Zweites Buch:
Bearbeitet von Wilhelm Pieper, Magdeburg.
Im ersten Buch habe ich dargelegt, wie ein vollkommener Bergmann beschaffen sein soll, ferner was gegen die Bergbaukunst, gegen die Metalle und gegen die Bergleute selbst zu sprechen scheint oder für sie spricht. Nun will ich die Bergleute ausführlicher schildern. Vornehmlich müssen sie Gott gewissenhaft verehren sowie das, was ich noch anführen werde, wissen und darauf sehen, daß ein jeder seine Arbeit gehörig und gewissenhaft verrichtet. Durch Gottes Vorsehung nämlich läuft gewöhnlich denen, die sowohl wissen, was man tun muß, als auch um gute Ausführung besorgt sind, alles günstig, dagegen den ungeschickten und in der Ausführung nachlässigen alles ungünstig aus.
Niemand wird sich wohl damit begnügen, alle Teile der Bergbaukunst im Verstand zu erfassen, ohne zugleich auch Geld in die Bergwerke zu stecken oder selbst Arbeit aufzuwenden und zu verrichten. Daher legt jemand, der die nötigen Kosten aufzuwenden vermag, beliebig viel Lohnarbeiter für die verschiedenen Arbeiten an, wie einst der Thracier Sosias in die Silbergruben tausend Sklaven schickte, die ihm der Athener Nicias, des Niceratus Sohn, verdungen hatte. Wer keine Kosten aufwenden kann, der suche sich von allen Arbeiten die allereinfachste zur Verrichtung aus. Solcher Art sind vornehmlich das Ziehen von Schürfgräben und das Waschen von Seifen der Bäche und Flüsse.
[1] Unter einer Seife versteht der Bergmann Sande, in denen Erzkörner oder Edelsteine auftreten. Schürfen nennt er das Aufsuchen der natürlichen Lagerstätten nutzbarer Mineralien mittels bergmännischer Arbeiten (Schürfgräben, Bohrlöcher usw.).
Denn aus den Seifen gewinnt man oft Goldschliche, Zinngraupen oder gar Edelsteine;
[2] Schliche sind die feinen Körner reinen Erzes, Graupen die Kristalle des Zinnsteins.
und durch Schürfe legt man die Gänge
[3] Über die Gänge, d. s. Gebirgsspalten, die mit Erzen ausgefüllt sind, und ihre Einteilung s. 3. Buch.
bloß, die zuweilen unmittelbar unter dem Rasen reich an Erzen sind. Wer also durch Geschicklichkeit oder Zufall solche Sande oder Gänge findet, kann ohne große Unkosten den Gewinn ernten und mit einem Schlage aus einem armen ein reicher Mann werden. Erfüllt der Fund dagegen seine Wünsche nicht, so kann er das Waschen oder Graben bald wieder aufgeben.
Wenn jemand in dem Bestreben, sein Vermögen zu vergrößern, ganz allein Kosten in ein Bergwerk steckt, dann ist es sehr wichtig, daß er selbst bei den Arbeiten zugegen ist und mit eigenen Augen alles nachsieht, was er auszuführen angeordnet hat. Deshalb soll er entweder bei der Zeche wohnen, um stets sich den Arbeitern zeigen und dafür sorgen zu können, daß keiner seinen Dienst nachlässig versieht, oder er soll wenigstens in der Nachbarschaft wohnen und sowohl oft die Grubenarbeiten besuchen als auch häufiger, als er wirklich zu kommen beabsichtigt, den Bergleuten sein Kommen durch einen Boten ankündigen. So wird er durch sein Kommen oder durch dessen Ansage gewöhnlich jeden Arbeiter so einschüchtern, daß er seine Pflicht stets gewissenhaft tut. Er muß aber, wenn er die Grube befährt, die fleißigen Bergleute beloben und ihnen zuweilen etwas schenken, damit sie selbst und andere arbeitsfreudiger werden; dagegen muß er die nachlässigen tadeln, mitunter von der Grube ablegen und durch Fleißige ersetzen. Der Eigentümer muß sogar oftmals Tag und Nacht in der Grube bleiben. Der Aufenthalt dort soll nicht voll Muße und Behaglichkeit sein; denn für den Grubenbesitzer, der bestrebt ist, sein Vermögen zu mehren, ist es wichtig, oft in die Grube zu fahren und einige Zeit auf die Untersuchung des Verhaltens der Gänge und Klüfte zu verwenden und sowohl untertag als auch übertag alle Arbeitsweisen sich genau anzusehen und gründlich zu beobachten. Mitunter muß er auch selbst Hand anlegen, nicht um sich dadurch zu erniedrigen, sondern um die Bergleute durch seinen Eifer anzuspornen und ihnen die Kunstregeln zu zeigen; denn gut geleitet ist die Grube, in der nicht nur der Steiger, sondern auch der Eigentümer Weisungen gibt. Deshalb erwiderte, wie Xenophon berichtet, ein Perser dem König richtig: "das Auge des Herrn füttert das Pferd"; denn die Umsicht des Herrn vermag in allen Dingen am meisten.
Wenn aber mehrere Gewerken gemeinschaftlich Bergwerke betreiben, dann ist es für sie zweckmäßig und nützlich, aus ihren eigenen Reihen Bergamtleute und Steiger zu wählen. Wenn auch die Menschen gemeinhin eigene Interessen sich angelegen sein lassen und fremde vernachlässigen, können sie doch in diesem Falle nicht die eigenen Interessen ohne die fremden pflegen und die fremden ohne die eigenen vernachlässigen. Wenn nun aber keiner unter ihnen die Beschwerlichkeiten dieser Ämter auf sich nehmen will oder meistern kann, dann wird es zum Nutzen der Gewerkschaft sein, sie Männern von größter Umsicht zu übertragen. Einst wurde die Leitung der Gruben ganz durch Bergbeamte ausgeübt; denn entweder waren Eigentümer der Bergwerke Könige, wie Priamus bei den Goldgruben um Abydus, Midas bei den Gruben im Berge Berimus, ferner Gyges, Alyartes sowie Krösus bei den Gruben nahe einer verlassenen Stadt zwischen Atarnea und Pergamum; oder die Bergwerke gehörten einer Republik, wie den Karthagern die zahlreichen Silbergruben Spaniens, oder schließlich einem ausgedehnten und angesehenen Geschlechte, zum Beispiel die Gruben von Laurion den Athenern.
Für den der Kunst noch unkundigen Bergbautreibenden ist es am günstigsten, die Kosten gewerkschaftlich mit andern aufzuwenden, und zwar nicht für den Bau eines einzigen Ganges, sondern mehrerer. Denn wer allein eine einzige Grube betreibt, wird zwar, so ihm ein günstiges Geschick einen an Erzen und anderen Mineralien reichen Gang beschert, ein sehr reicher Mann; wenn aber ein widriges Geschick ihm einen armen oder tauben Gang gibt,
[4] Ein Gang ist taub, wenn er keine nutzbaren Mineralien enthält.
verliert er für immer alle aufgewandten Kosten. Wer jedoch gewerkschaftlich mit anderen Geld in mehrere Gänge einer durch Erzreichtum bekannten Gegend steckt, der büßt selten Geld und Mühe ein, sondern meist entspricht der Erfolg seinen Wünschen. Da auf jeden Fall von zwölf von einer Gewerkschaft belegten Gängen schon ein einziger an Erzen reicher Gang den Gewerken nicht nur das aufgewandte Geld wiedergibt, sondern noch einen Gewinn abwirft, so wird ganz sicher der Bergbau glänzend und einträglich für die sein, denen gar zwei, drei, vier oder noch mehr Gänge Erz schütten. Ähnlich ist der Rat, den Xenophon den Athenern auf ihre Frage gab, wie sie verfahren müßten, um neue Silbererzgänge ohne Einbuße aufzusuchen: Die Athener bilden zehn Bürgerschaften, sagte er; wenn alle Bürgerschaften vom Staat gleichviel Sklaven erhalten und die neuen Baue auf gemeinschaftlichen Gewinn und Verlust betreiben, und dann eine von ihnen einen an Silber höfflichen Gang
[5] Ein Gang ist höfflich, wenn er reiche Erze führt.
findet, so wird der Gewinn daraus unter allen Umständen allen gleichermaßen zufließen; wenn zwei Bürgerschaften, drei, vier oder gar fünf fündig werden, so wird das Unternehmen entsprechend mehr Gewinn bringen. Daß die Hoffnung alle Bürgerschaften betrügen werde, sei nach den Erfahrungen unwahrscheinlich. Dieser sehr kluge Rat des Xenophon hat aber nur in freien und vermögenden Gemeinwesen Geltung. Denn die Städte, die Königen und Fürsten hörig und oder von Tyrannen beherrscht werden, dürfen ohne deren Erlaubnis solche Unternehmen nicht wagen; und die unvermögenden sind nicht in der Lage, Kosten aufzuwenden. Auch haben die Gemeinden nach unseres Volkes Sitte keine Sklaven, die sie der Bürgerschaft verdingen könnten. Darum treibt heute die Obrigkeit im Namen der Gemeinwesen Bergbau, ganz wie Privatpersonen.
Manche Bergbaulustige aber wollen lieber Kuxe einer an Erzen reichen Grube kaufen, als sih beim Suchen nach Gängen aufregen; sie haben damit ein leichtes und sicheres Mittel, ihr Vermögen zu vergrößern. Wenn auch die auf die eine oder andere Grube gesetzte Hoffnung die Kuxenkäufer täuscht, wird sie bei mehreren Gruben doch sicher in Erfüllung gehen. Ja aus etlichen Gruben werden die Gewerken das ganze hineingesteckte Geld samt Zinsen zurückerhalten, wofern sie nur die Kuxe der ergiebigen Gruben nicht zu sehr hohem Preis erhandeln, auch nicht sonderlich viel Kuxe der noch nicht fündigen Nachbargruben kaufen, damit sie nicht, bei ungünstigem Ergebnis mit einem mal durch die Geldopfer erschöpft, nichts mehr haben, um neue Kosten aufzuwenden und andere Kuxe zu kaufen, die den erlittenen Verlust ersetzen könnten. Dieses Mißgeschick trifft Leute, die schnell durch Bergbau reich werden wollen und gar zu kauf begierig sind. Also nicht nur bei anderen Dingen, sondern auch beim Kuxenkauf müssen die Bergleute im Aufwand ein gewisses Maß halten, damit sie nicht, durch die Begierde, sehr viel Reichtümer sammeln zu wollen, verblendet, alles verlieren. Außerdem werden kluge Gewerke vor dem Kuxenkauf die Gruben befahren und das Verhalten der Gänge aufmerksam erforschen; denn davor müssen sie sich am meisten hüten, daß nicht betrügerische Kuxenverkäufer sie hintergehen. Wenn die Kuxenkäufer auch weniger reich werden, so machen sie doch sicherer ihr Glück als die, die ganz auf eigene Rechnung Bergbau treiben, weil sie den Zufälligkeiten gegenüber vorsichtiger sind. Die Bergleute dürfen auch nicht dem Glück geradezu mißtrauen, wie wir manche mißtrauen sehen, die die Kuxe einer Grube, sobald sie Wert zu bekommen beginnen, verkaufen, weshalb sie dann gar nicht oder nicht sonderlich reich werden.
Etliche Bergleute beschäftigen sich auch damit, die Halden, die einst aus den Gruben gefördert und damals geringgeschätzt wurden, sowie die Schlämme, die sich in den Wassersaigen
[6] Die Wassersaige ist ein Graben im Stollen zur Abführung der Grubenwasser.
der Stollen abgesetzt haben, zu waschen; andere schmelzen alte Schlacken. Sie ziehen daraus nicht selten sogar einen recht reichen Gewinn.
Bevor der Bergmann Gänge zu bauen beginnt, muß er siebenerlei beachten:
Erdoberflächenform, Erdoberflächenbeschaffenheit, Wasser, Wege, Klima, Landesherrschaft, Nachbar. Die vier Arten der Erdoberflächenform sind Berg, Hügel, Tal, Ebene. Von diesen sind die beiden ersten für den Bergbau am günstigsten, weil in sie Stollen für den Abfluß des Wassers getrieben werden können, das die Grubenarbeit beschwerlich oder gar ganz unmöglich zu machen pflegt. Die beiden letzteren Oberflächenformen sind ungünstiger, besonders da sie zum Stollenbau ungeeignet sind. Ein kundiger Bergmann beachtet jedoch alle vier Arten der Oberflächenform der Gegend, in der er sich aufhält, und sucht in ihnen nach Gängen, die ein Wildbach oder dergleichen durch Wegwaschen ihrer Erddecke entblößt hat. Er legt aber nicht an allen Orten die gefundenen Gänge frei, sondern wählt, da die Berge wie auch die drei anderen Oberflächenformen sich sehr ungleich verhalten, aus vielen Stellen die aus, die ihm gute Hoffnung, Reichtümer zu erwerben, geben. Die Berge zunächst sind unter sich ihrer Lage nach sehr verschieden; die einen liegen auf einer Ebene, andere in unebenem und hochgelegenem Gelände, andere scheinen anderen Bergen aufgelagert zu sein. Ein erfahrener Bergmann schlägt nicht in Berge ein, die auf freien Ebenen liegen oder die Gipfel gebirgiger Gegenden bilden, außer wenn in diesen Bergen Gänge durch einen glücklichen Zufall ihrer Decke entblößt sind und sich reich an Erzen und sonstigen nützlichen Mineralien von selbst seinem Auge zeigen. Mit dieser Ausnahme übrigens will ich, auch falls ich es nicht nochmals erwähne, stets das verstanden wissen, was alles ich über die nicht zu wählenden Orte sagen werde. Sodann liegen die Berge nicht überall dicht nebeneinander, sondern hier einer, dort zwei oder drei oder mehr; und hier erstrecken sich zwischen ihnen Ebenen, dort hängen sie zusammen oder sind nur durch Täler getrennt. Der Bergmann schürft nicht in den alleinstehenden und den über die weite Ebene lang hingestreckten oder einzeln zerstreuten, sondern nur in den mit anderen verbundenen und zusammenhängenden Bergen. Ferner sind die Berge an Größe sehr verschieden, die einen groß, andere von mittlerer Höhe, wieder andere sind mehr Hügel als Berg; der Bergmann schlägt seltener in die sehr großen und sehr kleinen ein, sondern meist in die mittelgroßen. Schließlich ist auch die Gestalt der Berge sehr mannigfach; bei den einen steigen alle Seiten sanft an, bei anderen jäh, wieder bei anderen ist eine Seite flach, eine steil; etliche sind langgestreckt, etliche bilden einen leichten Bogen, und viele sind noch anders gestaltet. Der Bergmann schlägt an allen Seiten ein, außer an den steilen Hängen; aber auch diese läßt er nicht unverritzt, wenn Erzgänge erkenntlich sind. Die Hügel sind ebenso verschieden wie die Berge; aber der Bergmann schürft in ihnen nur, wenn sie in gebirgiger Gegend liegen, und auch dann nur sehr selten. Keineswegs erstaunlich ist es, daß ein Hügel auf der Insel Lemnos gegraben wird, denn er ist ganz von rotgelber Farbe und kündigt dadurch den Einwohnern jene berühmte, der Menschheit so sehr heilsame Erde
[7] Die Lemnische Erde ist ein durch Eisenoxyd rotgefärbter, fetter Ton, der bis in unsere Zeit als innerliches Heilmittel und zu blutstillenden Umschlägen benutzt wurde.
an. Ebenso werden auch andere Hügel gegraben, wenn sich Kreide oder andere nutzbare Erden zufällig zeigen. Die Täler und Niederungen sind auch sehr verschieden. Eine Art ist an den Seiten geschlossen, hat aber offenen Eingang und Ausgang; bei etlichen ist der Eingang oder der Ausgang offen, die übrigen Seiten geschlossen. Diese beiden allein nennt man Täler. Die dritte Art, allseitig von Bergen umgeben, heißt Talkessel. Teils haben die Täler Einbuchtungen, teils nicht, und sie sind weit oder eng, lang oder kurz; außerdem liegen die einen nicht höher als die anschließende Ebene, während anderen eine tiefer gelegene Ebene vorgelagert ist. Der Bergmann gräbt nicht in Talkesseln, auch nicht in den weiten Tälern, falls nicht unterhalb eine Niederung liegt oder ein Erzgang vom Berg herab ins Tal streicht. Die Ebenen endlich unterscheiden sich dadurch, daß die einen tief, die anderen hoch liegen und daß sie entweder söhlig
[8] Söhlig bedeutet wagerecht.
verlaufen oder ein schwaches Gefälle haben. Der Bergmann schürft niemals in einer tiefen Ebene, außerdem in einer vollkommen söhligen Ebene nur, wenn sie auf einem Berg liegt; in anderen Ebenen selten.
Hinsichtlich der Oberflächenbeschaffenheit achtet der Bergmann, ehe er einschlägt, darauf, ob die Gegend mit Bäumen bestanden ist oder nicht. Wenn sie bewaldet ist und auch die sonstigen Bedingungen erfüllt sind, so setzt er dort die Grubenbaue an, denn sie bietet ihm den nötigen Holzvorrat für Grubenausbau, Künste,
[9] Als Kunst bezeichnete man früher eine bergbauliche Maschine, insbesondere solche zur Wasserhebung und Erzförderung.
Gebäude, Schmelzfeuer und sonstiges. In unbewaldeter Gegend baut er nur, wenn ein Fluß in der Nähe ist, auf dem das Holz geflößt werden kann. Wo aber Aussicht ist, gediegen Gold oder Edelsteine zu finden, gräbt er auch an unbewaldetem Ort, da er die Edelsteine nur zu schleifen und das Gold nur zu läutern braucht. Daher gewinnen die Bewohner der heißen Länder diese Mineralien in unwirtlichen, sandigen Gebieten, in denen bisweilen nicht einmal Strauchwerk und erst recht kein Wald zu finden ist.
Der Bergmann richtet sein Augenmerk auch darauf, ob die Gegend ein ständig fließendes Wasser hat, oder ob Wasser immer dann fehlt, wenn nicht vom Kamme des Gebirges ein von reichlichem Regen gespeister Gießbach herabfließt. Ein Ort, den die Natur mit einem Fluß oder Bach ausgestattet hat, ist in vieler Hinsicht geeignet; denn das Wasser wird niemals fehlen, und es kann durch hölzerne Gefluter zu den Wäschen geführt werden, von da zu den Schmelzhütten und endlich, wenn das Gelände es gestattet, in die Stollen gelassen werden, um die untertage befindlichen Künste zu treiben. Hingegen einem Ort die Wasser, die ihm von der Natur versagt sind, ständig fließend künstlich zu beschaffen, erhöht die Kosten, und zwar um so mehr, je weiter von den Gruben der Wasserlauf entfernt ist, zu dem wiederum die Bergbauprodukte befördert werden müssen.
Der Bergmann achtet ferner darauf, ob die Wege, die die Umgegend mit den Gruben verbinden, gut oder schlecht, kurz oder lang sind. Denn die an nutzbaren Mineralien reichen Orte liefern sehr oft keine Ackerfrüchte, und somit muß alles zum Lebensunterhalt für die Arbeiter und die übrigen Leute Nötige zugeführt werden. 5chlechte und lange Wege bereiten daher den Lastträgern und den Fuhrleuten viele Schwierigkeiten und erhöhen die Kosten für die zugeführten Dinge, so daß diese umso teurer bezahlt werden müssen. Den Schaden daraus haben weniger die Arbeiter als die Gewerken. Denn ob der Teuerung sind die Arbeiter mit dem üblichen Lohn nicht zufrieden, können es auch nicht sein, sondern verlangen von den Gewerken höhere Zugeständnisse; erhalten sie sie nicht, so arbeiten sie nicht in der Grube, sondern kehren ab.
Die an Erzen und anderen Mineralien reichen Orte haben meist ein gesundes Klima, da sie sehr hoch liegen und von den Winden umweht werden können; etliche jedoch sind ungesund, wie ich in meinem Buch "Über die Beschaffenheit der aus der Erde hervordringenden Dinge"
[10] De natura eorum quae effluunt ex terra libri IV, Froben, Basileae MDXLVI.
ausgeführt habe. Daher darf ein erfahrener Bergmann nicht an noch so reichen Orten bauen, an denen er die sicheren Zeichen eines ungesunden Klimas wahrnimmt. Wer an gesundheitsschädlichen Orten baut, kann plötzlich in einer Stunde vom Leben zum Tode kommen.
Auch erkundigt sich der Bergmann sorgfältig über den Herrscher oder Eigentümer des Landstrichs, ob er ein gerechter und wohlgesinnter Mann oder ein Tyrann ist. Denn dieser zwingt die Menschen unter seine Gewalt und reißt ihr Hab und Gut an sich, jener herrscht gerecht und gesetzmäßig und sorgt für das allgemeine Wohl. In einer unter Tyrannenherrschaft stehenden Landschaft legt ein Bergmann keine Baue an.
Schließlich achtet der Bergmann darauf, ob der Nachbar, dessen Ländereien an die bauwürdigen Gebiete grenzen, freundlich oder feindlich gesinnt ist. Im letzteren Falle wird ein Bergbau durch feindliche Überfälle gefährdet. Ein solcher Überfall wird alles mit großen Kosten und Mühen gewonnene Gold, Silber oder sonstige Minerale rauben und außerdem den Arbeitern solche Furcht einjagen, daß sie schleunigst fliehen werden, um sich der drohenden Gefahr zu entziehen. Dann wird nicht nur Hab und Gut, sondern auch das Leben des Bergmannes in großer Gefahr sein. Daher baut er nicht an solchem Ort. Da gewöhnlich mehrere Bergleute in derselben Gegend bauen, so entstehen auch dadurch nachbarschaftliche Verhältnisse, von denen sich der Bergmann, der als erster eingeschlagen hat, nicht freimachen kann. Es erteilt ja der Bergmeister den einen das Recht, die tieferen oder höheren Teile eines Ganges, den anderen, die Quergänge, wieder anderen, die flachen Nebengänge zu bauen. Wenn nun jemand zuerst den Bau in Angriff genommen hat und sich der Gang höfflich erweist, so empfiehlt es sich für ihn nicht, wegen unangenehmer Nachbarn den Bau wieder zu verlassen, sondern er wird mit den Waffen des Rechts das Seine erhalten und verteidigen können. Denn da der Bergmeister eines jeden Grubenbesitzers Eigentum genau abgrenzt, ist es eines guten Bergmanns Pflicht, sich innerhalb seiner Markscheiden
[11] Die Markscheide ist die Grenze des verliehenen Grubenfeldes.
zu halten, und eines klugen, sich gegen Übergriffe der Nachbarn mit Hilfe des Rechts zu wehren. Hiermit genug über die Nachbarschaft.
Der Bergmann soll also seine Grubenbaue auf einem leicht zugänglichen Gelände anlegen, das gebirgig, mit geringem Gefälle, bewaldet, von gesundem Klima, gefahrlos und nicht weit von einem Fluß oder Bach entfernt ist, mit dessen Hilfe die gewonnenen Mineralien zum Waschen und Schmelzen befördert werden können. Diese Lage ist die beste; je mehr sich ihr eine der vie1en übrigen Möglichkeiten nähert, desto besser, je mehr sie von ihr abweicht, desto schlechter.
Nun will ich von den Erzeugnissen reden, zu deren Gewinnung der Bergmann nicht zu graben braucht, weil die Kraft des Wassers sie aus den Lagerstätten freimacht. Es gibt hiervon zwei Arten, nämlich Mineralien oder ihre Bruchstücke und Lösungen oder ihre Erstarrungsprodukte. Wenn im Ausbiß der Lagerstätten, aus denen die erwähnten Produkte stammen, Quellen auftreten, so untersucht der Bergmann diese, ob sie Sande mir Erzkörnern oder Edelsteinen durchmischt oder gelöste Mineralien führen. Falls sich etwas von Erzen oder Edelsteinen in Vertiefungen der Quelläufe abgesetzt hat, so müssen die Sande nicht nur der Quellen selbst, sondern auch der von ihnen gebildeten Bäche und der Flüsse, in die wieder diese münden, gewaschen werden. Enthält das Wasser der Quellen gelöste Mineralien, so muß es aufgestaut werden; je weiter es nämlich vom Entstehungsort wegfließt und je mehr es somit reines Wasser aufnimmt, desto verdünnter wird es und desto mehr verliert es an Gehalt. Wenn die Bäche jedoch kein oder nicht viel einfaches Wasser aufgenommen haben, so gleichen nicht nur sie selbst, sondern auch die Seen, in denen sich ihre Wasser ansammeln, in der Zusammensetzung den Quellen und gewähren die gleiche Nutzung. So ist in der Tat das Tote Meer der Hebräer ganz angefüllt mit flüssigem Bitumen.
Ich kehre nun zu den Sanden zurück. Die Quellen senden ihr Wasser in das Meer oder in einen See, Teich, Fluß oder Bach. Die Sande des Meeresgestades werden selten gewaschen, denn wenn auch das von den Quellen ins Meer strömende Wasser kleine Mengen von Erzteilchen oder Edelsteinen mit sich führt, so können diese doch nicht gewonnen werden; denn sie werden, auf eine ungeheure Wassermasse verteilt und mit den Sanden innig vermischt, weit versprengt oder setzen sich in der Tiefe des Meeres nieder. Aus demselben Grunde können die Sande der Binnenseen sehr selten erfolgreich gewaschen werden; obgleich Gebirgsbäche in viele Seen und Teiche all ihr Wasser geben, gelangen doch Erzteilchen und Edelsteine kaum von den Quellen bis dorthin, weil die Binnenseen meist in weiten Ebenen liegen. Der Bergmann wäscht daher zuerst die Sande des Quells, dann die des aus ihm endstandenen Bachs und dann die des Flusses, in den der Bach mündet. Aber die Sande eines weiter entfernt vom Gebirge in offener Ebene fließenden Stromes zu waschen, ist nicht der Mühe wert. Wo jedoch mehrere Erzschliche führende Bäche in einen Fluß münden, da ist die Hoffnung auf ein erfolgreiches Waschen größer. Auch läßt ein Bergmann die Sande solcher Gewässer nicht unbeachtet, an denen in der Grube gewonnene Erze gewaschen werden.
Die Quellwasser müssen auch hinsichtlich der in ihnen enthaltenen gelösten Bestandteile gekostet werden. Da sie sich sehr durch den Geschmack unterscheiden, so beobachtet der Sieder sechs Arten von Minerallösungen: aus den salzigen siedet er das Salz, aus sodahaltigen gewinnt er die Soda, aus den alaunischen den Alaun, aus den Vitriolwassern die Vitriole, aus den schwefligen den Schwefel; und die bituminösen, aus denen das Erdwachs gewonnen wird, erkennt der Sieder schon an der Farbe. Das Meerwasser ist dem Wasser der Solquellen sehr ähnlich; es wird daher in flach ausgehobene Gruben geleitet und dort durch die Sonnenhitze von selbst zu Salz verdunstet. Auch das Wasser einiger Salzseen wird, wenn es durch die sommerliche Sonnenhitze verdunstet, zu Salz gewandelt. Ein geschäftiger und umsichtiger Mann muß auch dies sich merken und nutzen und so zum allgemeinen Wohl beitragen. Im Übrigen verdichtet die Kälte des Meeres das aus Unterwasserquellen stammende flüssige Bergwachs zu Bernstein und Asphalt, wie ich in meinem Werke "Über die Entstehung und Ursachen der unterirdischen Dinge"
[12] De ortu et causis subterraneorum libri V, Froben, Basileae MDXLVI.
ausgeführt habe. Beide Produkte wirft das Meer bei bestimmter Windrichtung auf den Strand; das Aufsammeln des Bernsteins erfordert daher ebenso wie das der Korallen eine gewisse Sorgfalt. Auch wer Seifen wäscht oder Quellflüssigkeiten siedet, muß sorgfältig die Beschaffenheit der Gegend, ihre Wege, ihr Klima, den Grundherrn und die Nachbarn erkunden, damit er nicht infolge von Schwierigkeiten in diesen Punkten vergeblich Kosten aufwendet oder Leib und Gut gefährdet. Nun genug hiervon.
Hat der Bergmann aus vielen Orten einen von Natur für den Bergbau geeigneten gewählt, so richtet er seine ganze Aufmerksamkeit und Mühe auf die Gänge. Diese sind entweder durch irgendeinen Zufall ihrer Erddecke entblößt und so unseren Augen erkennbar, oder sie sind wohl verborgen und unsichtbar und müssen kunstgemäß aufgesucht werden. Meist pflegt dieses, selten jenes der Fall zu sein, und beide Fälle sollen erläutert werden. Der Naturgewalten, die ohne des Menschen Zutun und Arbeit die Gänge entblößen, gibt es mehrere: entweder wäscht ein Gießbach die Decke weg, wie bei den Silbergängen zu Freiberg, worüber ich im ersten Buch meiner Schrift "Über alte und neue Bergwerke"
[13] De veteribus et novis metallis libri II, Froben, Basileae MDXLVI.
berichtet habe; oder die Kraft des Windes reißt Bäume, die über den Gängen wachsen, mit den Wurzeln aus; oder ein lang anhaltender starker Regen, ein Erdbeben, ein Blitzschlag, eine Schneelawine,
ein heftiger Sturm brechen einen Felsblock los:
"wie der Fels, den das Alter, vom Sturm unterstützt, vom Gipfel des Berges abbricht".
Auch das Pflügen kann Gänge freilegen; so berichtet Justinus, daß in Galecia Goldkörner durch den Pflug herausgeworfen worden seien. Ferner kann ein Waldbrand die Ursache sein, wie nach des
Diodorus Siculus Bericht bei den spanischen Silbergängen; und treffend ist jene Bemerkung des Posidonius, daß neue Keime, nämlich Silber- und Goldgruben, aus den Flammen sprossen, in denen Wälder
verbrannten. Lucretius hat dasselbe ausführlicher folgendermaßen ausgemalt:
"Das Kupfer, das Gold, das Eisen, die Masse des Silbers und das wichtige Blei wurden entdeckt, als das Feuer die riesigen Wälder auf dem hohen Gebirge verbrannte, sei es weil ein Blitzstrahl sie traf, sei es weil Krieger im Walde Feuer auf die Feinde warfen, um sie zu erschrecken, sei es weil man durch die Güte des Bodens bewogen die fruchtbringenden Äcker erweitern und Weideland schaffen oder weil man wilde Tiere töten und sich an ihrem Fang bereichern wollte; denn mit Fallgruben und Feuer zu jagen war früher gebräuchlich, als den Wald mit Netzen einzuschließen und das Wild mit Hunden zu hetzen. Wie dem auch sei und weshalb auch immer die flammende Glut mit schrecklichem Prasseln die Wälder bis auf die Wurzeln wegfraß und den Boden durch die Hitze zum Schmelzen brachte: es floß aus den glühenden Gängen, in den Vertiefungen des Bodens sich sammelnd, ein Bach von Silber und Gold, auch von Kupfer und Blei."
Der Dichter malt es also dahin aus, daß durch das Feuer nicht nur erst die Gänge freigelegt wurden, sondern auch die Metalle selbst abgeschieden worden seien. Endlich kann auch irgendeine andere Ursache Gänge erschließen; so hat ein Pferd, wenn man der Erzählung glauben darf, das Bleierz bei Goslar durch den Huf bloßgelegt. Auf solcherlei Weise schenkt uns ein glücklicher Zufall die Erzgänge.
Die verborgenen und tiefliegenden Erzgänge aber suchen wir mit Hilfe von Kunstregeln auf, und zwar richten wir unser Augenmerk in erster Linie auf die sprudelnden Wasser der Quellen, die von den Gängen nicht weit entfernt sein können, da das Wasser ihren Spalten entspringt. Zweitens achten wir auf die Ganggeschiebe, die ein Wildbach aus dem Boden wühlt, die aber nach geraumer Zeit zum Teil wieder von Erde bedeckt werden. Sobald solche Geschiebe auf der Erde oben aufliegen oder glatt sind, sind die Gänge meist weiter entfernt, da der Wildbach sie weit von den Gängen weggeführt und beim Vorwärtstreiben abgeschliffen hat. Sobald sie im Boden stecken oder rauh sind, sind sie den Gängen näher. Auch die Bodenverhältnisse sind zu berücksichtigen, denn sie sind die Ursache dafür, daß sowohl die Gänge mehr oder weniger von Erde bedeckt als auch die Geschiebe weit oder weniger weit fortgewälzt worden sind. Die Gänge, die auf diese Weise gefunden werden, pflegen die Bergleute Geschiebegänge zu nennen.
Ferner achten wir beim Aufsuchen von Gängen auf den Reif, von dem alle Gräser weiß werden mit Ausnahme der über Gängen wachsenden. Denn die Gänge strömen Wärme und Trockenheit aus, die das Bereifen des feuchten Grases verhindern, und daher sind solche Gräser mehr feucht vom Wasser als weiß vom Reif. Dies kann man an allen kalten Orten wahrnehmen, bevor die Gräser ihre volle Größe erlangt haben, also in den Monaten April und Mai, oder nach dem das Grummet gemäht ist, also im September. Wo daher feuchte Gräser sich nicht mit Reif überziehen, da befindet sich ein Gang unter dem Rasen; und wenn dieser sehr viel Wärme ausströmt, so sind die Gräser klein und von nicht frischer Farbe. Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind, deren Stamm- und Astholz schwarz oder bunt ist. Diese Erscheinungen werden durch sehr warme und trockene Ausströmungen hervorgerufen. Auch die Wurzeln werden von ihnen nicht verschont, sondern ausgedörrt und stark angegriffen; daher vernichtet der Wind solche Bäume häufiger als andere. Die Ausströmungen stammen aber von den Gängen. Wenn also irgendwo viele Bäume in einer langen Reihe zu ungewöhnlicher Zeit ihre Frische verlieren und schwarz oder bunt werden, auch durch den Sturm zu Fall gebracht werden, da ist ein Gang verborgen. Es wächst auch auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart; sie fehlen über den Zwischenmitteln und manchmal auch über anderen, sehr nahe gelegenen, Gängen. Dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden können.
Über die Wünschelrute bestehen unter den Bergleuten viele und große Meinungsverschiedenheiten, denn die einen sagen, sie sei ihnen beim Aufsuchen der Gänge von größtem Nutzen gewesen, andere verneinen es. Von denen, die den Gebrauch der Wünschelrute gutheißen, nehmen einige eine Gabel vom Haselstrauch, die sie für geeigneter als andere halten, besonders wenn der Haselstrauch über einem Gang gewachsen ist. Andere benutzen je nach dem Erz verschiedene Ruten, und zwar verwenden sie die Ruten von Hasel für die Silbererzgänge, die der Esche für Kupfererz, die der Kiefer für Blei- und Zinnerz, von Eisen oder Stahl gefertigte für Gold. Sämtlich halten sie die Enden der Rute mit zu Fäusten geformten Händen, wobei die angepreßten Finger zum Himmel sehen und die Rute mit dem Ende, in dem die beiden Zinken zusammentreffen, aufwärtsgerichtet wird. Nun schreiten sie hierhin und dorthin, kreuz und quer durch die Gebirgsgegenden. Wie sie sagen, soll die Rute, sobald sie den Fuß über einem Gang niedersetzen, sich sofort nach unten drehen und richten und ihnen dadurch den Gang anzeigen; sobald sie aber den Fuß zurückgesetzt und sich von dem Gang entfernt haben, soll die Rute wieder unbeweglich bleiben. Nach ihrer Behauptung ist die Ursache für die Bewegung der Rute die den Gängen innewohnende Kraft, und diese sei bisweilen so groß, daß sie die Zweige der nahe bei den Gängen wachsenden Bäume zu sich herabbiege. Die dagegen behaupten, daß die Rute keinem frommen und ernsten Manne nützen könne, lehnen die Kraft der Gänge als Ursache des Ausschlagens ab, weil die Rute sich nicht bei allen zu bewegen pflege, sondern nur bei denen, die sie mit Zauberformeln oder schlauen Kunstgriffen benutzen. Außerdem bestreiten sie, daß die Kraft der Gänge die Zweige der Bäume herabziehe, vielmehr sagen sie, daß die warme und trockene Ausströmung der Gänge dies bewirke. Die Anhänger der Rute entgegnen hierauf, daß die Kraft der Gänge die Rute in den Händen gewisser Bergleute oder sonstiger Menschen nicht zum Ausschlagen bringe, beruhe in einer gewissen persönlichen Eigentümlichkeit dieser Leute, die die Kraft der Gänge hemme und aufhebe. Denn die Kraft der Gänge lasse die Rute ausschlagen, so wie der Magnet das Eisen anzieht, und jene verborgene Eigentümlichkeit etlicher Menschen lähme und breche die Kraft der Gänge, so wie der Knoblauch die Kräfte des Magnets schwächt und aufhebt; denn ein mit Knoblauchsaft bestrichener Magnet zieht das Eisen nicht an, auch nicht das rostige. Außerdem ermahnen sie uns betreffs der Handhabung der Wünschelrute, die Finger nicht leicht zusammenzulegen, auch nicht heftig zusammenzupressen. Denn bei zu leichtem Anfassen sinke die Rute herab, bevor die Kraft der Gänge sie drehe, und bei zu festem Zufassen leiste die Kraft der Hände der Kraft der Gänge Widerstand und überwinde sie. Nach ihrer Ansicht trägt daher fünferlei dazu bei, daß die Rute ihre Aufgabe erfüllt. Erstens die Größe der Rute, denn die Kraft der Gänge ist nicht imstande, eine zu große Rute zum Ausschlagen zu bringen; zweitens die Form der Rute, denn wenn sie nicht gegabelt ist, kann die Kraft nicht auf sie wirken; drittens die den Gängen innewohnende Kraft, die die natürliche Eigenschaft hat, die Rute zu drehen; viertens die Handhabung der Rute und fünftens das Fehlen der dem Benutzer innewohnenden Veranlagung, die Kraft der Gänge aufzuheben. Aus all diesem pflegen sie zu schließen, daß die Rute nicht bei allen Leuten ausschlägt, werde durch ihre ungeschickte Handhabung oder durch die die Kraft der Gänge aufhebende Veranlagung des Benutzers veranlaßt, wie wir es bereits dargelegt haben. Und die Rutengänger hätten es nicht nötig, Zaubersprüche anzuwenden, sondern es genüge die richtige Handhabung der Rute und das Freisein von entgegenwirkender menschlicher Veranlagung. Die Rute könne daher einem frommen und ernsten Manne beim Aufsuchen der Gänge von Nutzen sein. Betreffs der herabgebogenen Zweige der Bäume sagen sie weiter nichts, sondern beharren bei ihrer Meinung.
Da die Sache aber strittig ist und vielerlei Meinungsverschiedenheit unter den Bergleuten erregt, so meine ich, daß sie nach ihren eigenen Eindrücken beurteilt werden muß. Der Zauberstab, mit dem die Zauberer genau wie mit Ringen, Spiegeln und Kristallen Gänge aufsuchen, kann zwar die Form einer Gabel haben, doch ist es von keinerlei Bedeutung, ob er gerade oder nach irgendeiner anderen Figur geformt ist. Denn nicht in der Gestalt der Rute steckt der Einfluß, sondern in den Zaubersprüchen der Lieder, die ich nicht wiedergeben darf, noch mag. Die Alten haben aber mit dem Zauberstab nicht nur Lebensbedürfnisse zu befriedigen gesucht, sondern auch die Gestalt von Dingen gewandelt. So haben ägyptische Zauberer Stöcke in Schlangen verwandelt, wie die Schriften der Juden erzählen. Und bei Homer verwandelt Minerva den Greis Odysseus mit dem Zauberstab plötzlich in einen Jüngling und dann wieder in einen Greis; Circe ferner verwandelt die Gefährten des Odysseus in wilde Tiere und gibt ihnen dann ihre menschliche Gestalt wieder. Merkur hat mit seinem Heroldstab Wachende eingeschläfert und Schlafende geweckt. So scheint die Rute erstmals durch das unsaubere Gebaren von Zauberern in den Bergbau gelangt zu sein; dann als fromme Männer sich von den Zaubersprüchen abwandten und sie verwarfen, wurde die Rute von dem einfachen Volk der Bergleute zurückbehalten, und die Spuren des alten Gebrauchs blieben beim Aufsuchen der Gänge erhalten.
Abb. 201: Aufsuchen der Gänge mit der Wünschelrute und durch Schürfgräben. Die Wünschelrute A. Ein Schürfgraben B.
Da aber die Wünschelruten ausschlagen, obgleich die Bergleute im Allgemeinen keine Zaubersprüche dazu sprechen, so sehen die einen als wesentlich für ihre Bewegung die Kraft der Gänge, die andern die Handhabung der Rute und wieder andere dies beides an. Aber alle Dinge, die mit der Kraft der Anziehung ausgestattet sind, drehen die Gegenstände nicht im Bogen, sondern ziehen sie auf sich zu; zum Beispiel dreht der Magnet nicht das Eisen, sondern zieht es geradeswegs an sich heran. Und wird der Bernstein durch Reiben erwärmt, so wendet er Strohhalme nicht um, sondern zieht sie einfach an sich heran. In gleicher Weise würde die Kraft der Gänge, wenn sie mit dem Magnet oder dem Bernstein gleiche Natur hätte, die Rute nicht so oft drehen, sondern nur ein einziges Mal über den Raum eines Halbkreises gedreht geradeswegs auf sich zu richten und ferner, wenn nicht das feste Zufassen des Rutengängers dieser Kraft der Gänge felbst Widerstand leisten würde, die Rute zur Erde ziehen. Wenn dies nicht geschieht, so ergibt sich notgedrungen, daß die Handhabung die Ursache für die Bewegung der Rute ist. Dies ist auch aus Folgendem ersichtlich: jene schlauen Benutzer nehmen nicht eine stabförmige, sondern eine gegabelte Rute, und zwar vom Haselbusch oder einem anderen ebenso biegsamen Holz, so daß die Rute, wenn sie nach der bei ihnen gebräuchlichen Art gehalten wird, bei einem jeden Menschen, einerlei an welchem Ort er steht, sich im Kreise dreht. Und es ist nicht erstaunlich, wenn die Rute sich nicht dreht, sobald unerfahrene sie halten; denn sie fassen ihre Enden zu fest oder zu locker. Der einfache Bergmann glaubt deshalb an die Brauchbarkeit der Wünschelrute, weil die Rutengänger manchmal Gänge durch Zufall finden. Aber viel öfter wenden sie die Mühe vergeblich auf und würden, wenn sie, in der Annahme, Gänge finden zu können, Schürfgräben zögen, ebenso mürbe gemacht wie die Gewerken schlechter Kuxe. Der wahre Bergmann benutzt, da wir wollen, daß er ein frommer und ernster Mann ist, den Zauberstab nicht, und da er ferner der Natur der Dinge kundig und verständig sein soll, sieht er ein, daß ihm die Wünschelrute nichts nutzen kann, sondern er beachtet, wie ich oben ausgeführt habe, die natürlichen Kennzeichen der Gänge.
Wenn die Natur oder ein Zufall die natürlichen Anzeichen eines Ganges an einem zum Bergbau geeigneten Ort offenbaren, so zieht der Bergmann dort Schürfgräben; andernfalls untersucht er einen Ort durch zahlreiche Schürfgräben, bis er den Ausbiß eines Ganges entdeckt. Ein schwebender Gang oder Flöz
[14] Vgl. 3. Buch Anm. 2.
jedoch wird selten durch menschliche Arbeit, sondern meist durch irgend etwas anderes entdeckt, bisweilen durch einen Schacht oder Stollen, der auf einen in die Teufe fallenden oder echten Gang getrieben wird.
Den gefundenen Gängen sowie den Schächten und Stollen gibt man Namen, und zwar entweder nach den Findern, wie zum Beispiel der Annaberger "Köhlergang" so genannt ist, weil ihn ein Köhler fand; oder nach den Gewerken, wie der "Geyr" zu Joachimsthal nach der Familie Geyr, die dort Kuxe baute; oder nach den gewonnenen Mineralien, wie der Joachimsthaler Bleigang oder der Schneeberger Wismutgang; oder nach dem Zufall, der zur Entdeckung führte, wie das "Reiche Geschub" zu Joachimsthal, das ein Wildbach bloßlegte. Öfter jedoch geben die edlen Finder den Gängen, sonderlich aber den Gruben die Namen von Persönlichkeiten, wie "Deutscher Kaiser", "Apollo", "Janus", oder von Tieren, wie "Löwe", "Bär", "Widder", "Kuh", oder von leblosen Dingen, wie "Silberkasten", "Ochsenstall", oder von etwas Lächerlichem, wie "Narrenfresser"; oder endlich einen Namen, der eine gute Vorbedeutung hat, wie "Gabe Gottes". Daß dieser Brauch, die Gänge, Schächte, Stollen zu benennen, schon in alten Zeiten geübt worden ist, erfahren wir von Plinius, der schreibt: "Es ist erstaunlich, daß die einst von Hannibal in Spanien angelegten Gruben noch heute betrieben werden und dabei noch ihre von den Findern erhaltenen Namen tragen; so heißt heute noch Baebelo die Grube, die dem Hannibal jeden Tag dreihundert Pfund Silber lieferte."