haben sie uns untertänig ersucht, ihnen unsere angemessene Hilfe zusichern zu wollen. Deshalb und in Anbetracht
dessen, daß wir den besagten Bittstellern in dieser Hinsicht unsere Gunst erweisen wollen, haben wir ihnen erlaubt und bewilligt und erlauben und bewilligen es noch durch dieses Gegenwärtige: Wir
wollen und es gefallt uns kraft unserer besonderen Gnade, Macht und königlichen Autorität, daß sie die Möglichkeit und Erlaubnis haben, das Buch des genannten Autors zu drucken oder drucken zu
lassen und zum Verkauf zu bringen, ohne daß während und innerhalb der Zeit und Frist von sechs folgenden Jahren, zu rechnen vom Tage und Datum, wo besagtes Buch fertiggedruckt sein wird,
irgendein anderer Buchhändler und Drucker unseres besagten Königreiches, unserer Länder, Landschaften, Gebiete, Lehnherrlichkeiten unter unserer Botmäßigkeit, es drucken oder drucken lassen kann,
weder teilweise noch ganz, sowie zum Verkauf bringen und auslegen ohne die Erlaubnis und Genehmigung der besagten Bittsteller; und dies bei Strafe der Konfiskation des genannten Buches und bei
einer dem freien Ermessen überlassenen Geldstrafe, die uns aufzuerlegen zukommt. So tun wir Euch und jedem von Euch, so wie es ihn zukommen wird, kund, daß von unserer gegenwärtigen Erlaubnis,
Konzession und verliehenem Rechte und von der Wirkung und allem darin Enthaltenen Ihr den besagten Bittstellern gewährt, erlaubt und gestattet, voll und ungestört Genuß zu haben und Gebrauch zu
machen, ohne deswegen Einspruch einzulegen oder zu erheben bzw. zuzulassen, daß irgendein Einspruch dagegen getan, eingelegt oder erhoben werde; sollte dieser aber getan, eingelegt oder erhoben
werden, [so würde ihnen gestattet werden, es] sofort zu voller und gänzlicher Übertragung in den ersten und angemessenen Zustand zu bringen. Denn so ist unser Wille, ungeachtet irgendwelcher
Erlasse, die diesem entgegen sind. Gegeben zu Paris am 18. Februar 1553 im 7. Jahre unserer Regierung.
Durch den König in seinem Rate
Robillart
Übertragen aus dem Frühneuhochdeutschen von Paul Knauth, Freiberg in Sachsen.
Dem edlen und ehrenfesten Herrn Christoph WEITMOSER zu WINKEL, Römischer Königlicher Majestät Rat, Gewerken in der Gastein und Rauris usw., seinem großgünstigen und gebietenden Herrn, wünscht Philipp BECH durch Christum viel Glück und Heil.
Edler und fester Herr!
Es haben vor alten Zeiten und noch heute viele Leute gewagt, die herrliche und bedeutende Beschäftigung mit dem Bergbau mit ungerechtem Tadel zu verkleinern und für unwichtig zu erklären. Damit haben sie aber, weil sie keinen stichhaltigen Grund dazu gehabt haben, wenig ausgerichtet. Manche von ihnen, böse Sophisten, haben wegen des Mißbrauchs gleich das Wesentliche und Hauptsächliche beim Bergwerke aus dem menschlichen Leben ausschließen und wegnehmen wollen; eine Ansicht, die unglaublich ungereimt und närrisch ist. Denn wenn es zugelassen würde, gute und nützliche Dinge, bloß weil sie auch gemißbraucht werden, zu beseitigen, so müßte fürwahr auch die heilige und göttliche Schrift, das geistliche und weltliche Recht, die edle und nützliche Kunst des Arztes samt der ganzen Philosophie und allen andern freien Künsten, auch das löbliche Handwerk und das ehrliche Gewerbe nach solcher Leute Meinung als nichtsnutzige und verderbliche Dinge verboten und abgeschafft werden. Außerdem hat es auch etliche unverständige Leute gegeben, welche die ganze Beschäftigung mit dem Bergbau für eine geringe und unscheinbare, ja nichtsnutzige und verderbliche Sache gehalten haben; eine Geringschätzung und Verkleinerung, die aus keiner andern Ursache entstanden ist, als aus dem großen Unverstand und der blinden Unwissenheit jener Leute; wie der Dichter sagt: "Ignoti nulla cupido" d.i. "Nicht Luft noch Liebe einer hat zum Handel, den er nicht verstät."
Denn wenn man das gesamte Berg- und Hüttenwesen genau und gründlich betrachtet und jeden seiner Teile für sich nimmt, so erkennt man, daß Bergbau sehr vonnöten ist und wohl ebenso nötig wie der Ackerbau, ohne den das menschliche Leben nicht erhalten werden kann, und daß zu ihm ein besonders großer Verstand und weit mehr Kunst als Arbeit gehört. Denn es muß ohne Zweifel ein rechter verständiger Bergmann (wie dies auch Agricola in seinem ersten Buche ausführlich darlegt) Kenntnis und Verständnis haben in allen bergbaulichen Dingen, unterrichtet sein, sie auf allerlei Bergart zu probieren, und verstehen, mit Nutz und Frommen zu schmelzen. Er muß auch eine gründliche Erfahrung haben mit den Gängen, Klüften, Schichten und den Absetzungen des Gesteins. Er muß viele und mancherlei Erdarten, Lösungen, Edelgesteine, Steine, Marmelsteine, Felsen, auch allerlei Erze und vermischte Dinge kennen. Dazu muß er für alle Künste, Gezeuge, Gebäude und Werke, wie diese nicht nur über, sondern auch unter der Erde errichtet und angebracht werden, völliges Verständnis haben; und, was noch viel größer und herrlicher, löblicher und wunderbarer ist, auch in der Philosophie, die eine Mutter aller Künste ist, ebenso in der Medizin, der Astronomie, der Geometrie und Arithmetik, im Zeichnen und Malen, im Kaiserlichen Recht, besonders im Bergrecht, und in allem, was sonst zur Bergwissenschaft gehört, Übung und Erfahrung haben, wofern er anders als bergverständiger und rechter Aufseher und Vorgesetzter anderer Bergleute und Knappen angesehen und von ihnen gelobt und gepriesen sein will.
Leider aber findet man in unserer Zeit wenige, die sich mit Ernst auf den Bergbau legen und alle seine Teile, soviel es immer möglich ist, zum Nutzen richtig und fleißig ergründen und kennen lernen. Daher schlägt es denn auch in der Regel nicht zu Glück und Heil aus, wenn man mit ungewaschenen Händen sich an den Bergbau macht und nicht zuvor die Gänge bei jeder Gelegenheit richtig erkundet, auch von Bergverständigen nicht genug unterrichtet wird, wie man die Gänge aussuchen und behandeln soll. Denn wie allen Landleuten (von andern Berufen will ich absehen) Erfahrung und Fleiß nötig ist, um das Feld richtig und ordentlich zu bauen, ebenso nötig ist es allen denen, die mit dem Bergbau umgehen wollen, daß sie vorher davon genaue Kenntnis und gründliches Verständnis von wohlerfahrenen Bergleuten erhalten, ehe sie sich an den Bergbau machen, und sich nicht vorschnell und unbedacht auf alle unfündigen Massen und Zechen legen und einem jeden Guggis-Krentzler
Im Wörterverzeichnis ist Krentzler erklärt als juratuspartium venditor, d.i. vereidigter Händler mit Anteilen. Kuxkränzler waren reisende Bergleute, die fremde Geldleute zum Kauf von Kuxen zu bewegen suchten.
glauben und von ihnen viele und mancherlei Anteile ohne alle Unterscheidung kaufen. Sie sind der Meinung und Zuversicht, dadurch in kurzer Zeit große Ausbeute zu bekommen und viele Schätze zu erlangen. Leider aber bekommt man gewöhnlich, wenn man den herrlichen und nützlichen Bergbau so närrisch und unbesonnen anfaßt, anstatt Gold und Silber als Ausbeute nichts denn lauter Kobalt, Wismut, Glanz, Kies, Wolfram, Schörl,
Schwarzer Turmalin
Glimmer und Katzensilber, und statt großer Schätze, die sich einer eingebildet hat, werden ihm hinterdrein nichts als eitel Kohlen zuteil. Auch von mir muß ich leider dies sagen: wenn ich nicht
überall dort, wo ich viele Jahre lang mit großen Kosten mitgebaut habe: zu Freiberg in Meißen, ebenso auf Sankt Annaberg, Schneeberg, Marienberg, Scharfenberg in Meißen, auch in Joachimsthal und
an andern Orten und in manche Grube unter großer eigener Gefahr eingefahren hin, einem jeden hergelaufenen Windhund so leicht Glauben geschenkt und infolgedessen soviel unfündige Massen mitgehaut
hätte, dann hätte mir meine Arbeit wohl sehr viel nützen und helfen können; aber ich habe wenigstens gelernt, daß man durch Schaden klug wird. Ich will deshalb jeden, der Bergbau anfangen will,
aber darin noch unerfahren ist und vermeint, alles was glänzt, sei Gold, treu und ernstlich gewarnt haben, daß er sich vor solchen Guggis-Krentzlern wohl hüte und nicht so leicht einem jeden, der
hergelaufen ist, Glauben schenke, sich auch nicht auf unfündige Massen lege und ohne zu unterscheiden Teile ankaufe und einmal wie der närrische Midas reich zu werden gedenke, sondern vielmehr,
wie schon gesagt, vorher tüchtige, glaubwürdige und verständige Bergleute um Rat frage, ihnen allein folge, damit alles gut und glücklich ausschlage und nicht nachher die Reue folge, wenn die
Schafe aus dem Stall gekommen sind.
Ich sollte jetzt die Gegenreden aller Widersacher, die je wider den Bergbau geredet und geschrieben haben, widerlegen, allein von Agricola selbst sind sie im ersten Buche genügend umgestoßen worden. Darum ist es nicht von Nöten, solches in dieser Vorrede zu wiederholen. Doch gleich wohl muß ich neben jenen allen auch denen noch antworten, die ohne Grund und Wahrheit sagen dürfen, daß der Bergbau eine ungöttliche Arbeit, ja auch ein unheiliger Nahrungszweig sei. Ich habe das oft zu meiner großen Betrübnis von vielen gehört. Und doch ist ganz anders zu urteilen, als solche Leute in ihrem verkehrten Sinn und dummen Verstand es auffassen und dafürhalten. Denn der allmächtige Gott und Vater, Schöpfer Himmels und der Erden, hat selber die Berge und Täler, Gehänge und Gesprenge (d.i. alles zu Sprengende), Klüfte und Gänge, Schwefel und Quecksilber geschaffen, woraus täglich Erz und Silber wächst, und auch Moses gedenket im Paradies eines reichen Goldseisens im Flusse Ganges und rühmt den Thubal
Ein Volksstamm. Zu Obigem vgL. 1 Mosis, 2, 11, 12 und Hesekiel 27, 13.
Cain als den ältesten Bergmann, der aus Seifen, Geschieben, Witterung und Sicherung, gegabelten Bäumen und mit Ruten die Gänge zuerst zustande gebracht und bloßgelegt hat. Es verheißt auch Gott durch Moses unter andern leiblichen Dingen und guten Gaben Erz und Metall, Gold und Silber für das Bedürfnis und als Arzenei der Menschen. Und der weise und gerechte König Salomo, auch der gottesfürchtige König Josaphat haben beide im Flusse Ganges in Indien das beste Ophirsche Gold waschen lassen und in drei Jahren bis gegen 66 Tonnen Goldes
Unter einer Tonne Goldes verstand man im Mittelalter eine Summe von 100000 Talern.
Überschuß und Ausbeute bekommen. Moses hatte sie an die Stelle gewiesen. So sind die Bürger von Philippi in Mazedonien, an die St. Paulus schreibt, auch sehr bergverständige Leute gewesen und
dazu reich und mächtig durch den Bergbau. Denn wie Diodor von Sizilien schreibt, hat König Philipp, Alexanders des Großen Vater, wöchentlich bis 12000 Kronen von diesem Ort Einkommen gehabt.
Darum hat er diese Bergstadt mit großen Freiheiten und Privilegien begabt und dort eine Münze eingerichtet und die alten Philippergulden geschlagen, deren einer eine Doppelkrone galt.
Es haben große Herren und gute Hausväter, wie wir das aus der Geschichte wissen, sich jederzeit des Bergbaues beflissen und Bergbauorten stets besonderen Schutz und besondere Freiheiten gewährt. Bringen doch solche Orte, wenn Bergbau vorhanden ist, jährlich große Nutznießung und Überschuß ohne Verluste und Kosten für den Grundherrn. So sehen wir, daß darum auch Joachimsthal, Freiberg in Meißen, Annaberg, Marienberg, Schneeberg und andere Bergstädte und -flecken, die in Meißen, Sachsen, Kärnten, Ungarn, Böhmen und anderswo gelegen sind, von Kaisern und Königen, Fürsten und Herren mit viel großen Freiheiten und Privilegien vor andern Städten und Flecken begnadet und begabt sind. Es ist auch David ohne allen Zweifel ein guter Bergmann gewesen, weil er in seinen Psalmen an mancher Stelle so viele schöne Gleichnisse vom Bergbau hergenommen hat. So war er auch sehr reich an Gold und Silber. Das ist unter anderm auch daraus zu entnehmen, daß bei seinem Grabe lange Zeit ein großer Schatz in geheimen Säckchen verborgen gelegen hat. Aus diesen sind, wie Josephus schreibt, 3000 Talente Goldes
Ein griechisches (attisches) Talent = 6000 Drachmen entsprach einem Gewicht von 26,20 kg (an Geldwert gegen 5000 Mark). Der Periode des gemünzten Geldes ging die des gewogenen voraus.
herausgenommen worden, mit deren Hilfe Jerusalem von der Belagerung des Antiochus errettet worden ist. Auch Abraham war sehr reich an Gold und Silber, ebenso Lot, Laban, Joachim, der Ehemann Susannens, und andere, die alle um ihres Reichtums willen gepriesen werden. Außerdem war gewiß Zarpath, wo Elias, der teure Prophet, Herberge bei der armen Witwe und Schmelzerin gehabt hat, ein Bergort; denn der hebräische Name ergibt, daß Zarpath eine Schmelz- oder Glashütte gewesen ist, wo man geschmelzt und gesaigert oder schöne gläserne Gefäße und Gerätschaften gemacht hat. Denn am Meer bei Sidon, im Wasser Belo, soll besonders kostbarer Sand gewesen sein, aus dem man schöne Gläser oder Kristall geschmolzen hat, wie noch heute in Murano bei Venedig. Von demselben Stamm soll, wie Epiphanius schreibt, auch das Cananäische Weib geboren sein. Ferner gedenken auch Job (Hiob) und Eliphas als Bergleute im Arabischen Gebirge der Gänge und Saifen, und wenn man es glauben will, soll auch das Erz seinen Namen aus dem Hebräischen haben. Denn dieses nennt die Erde Erz, wie es das Grab, in welchem die Gestorbenen der Auferstehung warten, Schacht nennt. Denn der Sohn Gottes ist die rechte Fahrt,
"Fahrt" ist der bergmännische Ausdruck für "Leiter"
welche Gott vom Himmel herab in diesen Schacht hängen läßt, damit alle, die diese himmlische Fahrt mit gläubigen Herzen ergreifen, aus dem Tode errettet und durch des Menschen Sohn Auf- und
Abfahren ewig selig werden.
Aus alledem folgt, daß der Bergbau ein göttlicher und seliger Nahrungszweig sein muß, und daß ein Bergmann sich dem Bergbau mit gutem Gewissen widmen kann und daneben Gott dem Allmächtigen dienen und mit andern frommen Christen zur Seligkeit kommen kann. Es offenbart sich ja Gott neben seinem heiligen Wort auch am Himmel, an der Erde und an allen Elementen und Kreaturen und stellt diese uns vor als Zeugen, die uns sein unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und Gottheit ins Gedächtnis rufen und beweisen sollen. Wie darum einer Gottes Güte und Reichtum an einer Lilie auf dem Felde erkennt, so sieht auch ein frommer und fleißiger Bergmann, der in Gängen und Klüften sich mit der Rute betätigt, nach Witterung, Geschieben, Gefällen, Geschicken
Geschicke: Erzarten; "schicken" im Sinne von bescheren, beschenken.
und gegabelten Bäumen sich richtet, oft sichert und probiert, schürft und teuft usw., mit Freude, Lust und Wohlgefallen an einer schönen erzreichen Stufe Gottes Macht und Wunderwerk. Denn darum sind uns, wie der berühmte Philosoph Plato schreibt, vom Schöpfer und Erhalter aller Dinge die Augen gegeben, wie die Ohren um der Musika willen.
Weil nun nach dem Gesagten sowohl die Vortrefflichkeit wie die Notwendigkeit des Bergbaues genügend bekräftigt ist und unser Deutschland vor anderen Ländern durch Gottes Gnade mit vielen und reichen Metallen begabt ist, habe ich zur Förderung eines so trefflichen Werkes dieses Buch des Agricola, das unlängst der ganzen Welt lateinisch vorgelegt worden ist, jetzt auch den Deutschen, deren Sprache es noch nicht kannte, zugänglich machen wollen. Es können dann alle Leser und besonders die, welche im Berg- und Hüttenwesen beschäftigt sind, wie Bergmeister, Bergrichter, Einfahrer, Schachter,
Wohl Schachtbauer.
Scheider, Schmelzer, Silberbrenner, Probierer, Berggeschworene und andere daraus entnehmen, welchen Nutzen sie davon haben, wenn sie diese herrlichen und trefflichen Bücher, in welchen das ganze Berg- und Hüttenwesen klar beschrieben und mit vielen hübschen und künstlichen Figuren illustriert ist, mit Fleiß und Ernst lesen werden. Selbst wenn nichts anderes in diesen Büchern gezeigt wäre, als wie man mit Nutzen schmelzen und probieren solle, so wären sie doch außerordentlich treffliche und nützliche Bücher und wohl wert, daß alle, die Bergbau treiben, sie kaufen und zum Gemeingut machen. Wenn aber vielleicht hinsichtlich mancherlei Namen und Wörter, deren sich die einzelne Art des Bergbaues insbesondere bedient, in dieser neuen Verdeutschung nicht jedermann befriedigt wird und in dieser Beziehung nicht genug geschehen sein sollte, so können die Betreffenden ein genügendes Verständnis aller unbekannten Wörter aus den gezeichneten Figuren erlangen. Doch ich hoffe, daß im Bezug hierauf kaum eine Beschwerde erfolgen wird, denn ich bin beflissen gewesen, darin es jedem recht zu machen.
Nachdem ich aber nun dieses Werk mit Hilfe des Allmächtigen so, wie oben erwähnt, ausgeführt und vollendet und zuletzt bedacht habe, unter wessen Namen, Schutz und Schirm dieses Buch am besten im Druck ausgehen möchte, da ist der ehrbare und wohlgelehrte Hermann Pincier Hessus, der getreue Lehrer Eurer lieben Söhne Johannes und Christoph Weitmoser aus Freiburg im Breisgau, zu mir nach Basel in alter Freundschaft gekommen. Ihm habe ich mein Vorhaben entdeckt und habe von ihm erfahren, daß Eure Herrlichkeit neben anderen wertvollen Gaben, mit denen Sie von Gott begabt sind, Verständnis und Erfahrung auch im Bergbau haben, dazu Luft und Liebe, und sich wie gegen jedermann, so besonders gegen Bergleute und solche, die dem Bergstudium anhangen, außerordentlich freundlich und entgegenkommend zeigen. Sollen Sie doch auch, was noch viel rühmlicher ist, die lateinischen Bücher Agricolas samt anderen mit Verstand und Fleiß durchgelesen haben. Darum bin ich auf Hermann Pinciers und anderer Rat bestimmt worden, Eurer Herrlichkeit dieses Buch zuzueignen. Was aber für Fleiß darauf verwendet worden ist, werden E.H. genug spüren, wenn Sie mit dem Latein das Deutsche vergleichen. Allerdings bin ich in manchen Stücken mit meinem Übersetzen nicht zufrieden. Das kommt von der Kürze der Zeit sowie daher, daß ich früher Latein in Deutsch zu übertragen nicht unternommen habe. Gleichwohl hoffe ich und versehe mich gegen E.H. und jeden billigen und verständigen Leser, er werde diese meine große Mühe und Arbeit, die ich mit dem Übersetzen gehabt habe, mit billigem Sinn und Urteil erkennen und aufnehmen.
Weil aber die Arbeiten und Werke derer, die Bergbau treiben, mannigfaltig sind, so habe ich es für gut angesehen, zu leichterer Aufsuchung und Auffindung aller Dinge in Kürze anzuzeigen, was in einem jeden Teile dieses Buches behandelt und gelehrt wird. Darum soll E.H. wissen, daß im ersten Buche alle Argumente und Einwände derjenigen, die gegen den Bergbau je geredet oder geschrieben haben, mit vielen Worten erschöpfend widerlegt und umgestoßen werden. Im zweiten Buche wird gezeigt, wie jeder richtige und verständige Bergmann sein soll und wie die Gänge aufzusuchen sind. Im dritten Buch wird von allerlei Gängen, Klüften und dem Absetzen des Gesteins gesprochen. Das vierte Buch handelt von den Maßen und dem Markscheiden sowie von allen Ämtern der Bergleute. Das fünfte Buch erklärt, wie ein Gang zu hauen sei und wie alle Schächte zu senken und aufzurichten sind, bringt auch die edle Kunst des Markscheidens an den Tag und spricht von den Stollen, Feldorten und Radstuben, Gebäuden usw. Im sechsten wird gehandelt von den Werkzeugen der Häuer, von allerlei Trögen, Wassergefäßen und Gerinnen, von mancherlei seltsamen Gezeugen und Künsten und zuletzt von bösen Wettern und anderen gefährlichen Zufällen, die den Berghäuern widerfahren. Im siebenten Buche wird genau und getreu die treffliche und nützliche Kunst des Probierens mit allen Instrumenten erklärt und was sonst dazu vonnöten ist. Im achten Buche werden alle Arten und Weisen herbeigezogen und erklärt, auf welche das Erz bereitet wird, nämlich ausgelesen ("geklaubt"), gepocht, geröstet, gequetscht und vor allem gemahlen, gerädert, gewaschen, im Röstofen gebrannt usw. Im neunten Buche wird mit größter Sorgfalt die Kunst an den Tag gebracht, allerlei Erz mit Nutzen zu schmelzen. Im zehnten Buche wird gelehrt, wie das Gold vom Silber, das Silber vom Gold, das Kupfer vom Gold und das Blei vom Gold und Silber zu scheiden seien und wie diese zwei kostbaren Metalle mit Nutzen fein gebrannt werden sollen. Im elften Buche wird auch dargelegt, wie das Silber vom Kupfer und vom Eisen zu saigern sei und wie alle Saigerhütten recht gebaut und aufgerichtet werden sollen. Im zwölften und letzten Buche werden alle festgewordenen Lösungen
succi concreti s. 7. Buch Anm. 24 und 12. Buch Anm. 1.
mitgeteilt, die aus Wassern oder aus flüssigen Lösungen oder aus verschiedenen Steinen gemacht werden; auch wird gezeigt, wie das Salz zu sieden und das Glas zu machen sei.
Dies ist zwar der Inhalt des ganzen Buches, mit wenig Worten aufs kürzeste zusammengefaßt. Doch werden auch bisweilen andere Dinge daruntergemischt, was zu lesen nicht nur angenehm und lustig, sondern auch sehr nützlich ist. Darum zweifle ich nicht, es werde dieses herrliche, treffliche und nützliche Werk Agricolas, das viel Zeit, große Kosten, viel Mühe und Arbeit verursacht hat, nicht allein E.H., der es von mir in guter Meinung ist mitgeteilt und gewidmet worden, sondern auch allen andern Bergleuten die Lust und Liebe zum Bergbau erhöhen. Denn aus solchen Büchern, wenn sie sie mit Fleiß durchlesen, können sie zum rechten Verständnis des Bergbaues gelangen, und so wird es dann geschehen, daß sie ihr Geld, ihre Mühe und Arbeit, die sie des Bergbaues halber immer haben müssen, mit größerem Nutzen anlegen und daraus nur treffliche und gute Nahrung erlangen werden. Ich erwarte, daß E.H., wenn Sie durch den Bergbau zu großem und ehrlichem Reichtum gelangen, darum dieses Buch desto lieber und angenehmer sein werde und Sie diese meine Arbeit, die aus guter und wohlmeinender Absicht entstanden, gnädig und günstig annehmen und mich E.H. allzeit lassen in Gnaden befohlen sein, der zu dienen ich zu allen Zeiten ganz willig und geneigt bin. Der allmächtige, ewige Gott, der Berge und Täler, Klüfte und Gänge allen Menschen zum Nutzen erschaffen und mit schönen Bildungen veredelt hat und selber Silber und Erz zur Notdurft der Menschen wachsen läßt, wolle durch seine milde Güte und Barmherzigkeit E.H. Bergwerke in der Gastein und Rauris, in Schlemmingen, Bleiberg bei Villach in Kärnten und anderwärts in Gnaden segnen und Ihnen nach seinem göttlichen Willen täglich viel Erz bescheren und Seinen Geist und Seine Gnade E.H. mit allen Ihrigen und uns reichlich mitteilen, damit E.H. solch herrliche und teure Gottesgaben zu seiner Ehre und zur Erhaltung seiner Kirchen und Schulen, auch zu täglicher Notdurft glücklich gebrauchen und unsern nächsten bedürftigen Menschen christlich und freiwillig damit dienen und immerdar behilflich sein mögen durch Jesus Christus, unsern Herrn und Heiland, Amen.
Übersetzt von Paul Knauth, Freiberg in Sachsen.
DEN DURCHLAUCHTIGEN UND GROSSMÄCHTIGEN
Herzögen von Sachsen, Landgrafen von Thüringen, Markgrafen von Meißen, Pfalzgrafen von Sachsen, Burggrafen von Altenburg und Magdeburg, Grafen von Brehna, Herren des Pleißner Landes: MORITZ, Kaiserlichem Erzmarschall und Kurfürsten, und seinem Bruder AUGUST, entbietet GEORG AGRICOLA seinen Gruß.
So oft ich, durchlauchtige Fürsten, den Umfang des ganzen Bergwesens, wie einst Moderatus Columella den des Landbaues, wie einen gewaltigen Körper betrachtete und auch seine einzelnen Teile wie die Glieder jenes Körpers überschlug und durchging, fürchtete ich mein Leben möchte nicht ausreichen, um das Ganze erfassen zu können, geschweige denn, um es im Schrifttume bleibend festzuhalten. Wird doch jeder aus diesen unseren Büchern erkennen, wie weit verzweigt der Bergbau ist, wie vieler und bedeutender Wissenschaften beträchtliche Kenntnis die Bergleute nötig haben, um ihn zu treiben. So umfangreich aber auch das Bergwesen ist (es ist in keiner Beziehung von den uns erhaltenen griechischen und lateinischen Schriftstellern erschöpfend behandelt worden) und so schwierige Erörterungen es bedingt, so glaubten wir es doch nicht unbeachtet lassen zu dürfen, weil es sehr alt und der Menschheit sehr nötig und nützlich ist. Denn von den Hauptzweigen der Volkswirtschaft scheint zwar keiner älter als der Ackerbau zu sein; dennoch ist aber das Bergwesen tatsächlich älter als dieser oder wenigstens gleich alt, denn kein Mensch hat je ohne Werkzeuge den Acker bebaut. Diese Werkzeuge aber sind, wie auch die der übrigen Handwerke, entweder aus Metallen gefertigt oder sie haben ohne Zuhilfenahme von Metallen nicht gefertigt werden können; darum ist der Bergbau auch höchst notwendig für die Menschen. Denn wenn diese nun einmal derartige Handwerke schwer entbehren können - und deren Zahl ist außerordentlich groß -, so vermag eben keines ohne Werkzeuge zu schaffen. Sodann ist von allem, wodurch großer Reichtum auf gute und ehrliche Weise erworben wird, nichts nützlicher als die Kunst des Bergbaues, denn von gut bestellten Äckern (um anderes wegzulassen) ernten wir zwar sehr reiche Früchte, aber noch reichere doch aus den Bergwerken. Sicherlich gewährt uns oft eine einzige Grube mehr Nutzen als viele Äcker. Darum sehen wir aus der Geschichte fast aller Jahrhunderte, daß ziemlich viele Leute durch die Bergwerke reich geworden sind, und daß diese auch das Vermögen vieler Könige vermehrt haben. Doch darüber will ich jetzt nicht weitersprechen, denn diese Punkte habe ich im ersten Buche teils dieses Werkes, teils des anderen, das den Titel träge: "Von den alten und neuen Bergwerken",
Georgii Agricolae De veteribus et novis metallis libri II. Froben. Basileae MDXLVI.
behandelt und dabei die Einwände widerlegt, die gegen die Bergwerke und gegen die Bergleute selbst erhoben werden.
Obschon aber der Landbau, mit dem ich den Bergbau gern vergleiche, wohl sehr weit ausgedehnt ist, so wird er doch nicht in wesentlich mehr Zweige geteilt als dieser. Und es kann auch von mir nicht so leicht über die Lehren des Bergbaues berichtet werden, wie Columella über die des Landbaues berichtet hat, denn ihm standen ziemlich viele landwirtschaftliche Schrifsteller zu Gebote, an die er anknüpfen konnte: griechische ja mehr als fünfzig, die M. Terentius Varro aufzählt, lateinische mehr als zehn, die Columella selbst erwähnt. Ich habe nur Gaius Plinius Secundus, dem ich folgen könnte; doch dieser behandelt nur sehr wenige Verfahren, Erzgänge auszugraben und Bergwerke anzulegen. Es kann nicht die Rede davon sein, daß der Bergbau in seiner Gesamtheit von irgendeinem antiken Schriftsteller behandelt worden wäre: nicht einmal diejenigen, von denen hie und da der eine über das, der andere über jenes geschrieben hat, haben einen seiner einzelnen Teile erschöpft. Auch ist ihre Zahl sehr gering. Von allen Griechen hat nur Strato aus Lampsacus, Theophrasts Nachfolger, ein Buch über die bergbaulichen Maschinen herausgegeben; es müßte denn sein, daß "der Bergmann" des Dichters Philo einen kleinen Teil der bergmännischen Kunst mit in sich begriffen hat. Auch Pherecrates scheint in einer dem Titel nach ähnlichen Komödie Sklaven, die im Bergbau beschäftigt sind, und solche, die zur Arbeit in den Bergwerken verurteilt wurden, haben auftreten lassen. Von den Römern aber hat, wie schon erwähnt, Plinius nur wenige Zweige der bergmännischen Tätigkeit überliefert. Neben den alten muß man die neuen Schriftsteller aufzählen. Denn niemand wird gerechtem Tadel entgehen, der die um das verdiente Lob bringt, deren Schriften er, so wenige es auch sein mögen, benutzt hat. In unserer Sprache sind zwei Bücher geschrieben worden: das eine über den Nachweis des metallischen Stoffes und der Metalle;
Lat. De experimento materiae metallicae et metallorum
es ist sehr verworren geschrieben; seinen Verfasser kennt man nicht. Das andere handelt über die Erzgänge, von denen auch Pandulfus Anglus lateinisch geschrieben haben soll. Das deutsche Buch aber hat Kalbe von Freiberg verfaßt, ein angesehener Arzt;
Der 1523 in Leipzig gestorbene Arzt, Bürgermeister und Bergbauschriftsteller Ulrich Rülein von Kalbe in Freiberg verfaßte das älteste deutsche Buch über den Bergbau, das "Bergbüchlein". Es soll in erster Ausgabe 1505 in Augsburg erschienen sein und ist später (ohne Namen des Verfassers) wiederholt aufgelegt worden. Näheres bei Darmstaedter, E.: Berg-, Probier- und Kunstbüchlein, München 1926, S. 110, sowie (O.E. Schmidt) in den Mitt. des Landesvereins Sächs. Heimatschutz, Bd. 15 (1926), S. 137.
indes hat keiner von beiden den Gegenstand, den er sich erwählt hat, erschöpfend behandelt. Kürzlich aber hat Vannoccio Biringuccio aus Siena,
Der Titel des hier genannten, von ihm verfaßten Buches lautet: "De la pirotechnia, libri X". Es erschien 1540 in Venedig. Näheres darüber in der deutschen Ausgabe von Dr. Otto Johannsen, Braunschweig 1925.
ein beredter und kenntnisreicher Mann, in italienischer Umgangssprache das Thema behandelt: "Vom Gießen, Scheiden und Löten der Metalle." Die Methode, gewisse Erze auszuschmelzen, hat er kurz berührt, diejenige, gewisse Salze zu bereiten, hat er deutlicher auseinandergesetzt. Als ich letzteres las, habe ich mich an solche Salze erinnert, die ich in Italien bereiten sah. Die übrigen Dinge, über die ich schreibe, hat er entweder nur nebenbei oder gar nicht berührt. Mit diesem Buche hat mir ein venetianischer Patrizier ein Geschenk gemacht, ein kluger und bedeutender Mann, Franciscus Badoarius; er versprach es mir, als er im vorigen Jahre mit König Ferdinand, zu dem er als Gesandter von den Venetianern geschickt war, in Marienberg war. Daß andere Schriftsteller mehr über das Bergwesen geschrieben haben, ist mir nicht bekannt. Deshalb hätte, selbst wenn Stratos Buch vorhanden wäre, von dieser Seite her nicht das halbe Werk der bergmännischen Kunst verfaßt werden können. Je geringer aber die Zahl derjenigen ist, die über den Bergbau geschrieben haben, um so wunderbarer erscheint es mir, daß es so viele Alchimisten gegeben hat, die die Kunst geübt haben, die einen Metalle in andere zu verwandeln. Viele hat der mit Würden und Ehren geschmückte und hochgelehrte Hermolaus Barbarus mit Namen angeführt; ich will noch mehrere nennen, aber nur die hervorragenderen; ich werde eine Auslese vornehmen. So haben alchimistische Schriften verfaßt: Osthanes, Hermes, Chanes, der Alexandriner Zosimus an seine Schwester Theosebia, Olympiodor, auch aus Alexandria, Agathodaemon, Demokrit, aber nicht der Abderit, sondern irgendein anderer, Orus Chrysorichites, Pebichius, Comerius, Joannes, Apuleius, Petasius, Pelagius, Africanus, Theophilus, Synesius, Stephanus an Heracleus Caesar, Heliodor an Theodosius, Geberus, Callides Rachaidibus, Veradianus, Rodianus, Canides, Merlinus, Raimundus Lulius, Arnaldus Villonovanus, Augustinus Pantheus aus Venedig; ferner drei Frauen: Cleopatra, die Jungfrau Taphnutia und die Jüdin Maria. Und zwar haben sich alle diese Alchimisten der Prosa bedient, mit Ausnahme von Joannes Aurelius Augurellus aus Ariminum, der allein in Versen geschrieben hat.
Es gibt noch viele andere Bücher über diesen Gegenstand; doch sind sie unverständlich, denn die betreffenden Schriftsteller nennen die Dinge mit fremden, nicht mit ihren eigentlichen Namen, und die einen brauchen diese, die andern jene Bezeichnungen für dieselben Sachen. Jene Lehrer überliefern ihren Schülern Methoden, mit denen sie wertlose Metalle durch verschiedene Schmelzverfahren vernichten und gewissermaßen auf den Urstoff zurückführen, und auf diese Weise das, was in ihnen selbst als überflüssig vorhanden ist, entfernen, was aber fehlt, hineinführen und daraus Kostbares, d. h. Gold und Silber, machen, was beim Schmelzen in Scherben oder Tiegeln sich nicht verändert. Ob sie dies wirklich tun können oder ob sie es nicht tun können, vermag ich nicht zu entscheiden. Weil nämlich so viele Schriftsteller in allem Ernste uns versichern, sie wären zu ihrem Ziele gelangt, so scheint es zwar, man müsse ihnen Glauben schenken. Aber da, wie wir lesen, noch niemand von dieser Kunst reich geworden ist und wir auch selbst nicht sehen, daß einer reich wird, wo es doch überall in der Welt so viele Alchimisten gegeben hat und noch gibt, die alle ihre ganze Kraft und ihren Fleiß Tag und Nacht aufwenden, um die größten Haufen Goldes und Silbers zu erzeugen, so ist die Sache höchst zweifelhaft. Wenn es indes nur auf einer Versäumnis der Schriftsteller beruhen sollte, daß sie die Namen der Lehrer, die durch jene Kunst viel Geld gewonnen haben, nicht dem Gedächtnis überliefert haben, so ist es andererseits sicher, daß die Schüler deren Vorschriften nicht kennen, oder wenn sie sie kennen, sie nicht beobachten. Denn wenn sie diese erfaßt hätten, so würden sie, die so zahlreich gewesen sind und noch sind, schon lange die Städte mit Gold und Silber erfüllt haben. Ihre Unwahrhaftigkeit offenbaren auch die Bücher, auf die sie die Namen des Plato und des Aristoteles und anderer Philosophen schreiben, damit jene prunkvollen Aufschriften bei einfachen Leuten den Anschein der Gelehrsamkeit erwecken. Es gibt noch eine zweite Gruppe von Alchimisten. Diese ändert nicht die Substanz der wertlosen Metalle, sondern färbt sie mit der Farbe des Goldes oder Silbers und versieht sie mit neuem Aussehen, so daß sie etwas zu sein scheinen, was sie nicht sind. Wenn dieses Aussehen wie ein fremdes Kleid den Metallen wieder entzogen ist, so gewinnen sie ihr eigentliches Aussehen wieder. Diese Alchimisten werden, weil sie betrügen, nicht nur aufs höchste gehaßt, sondern ihr Betrug wird sogar mit dem Tode bestraft. Und einen ebenso schlimmen Betrug begeht eine dritte Gruppe der Alchimisten. Diese Leute werfen nämlich ein wenig Gold oder Silber, das in ein Kohlenstück eingeschlossen ist, in einen Tiegel und geben vor, sie brächten durch Beimischung von solchen Zutaten, die die Kraft besäßen, etwas Neues hervorzuzaubern, entweder Gold aus Auripigment (Arsenikerz) oder Silber aus Zinn oder ähnlichen Metallen zustande. Doch über die alchimistische Kunst, wenn es überhaupt eine Kunst ist, will ich an anderer Stelle mehr sagen.
Jetzt komme ich auf das Bergwesen zurück. Da nun dieses unverkürzt und vollständig noch kein Schriftsteller beschrieben hat und die fremden Völker unsere Sprache nicht verstehen, und wenn sie sie verstünden, sie von unseren oben erwähnten Schriftstellern nur einen kleinen Teil der Kunst lernen könnten, so habe ich diese zwölf Bücher über das Bergwesen geschrieben. Deren erstes enthält das, was gegen die Kunst und gegen Bergwerke und Bergleute von den Gegnern gesagt werden kann; das zweite unterrichtet den Bergmann darüber, wie er sein soll, und geht über zur Erörterung über die Auffindung von Gängen. Das dritte handelt von Gängen und Klüften und von ihren Verwerfungen. Das vierte setzt die Methode des Ausrichtens
Gemeint ist das Bestimmen des Fallens und Streichens der Gänge.
der Gänge auseinander und bespricht auch die Ämter der Bergleute. Das fünfte zeigt das Hauen der Gänge und die Kunst des Markscheidens. Das sechste beschreibt die bergbaulichen Werkzeuge und Maschinen. Das siebente handelt vom Probieren der Erze. Das achte belehrt darüber, wie das Erz gebrannt, zerkleinert, gewaschen und geröstet wird. Das neunte setzt die Art des Schmelzens der Erze auseinander. Das zehnte unterrichtet die Bergbautreibenden darüber, wie Silber vom Golde und Blei von diesem und Silber geschieden wird. Das elfte zeigt die Wege, wie Silber vom Kupfer zu scheiden ist. Das zwölfte gibt Vorschriften, wie Salz, Natron, Alaun, Vitriol, Schwefel, Bergwachs und Glas zu bereiten sind.
Die unternommene Aufgabe aber habe ich, obschon sie so ist, daß ich sie wegen der Menge der Dinge nicht völlig durchführen konnte, wenigstens versucht zu lösen. Und ich habe auf sie viel Mühe und Arbeit verwendet, auch keine Kosten gescheut; denn die Gänge, die Werkzeuge, Gefäße, Gerinne, Maschinen und Öfen habe ich nicht nur beschrieben, sondern habe auch gegen Entlohnung Zeichner gewonnen, um Abbildungen zu schaffen, damit die mit Worten beschriebenen Dinge, die den gegenwärtigen oder zukünftigen Menschen unbekannt sind, ihnen keine Schwierigkeiten für das Verständnis bereiten. Sie pflegen uns nämlich nicht wenige Wörter zu bringen, die die Alten uns ohne Erklärung überliefert haben, weil diese Dinge allen bekannt waren. Doch ich will weglassen, was ich nicht selbst gesehen oder gelesen oder durch glaubwürdige Männer kennen gelernt habe; so ist also alles, was ich nicht gesehen, gelesen oder gehört und dann geprüft habe, auch nicht niedergeschrieben worden; es ist aber als ein und dieselbe Art der Belehrung aufzufassen, ob ich nun vorschreibe, was geschehen soll, oder ob ich erzähle, was zu geschehen pflegt, oder billige, was geschieht. Allein je mehr der Wissenschaft vom Bergbau jede Feinheit der Rede fremd ist, umso weniger fein sind auch diese meine Bücher, wenigstens entbehren die Gegenstände, mit denen es unsere Wissenschaft zu tun hat, bisweilen noch der richtigen Bezeichnungen, teils, weil jene Dinge neu sind, teils, weil, wenn sie alt sind, die Erinnerung an die Namen, mit denen sie einst bezeichnet wurden, verschwunden ist. Deshalb war ich, was verzeihlich erscheint, gezwungen, einige Begriffe mit mehreren zusammengesetzten Wörtern zu bezeichnen, andere wieder mit neuen; zu diesen gehören: der Anschläger, Erzpocher, Saifner und Schmelzer.
Lat. ingestor, discretor, lotor, excoctor.
Einige Dinge habe ich mit alten Wörtern benannt, so den Laufkarrn.
Lat. cisium.
Während aber Nonius Marcellus schreibt, daß dies ein zweirädriges Fahrzeug sei, bezeichne ich mit diesem Worte ein kleines, nur einrädriges Fahrzeug. Wer diese Benennungen nicht billigt, der schlage entweder geeignetere vor oder hole die in der Literatur der Alten gebräuchlichen hervor.
Diese Bücher aber, durchlauchtige Fürsten, erscheinen aus vielen Gründen in Eurem Namen, hauptsächlich jedoch deshalb, weil die Bergwerke für Euch von größtem Nutzen sind. Denn wenn auch Eure Vorfahren aus ansehnlichen und reichen Bergwerksgegenden Einkünfte in Fülle gewonnen haben, insbesondere auch durch Abgaben, welche die Fremden auf den Straßen, die Einheimischen in Gestalt des Zehnten entrichten, so haben sie doch noch viel reichere Einkünfte aus den Bergwerken selbst gehabt. Sind doch durch diese nicht wenige angesehene Städte entstanden. So Freiberg, Annaberg, Marienberg, Geyer, Altenberg, um weitere wegzulassen. Ja, meiner Meinung nach ist jetzt sogar größerer Reichtum in den gebirgigen Gegenden Eurer Länder unter der Erde verborgen, als über der Erde vorhanden und sichtbar ist.
Lebet wohl!
Chemnitz im Hermundurenlande, 1. Dezember 1550.
Über die Bezeichnung vgl. Knauth, P.: Ortsnamenkunde des östlichen Erzgebirges, Freiberg (Sa.) 1927, S. 51. Die Humanisten kannten die Hermunduren als einen auf beiden Seiten der Elbe wohnenden germanischen Volksstamm aus römischen (Velleius Paterculus, Plinius d.Ä., Tacitus) und griechischen (Strabo, Dio Cassius) Schriftstellern und verstanden unter dem Hermundurenlande das Gebiet der Landgrafschaft Thüringen und der Markgrafschaft Meißen.
Georgius Fabricius in Libros
Metallicos Georgii Agricolae philosophi praestantissimi.
AD LECTOREM
Si iuuat ignita cognoscere fronte Chimæram,
Semicanem nympham, semibouemque uirum:
Si centum capitum Titanem, totque ferentem
Sublimem manibus tela cruenta Gygen:
Si iuuat Ætneum penetrare Cyclopis in antrum,
Atque alios, Vates quos peperere, metus:
Nunc placeat mecum doctos euoluere libros,
Ingenium AGRICOLAE quos dedit acre tibi.
Wenn es hilft, die Chimäre [Ungeheuer der griechischen Sage: Löwe, Ziege und Schlange in einem] vor dem Feuer zu erkennen, die Halbhundnymphe [Kynokephale], den Halbstiermann [Minotaurus]: / Wenn ein Titan mit hundert Köpfen und Gyges [sagenumwobener König], der so viele blutige Waffen in seinen Händen trug: / Wenn Äneas dem Zyklopen hilft, die Höhle zu betreten, und andere, vor deren Geburt ich Angst habe: / Lesen Sie nun bitte mit mir die gelehrten Bücher, das Genie des AGRICOLA, das er dir gegeben hat.
Non hic uana tenet suspensam fabula mentem:
Sed precium, utilitas multa, legentis erit.
Nicht umsonst hält die Geschichte den Geist in Atem: / Aber der Lohn, von dem viele profitieren, wird der Leser sein.
Quidquid terra sinu, gremioque recondidit imo,
Omne tibi multis eruit ante libris:
Siue fluens superas ultro nitatur in oras,
Inueniat facilem seu magis arte uiam.
Was auch immer die Erde in ihrer Brust verbarg, und in ihrem Schoß, / ich habe in vielen Büchern alles über sie geschrieben: / Wenn es über dich fließt und sich an die Ufer lehnt, / finden Sie einen einfachen oder einen geschickteren Weg.
Perpetui proprijs manant de fontibus amnes,
Est grauis Albuneæ sponte Mephitis odor.
Bäche fließen aus ihren eigenen Quellen, / es ist der Duft von Mephitis [italische Göttin der schwefligen und sonstigen übelriechenden Ausdünstungen] auf den Höhen von Albunea [schwefelige Quelle].
Lethales sunt sponte scrobes Dicæarchidis oræ,
Et micat è media conditus ignis humo.
Der Schorf der Dicæarchis ist von selbst tödlich. / Und das Feuer flackert mitten im Boden.
Plana Nariscorum cùm tellus arsit in agro,
Ter curua nondum falce resecta Ceres,
Nec dedit hoc damnum pastor, nec Iuppiter igne:
Vulcani per se ruperat ira solum.
Die Ebenen der Narzisse, wenn die Erde auf dem Feld brennt, / Ceres [römische Göttin des Ackerbaus], die die Sichel noch nicht dreimal abgeschlagen hat, / weder der Hirte verursachte diesen Schaden, noch Jupiter durch Feuer: / Nur der Zorn der Vulkanier durchbrach ihn.
Terrifico aura foras erumpens, incita motu,
Sæpe facit montes, antè ubi plana uia est.
Ein schrecklicher Wind brach los, erregt durch die Bewegung, / er macht oft Berge vor, wo es eine ebene Straße gibt.
Hæc abstrusa cauis, imoque incognita fundo,
Cognita natura sæpe fuere duce.
Diese versteckten Höhlen, die im Grunde unbekannt sind, / man hat gelernt, dass die Natur oft der Leitfaden ist.
Arte hominum, in lucem ueniunt quoque multa,
manuque Terræ multiplices effodiuntur opes.
Auch durch die Kunst der Menschen kommt Vieles ans Tageslicht, und mit der Hand werden mannigfaltige Reichtümer aus der Erde gegraben.
Lydia sic nitrum profert, Islandia sulfur,
Ac modò Tyrrhenus mittit alumen ager.
So bringt Lydia [antike Landschaft, Königreich in Kleinasien] Soda hervor, Islandschwefel, / und gerade eben schickt Tyrrhenus [nach der klassisch-antiken Mythologie der Sohn des lydischen Königs Atys und der Stammvater der Etrusker] Alaun auf das Feld.
Succina, quâ trifido subit æquor Vistula cornu,
Piscantur Codano corpora serua sinu.
Succina [Salze der Bernsteinsäure], was der Blüte der Kirsche entspricht, / Codanos [Meerbusen im Norden Germaniens] Körper werden aus der Bucht gefischt.
Quid memorem regum preciosa insignia gemmas,
Marmoraque excelsis structa sub astra iugis?
Nil lapides, nil saxa moror: sunt pulchra metalla,
Crœse tuis opibus clara, Mydaque tuis,
Quæque acer Macedo terra Creneide fodit,
Nomine permutans nomina prisca suo.
Warum sollte ich mich an die kostbaren Juwelen der Könige und die Murmeln erinnern, / die hoch unter den Sternen der Berge gebaut wurden? / Keine Steine, keine Felsen, um die ich trauere: Es sind wunderschöne Metalle, / strahlend vor deinem Reichtum, und deiner Myda, / Jeder scharfsinnige Macedo [Mazedonier] durchgräbt das Land der Creneides, / und tauscht Namen gegen ihre alten Namen aus.
At nunc non ullis cedit germania terris,
Terra ferax hominum, terraque diues opum.
Aber jetzt steht Deutschland keinem Land nach, / einem Land voller Menschen und einem Land voller Reichtum.
Hic auri in uenis locupletibus aura refulget,
Non alio messis carior ulla loco.
Hier glänzt die Brise in den reichen Goldadern, / keine andere Ernte ist an irgendeinem Ort kostbarer.
Auricomum extulerit felix Campania ramum,
Nec fructu nobis deficiente cadit.
Ein glücklicher Champagnerzweig hat den Aprikosenbaum hervorgebracht, / und er fällt uns nicht ohne Frucht zu.
Eruit argenti solidas hoc tempore massas
Fossor, de proprijs armaque miles agris.
Zu dieser Zeit förderte der Bergmann massive Silbermassen zutage / und der Soldat des Feldes mit seinen eigenen Waffen.
Ignotum Graijs est Hesperijsque metallum,
Quod Bisemutum lingua paterna uocat.
Es ist ein Metall, das Grais [Franzosen] und den Hesperianern [Spanier] unbekannt ist, - und das sie in der Sprache ihres Vaters Bisemut [Bismut, Wismut = Bi] nennen.
Candidius nigro, sed plumbo nigrius albo,
Nostra quoque hoc uena diuite fundit humus.
Weißer als Schwarz, aber schwärzer als weißes Blei, / diese unsere Ader ergießt sich auch in reichhaltigen Boden.
Funditur in tormenta, corus cum imitantia fulmen,
Æs, inque hostiles ferrea massa domos.
Es wird in Kanonen gegossen, ein Herz wie Blitze, / in Messing und Häuser aus feindlicher Eisenmasse.
Scribuntur plumbo libri: quis credidit antè
Quàm mirandam artem Teutonis ora dedit?
Nec tamen hoc alijs, aut illa petuntur ab oris,
Eruta Germano cuncta metalla solo.
Bücher werden mit Blei geschrieben: Wer hat vorher geglaubt? / Welche wundersame Kunst haben und die Germanen gegeben? / Und doch wird von anderen weder dies noch das gefragt. / Sämtliche Metalle wurden dem deutschen Boden entzogen.
Sed quid ego hæc repeto, monumentis tradita claris
agricolae, quæ nunc docta per ora uolant?
Hic caussis ortus, & formas uiribus addit,
Et quærenda quibus sint meliora locis.
Aber warum wiederhole ich diese Dinge, die in den Denkmälern des berühmten / Agricola überliefert sind und jetzt über die Lippen fliegen? / Er fügt den Ursachen den Ursprung und den Kräften Formen hinzu / und sucht nach Orten, die besser sind.
Quæ si mente prius legisti candidus æqua:
Da reliquis quoque nunc tempora pauca libris.
Wenn Sie es schon einmal in Gedanken gelesen haben, / sollten Sie auch den restlichen Büchern ein paar Augenblicke Zeit geben.
Vtilitas sequitur cultorem: crede, uoluptas
Non iucunda minor, rara legentis, erit.
Der Nutzen folgt dem Anbeter: Glaube, Vergnügen. / Für den kleinen, seltenen Leser wird es nicht angenehm sein.
Iudicioque prius ne quis malè damnet iniquo,
Quæ sunt auctoris munera mira Dei:
Eripit ipse suis primùm tela hostibus, inque
Mittentis torquet spicula rapta caput.
Und zuerst das Urteil, dass niemand die Ungerechten verurteilen soll / Was sind die wunderbaren Gaben des Autors Gottes: / Er selbst rettet seine ersten Waffen vor seinen Feinden und / er verdreht die Spitze des entführten Speers.
Fertur equo latro, uehitur pirata triremi:
Ergo necandus equus, nec fabricanda ratis?
Visceribus terræ lateant abstrusa metalla,
Vti opibus nescit quòd mala turba suis?
Quisquis es, aut doctis pareto monentibus, aut te
Inter habere bonos ne fateare locum.
Ein Dieb wird auf einem Pferd getragen, ein Pirat reitet auf einer Triere [rudergetriebenes Kriegsschiff des Altertums mit drei gestaffelt angeordneten Reihen von Ruderern mit je einem Riemen]: / Deshalb muss das Pferd getötet werden und das Floß darf nicht gebaut werden? / In den Eingeweiden der Erde verbergen sich verborgene Metalle, / warum weiß er nicht, dass sein Reichtum seinem Volk schadet? / Wer auch immer Sie sind, Sie müssen entweder von den Gelehrten gewarnt werden oder zugeben, / dass Sie unter den Guten keinen Platz haben.
Se non in prærupta metallicus abijcit audax,
Vt quondam immisso Curtius acer equo:
Sed prius ediscit, quæ sunt noscenda perito,
Quodque facit, multa doctus ab arte facit.
Er stürzte sich nicht kühn in den metallischen Abgrund, / wie Curtius einst ein scharfes Pferd stürmte: / Aber zuerst lernt er, was ein Experte wissen sollte, / und was er tut, hat er viel von der Kunst gelernt.
Vtque gubernator seruat cum sidere uentos:
Sic minimè dubijs utitur ille notis.
Und wie der Pilot den Wind mit dem Stern im Auge behält: / So nutzt er die Markierungen zweifelsfrei aus.
Iasides nauim, currus regit arte Metiscus:
Fossor opus peragit nec minus arte suum.
Abgesehen vom Boot wird der Streitwagen von der Kunst des Metiscus [Wagenlenker] beherrscht: / Der Bergmann verrichtet seine Arbeit nicht weniger geschickt.
Indagat uenæ spacium, numerumque, modumque,
Siue obliqua suum, rectaúe tendat iter.
Er untersucht den Platz, die Anzahl und die Art der Venen, / wenn er geneigt ist, tendiert er dazu, geradeaus zu gehen.
Pastor ut explorat quæ terra sit apta colenti,
Quæ bene lanigeras, quæ malè pascat oues.
Ein Hirte untersucht, welches Land für den Anbau geeignet ist, / welches gut und welches die Schafe schlecht ernährt.
En terræ intentus, quid uincula linea tendit?
Fungitur officio iam Ptolemæe tuo.
Aber wenn wir die Erde betrachten, wohin tendiert die Verbindungslinie? / Er fungiert bereits im Büro Ihres Ptolemaios.
Vtque suæ inuenit mensuram iuraque uenæ,
In uarios operas diuidit inde uiros.
Und damit er sein eigenes Maß und seine Rechte finden kann, / teilt er die Männer in verschiedene Werke ein.
Iamque aggressus opus, uiden' ut mouet omne quod obstat,
Assidua ut uersat strenuus arma manu?
Ne tibi surdescant ferri tinnitibus aures,
Ad grauiora ideo conspicienda ueni.
Und jetzt, wo die Arbeit begonnen hat, sehe ich, dass sie alles bewegt, was im Weg steht, / ständig die Werkzeuge in der Hand drehen? / Lass deine Ohren nicht vom Klirren des Eisens taub werden, / deshalb kam ich dazu, mir größere Dinge anzuschauen.
Instruit ecce suis nunc artibus ille minores:
Sedulitas nulli non operosa loco.
Siehe, er rüstet nun die Geringeren mit seinen Künsten aus: / Fleiß ist nirgendwo fleißig.
Metiri docet hic uenæ spaciumque modumque,
Vtque regat positis finibus arua lapis,
Ne quis transmisso uiolentus limite pergens,
Non sibi concessas, in sua uertat, opes.
Hier lehrt er, die Adern, den Abstand und das Maß zu messen / und das Steinfeld durch das Setzen von Grenzen zu beherrschen, / möge niemand, der gewaltsam über die Grenze vordringt, / Reichtum, der ihm nicht gewährt wurde, zu seinem Eigentum machen.
Hic docet instrumenta, quibus Plutonia regna
Tutus adit, saxi permeat atque uias.
Hier lehrt er die Instrumente, mit denen Plutonia [Gegend in Asien, wo ein Tempel des Pluto gestanden haben soll. Pluto = Gott der Totenwelt in der Erdtiefe] regiert / Er geht sicher durch die Felsen und Gänge.
Quanta (uides) solidas expugnet machina terras:
Machina non ullo tempore uisa prius.
Wie viele (Sie sehen) feste Erden wird die Maschine angreifen: / Eine Maschine, die noch nie zuvor gesehen wurde.
Cede nouis, nulla non inclyta laude uetustas,
Posteritas meritis est quoque grata tuis.
Geben Sie dem Neuen Platz, kein Altes, das nicht mit Lob gewürdigt wurde, / auch die Nachwelt ist dankbar für Ihre Verdienste.
Tum quia Germano sunt hæc inuenta sub axe,
Si quis es, inuidiæ contrahe uela tuæ.
Und da diese Dinge unter der Axt eines Deutschen entdeckt wurden, / sollten Sie, wenn Sie ein Mann sind, Ihren Neidschleier schließen.
Ausonis ora tumet bellis, terra Attica cultu,
Germanum infractus tollit ad astra labor.
Ausons [hoher gallo-römischer Staatsbeamter] Küste schwillt vor Kriegen, das Land Attika [griechische Region] vor Anbetung, / der gebrochene Deutsche geht zu den Sternen, um zu arbeiten.
Nec tamen ingenio solet infeliciter uti,
Mite gerát Phœbi, seu graue Martis opus,
Tempus adest, structis uenarum montibus, igne
Explorare, usum quem sibi uena ferat,
Non labor ingenio caret hic, non copia fructu,
Est adaperta bonæ prima fenestra spei.
Noch neigt er nicht dazu, seinen Verstand unglücklich zu gebrauchen, / Phoebe [Mondgöttin] erträgt sanft die schwere Arbeit des Mars. / Jetzt ist es an der Zeit, mit Feuer den Nutzen zu erforschen, / den die Ader aus Bergen von Adern aufgeschichtet hat. / Hier mangelt es nicht an Arbeit und Talent, es gibt keinen Überfluss an Früchten, / das erste gute Fenster der Hoffnung steht offen.
Ergo instat porrò grauiores ferre labores,
Intentas operi nec remouere manus.
Deshalb besteht er darauf, schwerere Arbeiten fortzusetzen / und seine Hände nicht von der Arbeit loszulassen.
Vrere siue locus poscat, seu tundere uerras,
Siue lauare lacu præter euntis aquæ.
Zum Verbrennen, je nachdem, ob es der Ort erfordert, zum Durchtrennen der Adern / oder den See waschen, indem man das Wasser durchlässt.
Seu flammis iterum modicis torrere necesse est,
Excoquere aut fastis ignibus omne malum,
Cùm fluit æs riuis, auri argentique metallum,
Spes animo fossor uix capit ipse suas.
Oder es gilt, in kleinen Mengen noch einmal mit Flammen zu rösten, / auszukochen oder alles Böse mit den Feuern auszubrennen / Wenn Ströme von Gold und Silber fließen, / fängt der Bergmann mit Hoffnung im Herzen kaum sein eigenes auf.
Argentum cupidus fuluo secernit ab auro,
Et plumbi lentam demit utrique moram.
Der Gierige trennt das Silber vom Gold / und senkt das harte Blei zu beiden herab.
Separat argentum, lucri studiosus, ab ære,
Seruatis, linquens deteriora, bonis.
Er scheidet Silber aus Profitgier vom Gold, / du hältst den Mund und lässt das Böse und das Gute zurück.
Quæ si cuncta uelim tenui percurrere uersu,
Ante alium reuehat Memnonis orta diem.
Und wenn ich alles wollte, / Memnons [Grieche im Dienste des Achämenidenreich] Tag brach früher an als der andere.
Postremus labor est, concretos discere succos,
Quos fert innumeris Teutona terra locis.
Die letzte Aufgabe besteht darin, konkrete Lösungen zu erlernen, - die das teutonische [germanischer Volksstamm] Land an unzähligen Orten trägt.
Quo sal, quo nitrum, quo pacto fiat alumen,
Vsibus artificis cùm parat illa manus:
Nec non chalcantum, sulfur, fluidumque bitumen,
Massaque quo uitri lenta dolanda modo.
Welches Salz, welche Soda, welche Art von Alaun sollte es sein, / wenn man die Verwendungszwecke des Werkmeisters vorbereitet / Und nicht Gusseisen, Schwefel und flüssiges Bitumen / und die Masse, aus der das zähe Glas besteht.
Suscipit hæc hominum mirandos cura labores,
Pauperiem usque adeo ferre famemque graue est,
Tantus amor uictum paruis extundere natis,
Et patriæ ciuem non dare uelle malum.
Er übernimmt diese wunderbaren Sorgen der Menschen, / Armut und Hunger sind zu groß, um sie zu ertragen, / so viel Liebe wurde geboren, um nicht den Lebensunterhalt der Kleinen zu zerstören, / und er würde seinem Land nichts Böses antun.
Nec manet in terræ fossoris mersa latebris
Mens, sed fert domino uota precesque Deo.
Er bleibt auch nicht in den versunkenen Verstecken der Bergmannserde / Der Verstand bringt dem Herrn jedoch gute Wünsche und Gebete zu Gott.
Munificæ expectat, spe plenus, munera dextræ,
Extollens animum lætus ad astra suum.
Er wartet großzügig, voller Hoffnung, Geschenke zur Rechten / und erhebt seinen fröhlichen Geist zu seinen Sternen.
Diuitias christus dat noticiamque fruendi,
Cui memori grates pectore semper agit.
Christus schenkt Reichtümer und Wissen zum Genießen, / ihm dankt er stets für sein Andenken.
Hoc quoque laudati quondam fecere Philippi,
Qui uirtutis habent cum pietate decus.
Dafür wurde einst auch Philippus [Philippus war neben Andreas der einzige Jünger Jesu mit griechischem Namen. Nach der Legende predigte Philippus 20 Jahre lang in Skythien, heute Ukraine] gelobt, / der Tugend und Frömmigkeit vereint.
Huc oculos, huc flecte animum, suauissime Lector,
Auctoremque pia noscito mente Deum.
Richten Sie hier Ihre Augen, hierher Ihren Geist, lieber Leser, / und erkennen Sie mit einem frommen Geist Gott als den Autor.
Agricolae hinc optans operoso fausta labori,
Laudibus eximij candidus esto uiri.
Hier wünscht Agricola den Fleißigen gute Arbeit, / Seien Sie bei Ihrem Lob sehr aufrichtig.
Ille suum extollit patriæ cum nomine nomen,
Et uir in ore frequens posteritatis erit.
Er preist den Namen seines Landes mit seinem Namen, / und der Mann wird in aller Munde der Nachwelt sein.
Cuncta cadunt letho, studij monumenta uigebunt,
Purpurei donec lumina solis erunt.
Sie fallen alle zu Boden, die Denkmäler des Studiums werden erblühen, - lila, bis die Sonne aufleuchtet.
Misenae M. D. LI.
e ludo illustri.