Beitrag aus "res montanarum 59/2019", der Zeitschrift des Montanhistorischen Vereins
Ein Beitrag zum montanistischen Kunsthandwerk in unserer Zeit
Hubert Kerber, Leoben
Die bergmännische Tradition lebt! Einen Bereich dieser Tradition erlebt die Öffentlichkeit vor allem um den Tag der heiligen Barbara, dem 4. Dezember, wenn über die Aktivitäten der Knappschaften, wie den Ledersprung und die Barbarafeiern berichtet wird. Ein anderer Bereich bergmännischer Tradition sind bergmännische Kunstgegenstände, Grubenlampen und Werkzeuge, sogenannte Gezähe, mit denen Bergleute und Montanisten ihre Verbundenheit zum Bergmannsstand und zum Montanwesen ausdrücken. Ein besonders Stück dieser Tradition ist das Berghäckel, von dem dieser Beitrag handelt.
Berghäckel waren einst Werkzeuge und mitunter auch Waffen der höheren Bergarbeiterschicht und entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem Standessymbol des Bergwesens. Die ursprünglich als Werkzeug verwendeten Häckel hatten einfach gestaltete beilförmige Metallteile aus Gussmetallen oder Schmiedeeisen. Die Werkzeugfunktionen ergaben sich durch Hammer, Schneide, Haken und rechten Winkel am Metallteil, sowie durch Maßeinheiten am Stiel.
Die als bergmännische Standeszeichen verwendeten Häckel waren mit Symbolen, Wahrzeichen und Schriftzügen reich verziert und konnten in ihrer Entstehung häufig bestimmten Bergbauregionen zugeordnet werden. Sie werden von Bergleuten und Montanisten als begehrte Kunstobjekte gesammelt und zu festlichen Anlässen zur bergmännischen Uniform getragen.
Vor ziemlich genau 30 Jahren bekam ich Skizzen eines modernen, aus Agricola-Motiven zusammengestellten Berghäckels auf den Tisch mit der Anfrage, ob ich dieses Stück vom Modell zum Guss umsetzen könne. Ich konnte es, war ich doch schon ein paar Jahre am Österreichischen Gießerei-Institut beschäftigt und so mit dem klassischen Former- und Gießerhandwerk bestens vertraut. Mein Dank gilt an dieser Stelle dem überaus fachkundigen und als mein Lehrmeister im Formerhandwerk wirkenden Gießereimeister Horst Höller und dem damaligen Institutsleiter Bergrat h.c. DI Erich Nechtelberger, der meine praktischen und künstlerischen Neigungen gut verstand und auf verschiedene Art und Weise unterstützte.
Seit 1987 also, nach dem damaligen großen Bergbautag, der nur alle 25 Jahre stattfindet, entstanden in meiner Modellwerkstätte und Gießerei zehn neue Berghäckel, zum Großteil als Auftragsarbeiten, einige aus eigenem Verlangen. Jedes dieser Häckel ist mit einem bestimmten Anlass verbunden und erzählt eine kleine Geschichte.
Das erste Häekel aus dem Jahre 1987 war ein Instituts-Häckel für das Institut für Bergbaukunde an der Montanuniversität Leoben, Prof. Günter B. Fett-weis gab dieses Häckel in Auftrag. Es sollte eine Auszeichnung für das Institut für Bergbaukunde, ein besonderes Geschenk für besondere Anlässe sein. Entworfen wurde es von Prof. Fettweis und Georg Brandner. Meine Aufgabe war die Modellschnitzerei, also die Herstellung eines formbaren 1:1 Modells in Originalgröße. Schon damals verwendete ich moderne, hervorragend bearbeitbare Modellkunststoffe als Modellmaterial. Nach Fertigstellung des Modells wurde das Österreichische Gießerei-Institut (ÖGI) mit der ersten Kleinserie aus Messingguss beauftragt. Vielleicht sollte ich hier anmerken, dass ich das Holzschnitzen von meinem Vater erlernt hatte und seit meinem 12. Lebensjahr damit gutes Taschengeld verdienen konnte.
Das zweiten Häckel beauftragte Prof. Eduard Czubik im Jahre 1993. Es sollte ein Jubiläumshäckel sein, das 10 Jahre seiner Professur an der Montanuniversität, 20 Jahre Zivilingenieur und 30 Jahre Diplomingenieur ausdrücken sollte und mit verschiedenen markscheiderischen Motiven versehen sein sollte. Der Entwurf entstand nach gemeinsamen Skizzen. Prof. Czubik wünschte sich das Stück aus Gusseisen, er war passionierter Sammler von Eisenkunstgussstücken. Den Guss fertigte wiederum das ÖGI, die Modellplatte der damalige Modelltischler Hintsteiner in Mürzhofen, der mir ein Lehrmeister und Unterstützer im Modellmaterialbedarf über all die Jahre war. Prof. Czubik wollte einen Beitrag zum Sammeln montanistischer Kunst leisten, eine Leidenschaft, die er bekanntlich selbst mit großer Passion pflegte. 150 Häckel wurden damals gegossen, die er bei seiner Jubiläumsfeier an Freunde und Gönner überreichte.
Als drittes Häckel entstand im Jahre 1996 dann das wohl bekannteste in der Region, nämlich das Leobener Bergmannshäckel aus der mittlerweile klaren Erkenntnis heraus, dass es in Leoben einen Bedarf an Häckeln gab.
Da ich die ersten beiden von mir gefertigten Bergmannshäckel nicht verkaufen oder verschenken durfte, sie standen ja im Eigentum der Auftraggeber, entschloss ich mich im Jahre 1995, einen Leobener Häckel zu entwerfen und selbst zu gießen. Die Umsetzung erfolgte dann 1996. Durch Zufall ergab sich bei diesem Projekt eine Zusammenarbeit mit DI Josef Müllner, eine in montanistischen Kreisen bekannte Persönlichkeit. Ich kannte ihn aus meiner Studienzeit und er war mir als Sammler von Mineralien und bergmännischem Gezähe in Erinnerung. Er hatte schon viel früher die Idee eines Leobener Häckels, wie er immer wieder betonte. Aber irgendwie dürfte es doch an der Umsetzung gescheitert sein. Schließlich benötigt man für ein solches Projekt einen Künstler, der den Entwurf fertigt, einen Modellbauer, der das Modell bis zur Gießbarkeit vollendet und einen Gießer, der den Metallteil erzeugt. Drei Handwerksberufe also, die ich zum damaligen Zeitpunkt schon für mich beanspruchen konnte. Josef Müllner kannte natürlich schon eine große Anzahl montanistischer Kollegen und Freunde, die ein neues Häckel haben wollten. Wir gingen ein paar Jahre einen gemeinsamen Weg.
Das Leobener Häckel ist reich verziert mit Motiven von Leoben, Göß und Donawitz auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit dem Wappen und dem Schriftzug der Alma Mater Leobensis.
Auf das Leobener Häckel wurde auch der damalige Direktor des Steirischen Erzberges, Herr DI Harold Umfer aufmerksam. In seiner fallweise trockenen Tiroler Art meinte er zum Leobener Häckel: „Der ist, nicht schlecht, aber er hat zu wenig vom Erzberg", und das war somit auch die Geburtsstunde für das neue Erzberg Häckel.
Dieses entstand 1997 und wurde bei der damaligen Barbarafeier der bergmännischen Öffentlichkeit vorgestellt. Seit 1997 erhalten die Ehren-Bergleute vom Erzberg dieses Häckel, wenn sie den Sprung über das Arschleder vollzogen haben.
Eigentlich war mir in dieser Zeit nicht langweilig mit der Häckelproduktion. Ich merke an, dass ich in dieser Zeit selber laufend dazu lernte und mittlerweile die Schmelzerei und Gießerei selbst beherrschte. So etwas Besonderes war das aber auch wieder nicht, denn schließlich kannten diese Technik auch schon die Gießer des Ötzi-Beiles vor über 5000 Jahren.
Mein damaliger Chef, Bergrat Nechtelberger, ermöglichte es mir in dieser Zeit, den Gewerbeschein des Metallgießens zu machen, sodass ich meinen künstlerischen Neigungen freien Lauf lassen konnte.
Dann kam das geschichtsträchtige Jahr 1999. Dieses Jahr war ein besonderes Jubiläumsjahr meiner Geburtsstadt Schwaz, 100 Jahre Stadterhebung feierten die Schwazer, und für mich war schon ein paar Jahre vorher klar — kannte ich dieses Datum doch noch aus meiner Schulzeit — dass ich dieses Jubiläum mit einem Schwazer Häckel unterstreichen wollte.
Doch im Jahre 1999 gab der Eiblschrofen, ein Teil des historischen Bergbaugebietes am Falkenstein, ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Tonnenschwere Felsbrocken lösten sich oberhalb der Geröllhalden und brachten nicht nur die Bewohner, die am Fuße der Geröllhalden in einer Siedlung wohnten, in Bedrängnis sondern auch die Stadtgemeinde, die für diese Wohnsiedlung verantwortlich war.
Im Schwärzer Bergwerk wurde bis zu diesem Zeitpunkt Dolomit untertage abgebaut und in feiner Körnung für den Straßenbau aufbereitet. Mit täglichen Sprengungen im Berg geschah dies und diese Sprengungen wurden verantwortlich gemacht für die äußeren Lebenszeichen und das Abbröckeln des Eiblschrofens. Der damalige Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, Dr. Johann Farnleitner, schloss damals das Schwazer Dolomitbergwerk für immer. Es stand im Besitz der Montanwerke Brixlegg. Das Schaubergwerk wurde nur vorübergehend geschlossen.
Ich bangte um die Sinnhaftigkeit meines geplanten Schwazer Häckels, entschied mich aber dann doch, es fertigzustellen. Ich wollte es bei der Barbarafeier vorstellen, die die Mitarbeiter des Schaubergwerkes jedes Jahr veranstalteten. Genau zur Barbarafeier 1999 wurde das Stück fertig. Es zeigt Motive der Stadt Schwaz, die gotische Pfarrkirche in der Mitte, die Barbara vom Pfundenplatz, Schloss Freundsberg über Schwaz stehend und den Silberstier, der der Sage nach einen Erzschurf ausgelöst haben soll. Auf der anderen Seite befinden sich Motive aus dem Schwazer Bergbuch von 1556.
In diesem Bergbuch sind viele Tätigkeiten aus dem Bergbau in Miniaturen dargestellt. Ich entschied mich für die Häuer einer Lehenschaft, sowie für den Taghutmann und den Nachthutmann. Schwaz wurde ja die „Mutter der Bergwerke" genannt und beherbergte in der Blütezeit des Bergbaues an die 30000 Knappen. Nach dem reichen Silber- und Kupfersegen verarmte Schwaz. Die Pest machte Schwaz zu schaffen, und im Jahre 1809, durch den Brand in den Franzosenkriegen wurden Schwaz, Vomp und Fiecht zerstört.
Schwaz blieb lange arm und wurde erst im Jahr 1899 zur Stadt erhoben. Bei der Barbarafeier 1999 war auch der damalige Berghauptmann Dr. Mernig mit dabei. Als wir uns das erste Mal bei der Begrüßung gegenüber standen, schaute er mich an und meinte „Sie sind der Häckler" — und er hatte damit Recht.
Im Jahre 2005 ging es an das nächste Häckel. Hier gesellte sich ein Künstler dazu, Helmut Morokutti,
Sohn des Künstlers Simon Morokutti, beide Mitglieder des Knappschaftsvereins „Steirerherzen" Seegraben. Sohn Helmut schnitzte in filigraner Arbeit ein eigenes Häckel für seine Seegrabener Steirerherzen mit Motiven aus dem Bergbau Seegraben, dem Richardschachtturm, Leobener Schwammerlturm und Bergleuten, die untertage tätig sind. Die Form hatte er von einem historischen Original übernommen. Ich durfte dieser Schnitzarbeit den weiteren Weg zum formbaren Modell und zum fertigen Gussstück bereiten.
2008 nun führten Gespräche mit dem damaligen Leiter des LD-Stahlwerks in Donawitz, Herrn DI Schöllnhammer, zu Skizzen und letzten Endes zur Vollendung eines neuen Donawitzer Häckels. Es ist ein Häckel, das in etwas vereinfachter, veränderter, moderner Form ausgeführt ist, was sich von nun an in allen neuen Häckeln zeigt. In diesem Häckel ist symbolisch der Weg des Erzes vom Erzberg über den Hochofen, zur Torpedopfanne, zum LD-Stahlwerk, zur Stranggussanlage und zu den Endprodukten der Hütte Donawitz dargestellt.
2012 wurde ein Häckel für die Berg- und Hüttenschule in Leoben gestaltet, auf dem Johann Hippmann, der Gründer der Schule 1865 dargestellt ist, weiters mit Motiven der Stadt Leoben, des Montanwesens und auch einer heiligen Barbara.
Bei allen Häckeln dieser Region finden sich Motive der Eisen- und Stahlmetallurgie, was natürlich naheliegend ist, in Kombination mit der Stadt Leoben und der Montanuniversität in unterschiedlichen abgeänderten Formen.
2013 nun kam zu einer Neuauflage eines Radmeisterhäckels aus Vordernberg. Dieses habe ich einem Original nachempfunden, von dem es nur noch wenige gibt. Mein neu angefertigtes Häckel trägt Gerhard Zach, der der Knappschaft Vordernberg vorsteht. Vorbild dafür war eine Zeichnung von Max Tendier mit Vordernberger Radmeistern in historischer Tracht um 1850.
In einigen Bildern mit kurzen Beschreibungen sind nun die einzelnen Herstellungsschritte eines Berghäckels und des Stiels dargestellt. Für mich ganz besondere Bilder zeigen die Faszination der Schmelze, die mich auch nach vielen Jahren immer von neuem in Bann hält und mir großen Respekt abverlangt.
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Gussform aus feinem roten Modellsand
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Der Schmelzprozess: Stückiges Metall einsetzen
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Den vollen, gießfertigen Tiegel ziehen... Hier ein 2-Liter-Tiegel mit 15 kg Bronze
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Zur Freude des Gießers rinnt die Schmelze mit Schwung in die Form
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Gelungener Abguss in der Form
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Weitere Schritte der Fertigstellung
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Feinhobeln des Stieles
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Verkeilen des Stieles
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Einkleben des "Nagels"
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Nach der Endpolitur und dem Einschlagen der Masseinheiten am Stiel ist das Häckel fertig
Fotos: Philipp Jakesch und Hubert Kerber
Autor:
Dipl.-Ing. Hubert Kerber
Sachbearbeiter Eisenguss und Formstoffe
Österreichisches Gießerei-Institut (ÖGI)
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