Heine, Heinrich
*1797, +1856 Landsmannschaft Guestphalia Göttingen 1821 (heute Corps Hildeso-Guestfalia Göttingen).
Revolutionärer Schriftsteller. Jüdischer Abstammung. 1831 Emigration nach Paris. 1835 (1834?) werden in Deutschland seine Schriften verboten. Ab 1843 Mitstreiter von Marx.
Horst Grimm/Leo Besser-Walzel, Die Corporationen, Frankfurt am Main, 1986
Heinrich Heine wurde am 13. Dezember 1797 unter dem Namen Harry Heine in der Bolkerstraße in Düsseldorf geboren. Seine Familie war jüdisch. Sein Vater Samson Heine war Tuchwarenhändler, seine Mutter Elisabeth van Géldern war eine gebildete Arzttochter. Die drei Geschwister hießen Charlotte (*1800), Gustav (*1805) und Maximilian (*1807).
1810 Besuch des Lyzeums Düsseldorf, das von katholischen Geistlichen geleitet wird. Unterricht in Latein, Geographie, französischer Literatur.
1815 Er beginnt eine Lehre beim Bankier Rindskopf in Frankfurt am Main, bleibt dort jedoch nur drei Wochen und wechselt dann für vier Wochen zu einem Kolonialwarenhändler, hat jedoch auch hierfür kein Talent. Schließlich erbarmt sich sein reicher Onkel Salomon Heine, ein mehrfacher Millionär, und gewährt ihm eine zweijährige Ausbildung in seinem Bankhaus Heckscher & Co in Hamburg.
1817 Heinrich eröffnet mit Unterstützung des Onkels das Kommissionsgeschäft Harry Heine & Co, macht allerdings innerhalb eines Jahres wegen seiner fehlenden Begabung Bankrott. Während seines Aufenthalts in Hamburg schrieb Heinrich bereits viele Gedichte und Balladen, z.B. "Belsazar" und "Die Grenadiere", sie werden später im "Buch der Lieder" veröffentlicht.
1819 Er kehrt nach Düsseldorf zurück. Der Onkel ermöglicht ihm ein Jurastudium, das er noch im selben Jahr in Bonn beginnt. Dort hört er allerdings auch allgemeine Vorlesungen, z.B. über Literatur, und er fühlt sich dabei vor allem von den Vorlesungen von August Wilhelm Schlegel (1767- 1845) "Zur Geschichte der deutschen Sprache" angezogen.
1820/21 Er verbringt das Wintersemester in Göttingen, muss es jedoch am 23. Januar abbrechen, da ihm vorgeworfen wird, an einem Duell beteiligt gewesen zu sein. Am 4. April setzt er sein Studium in Berlin fort. Hier besucht er außerdem den literarischen Salon von Rahel Varnhagen, wo er unter anderem Bekanntschaft mit Hegel (1770- 1831) und Chamisso (1781- 1838) macht.
1822 Er unternimmt eine Reise nach Polen.
1824 Am 30. Januar wechselt er zurück nach Göttingen, um sein Studium abzuschließen. Er macht eine Reise nach Berlin und besucht Goethe (1749- 1832) in Weimar.
1825 Am 28. Juni konvertiert er zum Protestantismus, allerdings nicht aus religiöser Überzeugung, sondern wegen des zur Zeit herrschenden Judenhasses. Er lässt sich auf den Namen Christian Johann Heinrich taufen. Am 20. Juli schließt er sein Studium mit dem Examen ab und zieht zu seinen Eltern, die zu dieser Zeit in Lüneburg leben. Da er weder in Berlin noch in München eine Stellung findet, wird er zum freien Dichter. Im Herbst macht er eine Wanderung über den Harz, daraus entsteht die "Harzreise".
1826-30 Er reist viel umher, unter anderem nach England (1827), Italien (1828) und nach Helgoland (1829, 30). Von Herbst 1827 bis Mitte 1828 lebt er in München und ist dort als Redakteur bei den "Neuen Allgemeinen Politischen Annalen" tätig.
1827 Das "Buch der Lieder" erscheint und macht ihn populär.
1828 Am 2. Dezember stirbt sein Vater Samson und er besucht die Familie in Hamburg.
1830 Während eines Aufenthalts auf Helgoland im Hochsommer erreicht ihn die Nachricht der Pariser Juli-Revulotion, die er mit Freude aufnimmt.
1831 Da ihm die politischen Zustände in Deutschland immer weniger zusagen, entscheidet er sich, als Korrespondent für die Augsburger "Allgemeine Zeitung" nach Paris zu gehen. Er verlässt Deutschland am 1. Mai und trifft zwei Tage später in Paris ein, wo er jedoch einsehen muss, dass er die Juli-Revolution überschätzt hat. In Paris nennt er sich Henri und trifft im Laufe der Zeit Balsac, Berlioz, Chopin, Duncas, Victor Hugo, Liszt, Gérard de Nerval und George Sand. Er schreibt Artikel über französisches Geistesleben, französische Politik, französische Maler, Theater, Konzerte von Liszt und Chopin.
1833 Die deutschen Zensurbehörden bewegen Heine dazu, seine Berichterstattung für die Augsburger "Allgemeine Zeitung" einzustellen.
1834 Heinrich lernt seine spätere Frau Mathilde kennen.
1835 Der Deutsche Bundestag verbietet am 10. Dezember Heines Schriften.
1836 Aufgrund finanzieller Probleme muss er die Ehrenrente der französischen Regierung beantragen.
1841 Heinrich heiratet am 31. August Crescentia Eugenie (Mathilde) Mirat (1815- 1883), eine Schuhverkäuferin, in der Kirche Saint- Sulpice.
1843 Er unternimmt eine Reise nach Hamburg, gegen Ende des Jahres lernt er Karl Marx (1818- 1883) kennen, mit dem er sich anfreundet und dessen Ideen er gut findet.
1844 Letzter Besuch in Hamburg, daraufhin entsteht "Deutschland. Ein Wintermärchen". Sein Onkel Salomon stirbt, ein belastender Erbschaftsstreit beginnt. Im folgenden arbeitet er an von Karl Marx gegründeten "Deutsch- Französischen- Jahresbüchern" mit.
1846 Er schreibt sein erstes Testament.
1848 Erkrankung an Rückenmarksschwindsucht, nach kurzer Zeit ist er an seine "Matratzengruft" gefesselt, setzt seine schriftstellerische Arbeit jedoch fort, es entstehen unter anderem "Romanzero" und "Das Buch Lazarus".
1851 Sein zweites Testament entsteht.
1855 Beginn seiner Freundschaft mit Elise Krienitz (Mouche), seiner letzten Liebe.
1856 Am 17. Februar stirb er in der Avenue Matignon 3 und wird am 20. Februar auf dem Montmatre-Friedhof beerdigt.
Geschichtlicher Hintergrund
Bis zum Jahr 1813 stand Deutschland unter der Herrschaft Napoleons. Heine äußerte sich in einer seiner späteren Schriften über seine Sicht Napoleons: Er sehe in ihm einerseits einen Verbreiter der französischen Revolution von 1789, andererseits lehne er sein Kaisertum entschieden ab.
Als im Februar 1813 die Befreiungskriege begannen, versprachen die Fürsten den Soldaten, die zum Teil aus rekrutierten Studenten bestanden, dass sie nach dem Krieg eine Verfassung und mehr Mitbestimmungsrecht erhalten sollten. Im Herbst 1814 begann der Wiener Kongress, der sich mit der Neuordnung Europas beschäftigte. Sein Ziel bestand darin, einen zweiten Napoleon zu verhindern und den Frieden in Europa dauerhaft zu sichern. Er verfolgte jedoch eine stark restaurative Politik, Europa sollte wieder so werden wie vor Napoleon, es wurden nur einige Änderungen gemacht, um große Staaten an Frankreichs Grenzen zu haben. Frankreich wurde wieder eine Monarchie. Auch Deutschland sollte wieder zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation vereinigt werden, es stellte sich jedoch heraus, dass Napoleons System besser war und so wurde der Deutsche Bund geschaffen, der aus 35 Kleinstaaten und den vier freien Reichsstädten (Frankfurt, Hamburg, Bremen und Lübeck) bestand. Die Staaten waren monarchisch, hatten jedoch Vertreter in den Bundestag nach Frankfurt geschickt, wo gemeinsame Gesetze erlassen wurden.
Die Studenten, von denen viele an den Befreiungskriegen beteiligt gewesen waren, waren von den Ergebnissen des Wiener Kongresses enttäuscht, sie hatten gehofft, dass die Fürsten ihre Versprechungen, den Bürgern eine Verfassung und mehr Mitbestimmung zu geben, einlösen würden, was jedoch nicht geschah. Deshalb gründeten sie Burschenschaften und kritisierten gemeinsam die Restaurationspolitik und forderten ein einheitliches Deutschland. In der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 1817 versammelten sich einige hundert Studenten auf der Wartburg, wo sie gegen die Restaurationspolitik demonstrierten und Bücher verhasster Schriftsteller verbrannten.
Nachdem radikale Studenten den Schriftsteller August von Kotzebue und einen Regierungspräsidenten ermordet hatten, wurden im August 1819 die Karlsbader Beschlüsse erlassen, die die Auflösung der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten und die Einschränkung der Pressefreiheit herbeiführten.
Heinrich Heine hatte sich nur wenig an den Burschenschaften beteiligt und war sehr enttäuscht von ihnen, denn ihm genügten ihre Forderungen nicht.
Die Julirevolution im Jahre 1830 in Frankreich löste in Deutschland nur wenig Unruhe aus. Der Grund für diese Revolution waren neue restaurative Gesetze, die unter anderem die Pressefreiheit einschränkten. Heinrich Heine hoffte, dass nach der Revolution eine neue Epoche beginnen würde, glaubte jedoch nicht, dass die Deutschen dem französichen Beispiel folgen würden. Deshalb verließ er Deutschland und ging nach Paris. Dort jedoch musste er erkennen, dass er die Revolution zu euphorisch eingeschätzt hatte und dass das Volk durch sie nichts gewonnen hatte.
Ausgelöst durch eine Missernte im Jahr 1846 und die starke Unterdrückung in Deutschland, bedeutete die Revolution im Februar 1848 ein kurzzeitiges Ende der Demokratie. Intellektuelle und Bürger versammelten sich in der Paulskirche und erarbeiteten eine Verfassung. Als sie jedoch dem preußischen König die Krone für Deutschland anboten und dieser sie ablehnte, weil er nicht an die Verfassung gebunden sein wollte und keine Krone "aus der Gosse" wollte, brach die Revolution in sich zusammen. Deutschland unterlag wieder den reaktionären Kräften.
Absichten und Überzeugungen
Heinrich Heine gehörte in seinen ersten Gedichten der Romantik an, später ging er in den Realismus über, so z.B. in den Reisebildern, in denen oft genaue Natur- und Lebensbeschreibungen zu finden sind. Schließlich fanden auch politische Themen Einzug in seine Gedichte. Er orientierte sich an den Ideen der französischen Revolution, die Freiheit und Gleichheit für alle Menschen wollte. Er erkannte, dass auch in Deutschland eine Revolution notwendig war, wenn sich diese Ideen dort verwirklichen sollten. Desweiteren arbeitete er daran, das Deutsch-Französische Verhältnis zu verbessern, was er in seinem Testament von 1851 als eine seiner Lebensaufgaben bezeichnet. Heinrich Heine war ein Kosmopolit, und er sah sowohl Frankreich als auch Deutschland als Quelle einer neuen Epoche. Er wusste, dass ein Krieg für beide Länder schwerwiegende Folgen haben würde und es lag ihm alles daran, einen solchen Krieg zu verhindern. Als größte Gefahr sah er dabei den Nationalismus an. In seinen späteren Schriften kritisierte er immer wieder die restaurative Politik in Deutschland, meistens auf eine stark ironische Weise. Dies führte natürlich zu unvermeidbaren Konflikten mit der Zensur. Nach seinem Werk "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland" wurden seine Werke endgültig vom Deutschen Bundestag verboten. Dieses Werk, indem er unter anderem darlegte, dass die Ideen für eine Revolution in Deutschland schon seit Hegel vorhanden waren, wurde von der Zensur als ein Angriff auf die christliche Religion und die soziale Ordnung verurteilt. Durch diese moralische Diffamierung sollte eine weitere Diskussion über seine Ideen verhindert werden. Inzwischen waren nämlich fast alle seine Werke zu "getarnten" politischen Stellungnahmen geworden, verkleidet durch eine ausgezeichnete lyrische Form, in der die Kritik durch beißende Ironie aufgezeigt wurde. Ein Beispiel dafür ist "Deutschland. Ein Wintermärchen".
Werke
"Reisebilder", 1826-31
Reiseberichte, "Harzreise"
"Buch der Lieder", 1827 Enthält verschiedene Gedichte, unter anderem "Loreley" und "Belsazar". Das Gedicht "Loreley" lehnt sich an eine Sage von Clemens von Brentano an und zählt zu Heinrich Heines bekanntesten Gedichten. Es wurde 1837 von Friedrich Silcher vertont. Das Gedicht "Belsazar" lehnt an die Geschichte des Königs Belsazar aus der Bibel (Buch Daniel, 5. Kapitel) an. "Lutezia" Enthält eine Zusammenfassung seiner politischen Berichte für die Augsburger "Allgemeine Zeitung".
"Die Memoiren des Herrn Schnabelewopski", 1834 Witzige Schilderung eines erfundenen Lebenslaufes, in den Heine auch eigene Erlebnisse eingebaut hat.
"Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland", 1834
"Die romantische Schule", 1836
"Ludwig Börne", 1840
"Atta Troll. Ein Sommernachtstraum.", 1843
Schildert die Jagd auf den Bären Atta Troll, mit vereinzelten, ironischen Anspielungen auf Personen aus Heines Zeit.
"Deutschland. Ein Wintermärchen.", 1844 Heinrich Heine beschreibt eine Reise nach Hamburg, voll von beißender Kritik an den politischen Zuständen in Deutschland.
"Romanzero", 1851
Quellenverzeichnis
Text+ Kritik: Heinrich Heine
Zeitschrift für Literatur, Heft 18/19
edition text+kritik GmbH
Treffpunkte, Lesebuch für das 10. Schuljahr
Schroedel Schulbuchverlag, 1992
Erläuterungen zu Heinrich Heine - Deutschland. Ein Wintermärchen.
C. Bange Verlag, 1982
Heinrich Heine, Sämtliche Schriften, Band 4
Carl Hanser Verlag München, 1971
dtv-Lexikon Band 8
dtv 1966
»Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat.« Heinrich Heine
Nachgelesene Gedichte 1845 - 1856, Duelle
Zwei Ochsen disputierten sich
Auf einem Hofe fürchterlich.
Sie waren beide zornigen Blutes,
Und in der Hitze des Disputes
Hat einer von ihnen, zornentbrannt,
Den andern einen Esel genannt.
Da »Esel« ein Tusch ist bei den Ochsen,
So mußten die beiden John Bulle sich boxen.
Auf selbigem Hofe zu selbiger Zeit
Gerieten auch zwei Esel in Streit,
Und heftig stritten die beiden Langohren,
Bis einer so sehr die Geduld verloren,
Daß er ein wildes I-A ausstieß,
Und den andern einen Ochsen hieß.
Ihr wißt, ein Esel fühlt sich tuschiert,
Wenn man ihn »Ochse« tituliert.
Ein Zweikampf, die beiden stießen
Sich mit den Köpfen, mit den Füßen,
Gaben sich manchen Tritt in den Podex,
Wie es gebietet der Ehre Kodex.
Und die Moral? Ich glaub, es gibt Fälle,
Wo unvermeidlich sind die Duelle;
Es muß sich schlagen der Student,
Den man einen dummen Jungen nennt.