Sehr geehrte Festgäste!
Liebe Teutonen!
Sehr gerne habe ich die Einladung angenommen, heute, beim Festkommers anlässlich Ihres 160. Geburtstages einige Worte an die Korona richten zu dürfen.
Gestatten Sie bitte vorab, dass ich ein wenig in Erinnerungen schwelge. Während meiner Aktivzeit 1971-1978 hatten wir – Teutonia und Erz - das älteste Kartell in Österreich. Wir konnten diese Beziehung aufgrund der räumlichen Nähe, auch sehr intensiv leben. So haben wir uns zumindest monatlich getroffen. Legendär waren die Fußballspiele gegeneinander. Ja, wir hatten ausreichend Aktive um Fußballmannschaften aufzustellen. Kameradschaftliche, lustige Kneipen mit anschließendem Stadtbummel durch die Grazer Gastronomie, morgendliche Besuche der gerade aufsperrenden Märkte kommen mir spontan in den Sinn. Wir hatten auch eine Anzahl gemeinsamer AH aus der Gründungszeit des Kartells. Namen wie Delago, Endres, Schreiner, Uray, die Gebrüder Roth, Stößl und viele andere sind mit dieser wunderbaren Zeit verbunden.
Leider ist in jener Zeit das Kartell zerbrochen, wobei ich mich an den tatsächlichen Grund nicht wirklich erinnere. Es ging wohl um einen schriftlichen Kartellvertrag, den es nicht gab, und die darin festzuschreibende verpflichtende Abwicklung von Ehrenhändeln nach Busson.
Augenscheinlich war keine freundschaftliche, wirkliche Diskussion möglich, man hatte sich zu weit voneinander entfernt, die „Fronten“ hatte sich so verhärtet, dass Teutonia das Kartell kündigte. Schade, heute haben wir ganz andere Probleme. Die Beziehungen sind inzwischen ja wieder ausgezeichnet und ich freue mich auch darüber.
Genug in Erinnerungen gekramt.
Natürlich fragen wir uns aufgrund der bestehenden Personalsituation in unseren Bünden. Wie wird es weitergehen? Haben die Corps ihre historische Aufgabe erledigt und werden langsam aber unaufhaltsam von der Bühne verschwinden?
Auch wenn wir Corps uns auf unser Toleranz-Prinzip berufen und „unpolitisch“ sind - zumindest was die Parteipolitik betrifft - völlig unpolitisch zu sein ist gar nicht möglich da unser ganzes Leben von Politik im weiteren Sinne bestimmt wird, haben wir einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Diesen Auftrag haben wir spätestens 1848 (viele Corps sind ja viel älter) mit auf den Weg bekommen.
Aus meiner Sicht, etwas vereinfacht und moderner formuliert, lautet unser unverändert aktueller Auftrag:
Schließen wir uns geleitet vom sprichwörtlichen Corpsgeist zusammen mit dem Ziel freie, kritische, selbstbewusste Persönlichkeiten herauszubilden, die sich zu unserem Staat und unserer Gesellschaft bekennen und auch bereit sind ihren Beitrag zur Weiterentwicklung dieser Gemeinschaft zu leisten. Dazu müssen diese Persönlichkeiten hohe wissenschaftliche und soziale Kompetenz und Leistungsbereitschaft aufweisen.
Auch wenn der Begriff in unserer Zeit, die den Durchschnitt zum Idealtypus erhoben hat (Hinweis auf Förderungen im Bildungswesen), verpönt ist, merke ich an, dass der Corpsstudent die innere Bereitschaft haben muss Führungsaufgaben in unserer Gesellschaft zu übernehmen, also auch „Elite“ sein zu wollen. Nicht „Elite“ von Geburt oder Stand, sondern Elite durch Leistung.
Das es auf dem Weg dorthin durchaus auch (feucht)fröhlich zugehen kann und soll, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Unsere Rituale und Traditionen dürfen aber nie den Inhalt ersetzen und quasi Selbstzweck werden.
Ich hoffe, dass Sie mir zumindest weitgehend, bis hierher zustimmen können, obwohl das Gesagte sicherlich große Herausforderungen darstellt.
Genau in diesen Punkten liegt einerseits der Grund dafür, dass wir vom politischen Establishment bekämpft oder zumindest abgelehnt werden. Welches System will schon kritische, selbstständige Bürger? Sind nicht bequeme „Untertanen“ viel angenehmer? Politische Systeme sehen in uns eine Gefahr, weil sie unsere Macht durch Netzwerkbildung und unseren Zusammenhalt grenzenlos überschätzen. Wir werden für so etwas wie ein „Geheimbund“ oder die „Freimaurer“ gehalten.
Das sollte Handlungsauftrag sein! Vernetzen wir uns besser, schaffen wir zum Beispiel eine Jobbörse für Korporierte. Auch über die Korporationsgrenzen hinweg. Fördern wir gegenseitige Karrieren! Damit würde unsere Sichtbarkeit und unser Gewicht in der Gesellschaft wieder steigen!
Andererseits liegt in diesem „Arbeitsauftrag“ auch eine der Wurzeln für unsere Personalprobleme. Es ist doch viel bequemer für den wohlstandsverwöhnten Gymnasiasten den Weg des geringsten Widerstandes und den Weg des heute so groß geschriebenen „Individualismus“ zu gehen, als sich als Fuchs, oder später als Aktiver in eine Gemeinschaft einzubringen und sich dort womöglich auch noch einer Mensur stellen zu müssen. Vor Jahrzehnten waren viele gezwungen sich aus materiellen Gründen einer Korporation anzuschließen, heute kaufen Eltern Wohnungen am Studienort für die Sprösslinge oder der „Staat“ übernimmt die Fürsorge für den sogenannten akademischen Nachwuchs. Es studiert auch die Generation der „Erben“. Gerade in Graz heißt es als Kommentar zu den letzten Wahlergebnissen: „Die Jugend wählt solange kommunistisch oder grün, bis ihr das Geld der Eltern ausgeht!“
Wer braucht uns also noch?
Wir selbst brauchen uns! Unsere freiheitliche Gesellschaft braucht uns! Unsere Freiheit als Individuen ist großen Gefahren ausgesetzt. Als politisch interessierter Beobachter der Entwicklungen der letzten Jahre steigt mir das große Grauen auf:
Die Themen können beliebig fortgesetzt werden, aber ich will uns den Abend nicht völlig verderben.
Das heißt für mich:
Unsere Gesellschaft braucht gut ausgebildete, mutige, kritische Bürger. Ich nenne sie „Selbstdenker“.
Wir dürfen also unseren, in ihrem Fall seit 160 Jahren vorgezeichneten Weg nicht verlassen. Wir dürfen nicht aufgeben! Wir sind es uns, unseren Familien und der Gesellschaft schuldig weiterzukämpfen!
Es wird nicht einfach!
Aber für die einfachen Dinge des Lebens braucht man uns ohnehin nicht.
Wir erleben einerseits ein „Neues Biedermeier“, d.h. Rückzug der Bürger ins engste Privatleben. Vielleicht aus Angst vor Bespitzelung, Meinungsterror und Gedankenpolizei. Gleichzeitig sehen wir, dass unsere vielfach „wohlstandsverwahrloste“ Jugend einen extremen Egoismus auslebt und quasi jeder nur mehr sich selbst der „Nächste“ ist, wie schon erwähnt. Für echte Bindungen und Freundschaften mit Tiefgang ist da kein Platz. Gottseidank gibt es Ausnahmen.
Ich bin überzeugt, dass das Pendel wieder in die andere Richtung schwingt. Es werden wieder mehr junge Leute die Zeichen erkennen und daher auch den Wert, die Kraft und damit die Sicherheit, die ein Corps bieten kann, schätzen. Wir werden in stürmischer Zeit als stabiler Anker für unsere Corpsgemeinschaft, aber auch für die Gesellschaft, da sein.
Wer war Skilurus? Kann man wissen, muss aber nicht. Das war ein Skythenkönig, im 2. Jh. vor Christi geboren, der 80 Söhne hatte. Von ihm stammt das Bild vom Bündel Speere, das er seinen Söhnen mit der Aufforderung sie zu zerbrechen, hinwarf. Sie schafften es nicht. Er zeigte Ihnen, wie einfach es wäre, die Speere einzeln zu zerbrechen und wies damit darauf hin, dass sie zusammenhalten müssen um unbesiegbar zu sein. Dieses Bild trifft auch heute und besonders auf uns, voll zu. Vielleicht sollten wir öfters an dieses von Plutarch überlieferte Bild denken.
Ein herzliches Glück Auf dem Corps Teutonia! Vivat – crescat – floreat in aeternam! Ad multos annos!
In Verbundenheit, Euer
Dipl.-Ing. Leopold Schöggl
AH Corps Erz Leoben