Peter Hauser Cisariae, Tiguriniae
CORPS - Das Magazin Ausgabe 4/2020
Die Säbelmensur war sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz und in Österreich stets ein Ehrenzweikampf. Zum Säbel wurde nie ohne vorangegangene Beleidigung gegriffen. Es gab nie und nirgends Verabredungs- oder Bestimmungsmensuren auf Säbel. Obwohl die Begriffe Duell und Mensur auseinanderzuhalten sind, sprechen die meisten Paukcomments von der Säbelmensur und nicht vom Säbelduell. Die Säbelmensur ist untrennbar mit dem Prinzip der unbedingten Satisfaktion mit der Waffe verbunden. Auf einen kurzen Nenner gebracht kann man sagen, dass nach dem Grundsatz der unbedingten Satisfaktion mit der Waffe im Falle einer Beleidigung unbedingt eine Forderung erfolgen oder angenommen werden muss, wenn sie nicht vorher durch Revokation (Rücknahme) und Deprekation (Abbitte) oder Ehrenerklärung ausgeglichen wurde. In Deutschland ist die unbedingte Satisfaktion mit der Waffe seit dem Wiederaufleben des Waffenstudententums 1949/50 als Verbandsprinzip abgeschafft. Die Genugtuung mit der Waffe wird dagegen noch in fast allen schlagenden Korporationen Österreichs zumindest de facto anerkannt. Der Schweizerische Waffenring (SWR) ist der einzige Verband, in welchem das Prinzip in den Statuten noch immer verankert ist.
Der aus dem Orient stammende Säbel ist ursprünglich eine militärische Waffe. Studenten duellierten sich mit dem Schläger oder mit Stoßwaffen, während militärische Duelle entweder mit dem Säbel, dem Degen oder mit der Pistole ausgetragen wurden. Universitätsstädte waren aber oft auch Garnisonsstädte und Studenten und Offiziere sich nicht immer wohlgesinnt. Die Studenten übernahmen den Säbel als Duellwaffe unter sich. Den ältesten mir bekannten Beleg für die Verwendung des Säbels im studentischen Bereich habe ich im SC-Comment von Landshut von 1809 gefunden. Als studentische Duellwaffe durchgesetzt hat sich der Säbel ungefähr ab 1825.
Der zweite Weltkrieg beendete in Deutschland das Duellfechten mit dem Säbel. Daran ändert nichts, dass in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg noch einige wenige Säbelpartien stattgefunden haben. Die letzte Säbelmensur in der Schweiz stieg 1970. In Österreich wird nach wie vor an der Tradition des Säbelzweikampfs festgehalten. Im Baltikum dagegen waren nur der Schläger und die Pistole commentmäßige Waffen, nicht aber der Säbel. Seit jeher sollte nur bei schwerwiegenden Anlässen auf Säbel gefordert werden. Darüber zu wachen war die Aufgabe der Ehrengerichte. In Deutschland und in der Schweiz bedurfte seit den 1870er-Jahren jede Mensur auf Säbel oder Pistole zwingend der Genehmigung durch ein Ehrengericht. In Österreich herrschten lange Zeit klare und einfache Verhältnisse: Es gab keine studentischen Ehrengerichte nach deutschem oder schweizerischem Vorbild, d.h. mit Schlichtungsfunktion. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs haben sich aber auch in Österreich die Anschauungen gewandelt, es finden Ehrengerichtsverfahren statt.
Früher war man im Bereich der Ehre sehr empfindlich. Ob in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz: Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde manchmal aus nichtigem Anlass auf Säbel gefordert. Einige wenige Beispiele aus der besonders gut dokumentierten Praxis des Tübinger SC in der Zeit von 1882 bis 1889 sollen das untermauern. Genehmigt wurden Säbelforderungen bei folgenden Äußerungen oder Anlässen: "Ihr Verhalten macht einen traurigen Eindruck!" - "Sie sind ja doch ein Kneifer!" - "Sie unverschämter Esel!" - Soll ich Sie ohrfeigen?" und wegen Fixierens (unverwandtes, provozierendes Anstarren) eines anderen. Mindestens "säbelwürdig" waren ohne Ausnahmen Realinjurien, wobei schon das Androhen von Schlägen oder die Feststellung "Betrachten Sie sich als geohrfeigt" genügte, vor allem, wenn Dritte Zeugen des Affronts wurden. Wer auf einen erhaltenen oder angedrohten Schlag oder eine andere schwere Beleidigung nicht Genugtuung mit der Waffe verlangte, war bis zum Ersten Weltkrieg in Deutschland und in Österreich als Kneifer gesellschaftlich abgeschrieben. Offizieren drohte trotz des Duellverbots die Degradierung oder der Abschied.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen leichten und schweren Säbelmensuren. Die Worte "leicht" und "schwer" beziehen sich nicht etwa auf das Gewicht der Waffe, sondern auf die Art der Schutzvorrichtungen (zum Beispiel Bandagen). In Deutschland und in der Schweiz ist die Schwere der Säbelmensur im Paukcomment geregelt. Der Comment sagt genau, welche Schutzvorrichtungen erlaubt sind. Am augenfälligsten sind die Unterschiede bei der Länge des Paukschurzes im Brustbereich und bei der Breite der Blößen am fechtenden Arm (je 6 cm am Unter- und Oberarm bei leichten, 8 oder gar 10 cm bei schweren Partien). In Österreich dagegen ist es, abgesehen von ein paar Grundregeln in den Duell-Codices (z.B. Bolgár, Busson), Sache der Vertreter, die Art der Schutzwaffen (Bandagen, Brille etc.) und die Klingenstärke zu vereinbaren. Es wird dort mit dem Säbel oft mit bloßem Oberkörper oder nur in einem ungestärkten Leinenhemd, zum Teil sogar ohne Brille und stets ohne Armschutz gefochten.
Säbelmensuren in Deutschland und der Schweiz gehen auf eine bestimmte Anzahl Gänge mit begrenzter Anzahl Hiebe pro Gang oder bis zur Abfuhr. In der Schweiz sind es 50 Gänge, der Gang zu mindestens fünf Hieben inklusive Anhieb. In Deutschland waren es in der Regel Forderungen auf 60 oder 80 Gänge. Die österreichische Säbelmensur geht in der Regel nicht auf eine bestimmte Anzahl Gänge, sondern grundsätzlich bis zur Kampfunfähigkeit. Mit dem Säbel wurden auch Pro-Patria-Suiten ausgetragen, außer im KSCV. Dort waren es Säbelchargenforderungen mit drei Partien. Als Grund für eine Säbel-PPS brauchte es wenig. Eine zwölfgliedrige Säbel-Suite im Jahre 1923 in Halle zum Beispiel zwischen der Sängerschaft Friedericana und der Landsmannschaft Neoborussia hatte den Grund darin, dass due Neupreußen in einer Gartenwirtschaft für die auf der Saale rudernden Sängerschafter hörbar gesungen hatten: "Wir sind dich kein Gesangverein."
Die deutsche und schweizerische Säbelmensur mit dem Korbsäbel ist halb beweglich, während man mit dem rechten Bein einen Ausfallschritt machen darf und, um den Gegner zu treffen, auch machen muss. Hinter dem Standfuß wird auf dem Boden ein Kreidestrich gezogen, um den hinaus unter keinen Umständen gewichen werden darf. Man spricht deshalb auch von gestrichender Mensur.
Das österreichische Säbelduell dagegen wird auf freier Mensur ausgetragen. Die für die Paukanten reservierte Kampffläche sollte 15 Meter, keinesfalls weniger als 10 Meter lang und mindestens 7 Meter breit sein. Wird ein Paukant an die Wand gedrängt, so darf aus diesem Grund nicht Halt gerufen werden.
Die Waffe des studentischen Säbelzweikampfes in Deutschland und in der Schweiz ist der deutsche Studentensäbel, wegen des großen Korbes auch Korbsäbel genannt. Merkmal jedes Säbels ist die gekrümmte Klinge. Zum Unterschied zwischen geraden und krummen Klingen ist zu sagen, dass eine gerade Klinge leichter trifft, während man mit der krummen Klinge einerseits die gegnerischen Hiebe wirksamer abwehren und andererseits den Gegner schwerer verletzen kann, denn der Säbel erhält durch die Krümmung einen Zug und schneidet tiefer. Anders als beim Schläger ist die Säbelklinge nur an der Vorderseite und bis zur Mitte geschliffen, denn Hiebe mit der Rückschneide waren in Deutschland und sind in der Schweiz ebenso verboten wie der Stich.
Die in Österreich bei Zweikämpfen gebräuchliche blanke Waffe ist der österreichische Säbel, den man auch französischen oder italienischen Säbel nennt. Er ist mit etwa 600 Gramm Gewicht viel leichter und seine Klinge etwas weniger gekrümmt als die des deutschen Korbsäbels. Der kleine Korb aus starkem Eisenblech lässt die Faust an beiden Seiten offen (Muschelkorb), schützt die Hand also weniger. Die Klinge ist auf beiden Seiten geschliffen, denn Hiebe mit der Rückschneide des Säbels sind in Österreich erlaubt und wegen ihrer Wirksamkeit beliebt.
Zur Säbeltechnik ist zu sagen, das in Deutschland und in der Schweiz die Mensur abgemessen wird, indem die Paukanten Grundstellung annehmen und mit seitwärts ausgestrecktem Arme so lange aufrücken, bis die Spitze des Säbels den Korb des Gegenpaukanten berührt.
In Österreich wird der Säbelzweikampf auf freier oder fliegender Mensur ausgetragen. Beim österreichischen Säbelduell ist jede Auslage, jeder Hieb und jede Stellung gestattet. Die Paukanten können sich im Lokal fast völlig frei bewegen, Vor- und Zurückspringen ist erlaubt. Dass die österreichische Säbelmensur eine gefährliche Sache sein kann, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Mensur mit dem deutschen Korbsäbel gilt dagegen als vergleichsweise "ungefährlicher Sport". Die Tatsache, dass bei Säbelpartien überall nicht bloß ein Medizinstudent als Paukarzt wirken darf, sondern immer ein approbierter Arzt verlangt wird, zeigt aber ohne Weiteres, dass bei Säbelmensuren ernsthafte Verletzungen vorkommen können. Bekannt sind bei Säbelmensuren auch sogenannte Klinikabfuhren. Trotzdem darf festgestellt werden, dass die Schutzmaßnahmen selbst bei schweren Partien mit dem deutschen Korbsäbel tödliche Verletzungen ausschließen. Trefferflächen beim Fechten mit dem deutschen Korbsäbel sind der Kopf, die Brust und der fechtende Arm des Gegners, beim österreichischen Säbel dagegen grundsätzlich der ganze Körper. Armhiebe haben immer wieder zu schlimmen Verletzungen und Folgen auch beruflicher Art geführt. Für einen angehenden Arzt, Zahnarzt oder Musiker zum Beispiel konnte ein Armhieb das vorzeitige Ende der beruflichen Laufbahn bedeuten. Sie kamen aber trotzdem vor, mit zum Teil bösen Abfuhren. Doch man nahm früher beim Duellfechten jedes Risiko in Kauf. Wer den rechten Arm nicht mehr gebrauchen konnte, paukte sich eben links ein. Ging auch das nicht mehr, wurde man "Pistolenbursche".
Im späten 19.Jahrhundert und bis zum Zweiten Weltkrieg war der Besuch des Säbelfechtbodens oder eines Säbelkurses beim Fechtmeister für Chargierte immer und für die übrigen Corpsburschen meistens Pflicht. Chargierte mussten in der Lage sein, binnen dreimal 24 Stunden auf Schläger oder Säbel anzutreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es in der Schweiz bis in die 1960er-Jahre üblich, dass wenigstens Sekundanten mit dem Säbel vertraut sein mussten, denn Sekundantencontrahagen wären damals in der Regel mit dem Säbel ausgetragen und vor die nächste Partie nach Tagesfechtplan eingeschoben worden. Sonst aber gab beziehungsweise gibt es für Säbelmensuren überall eine Einpaukzeit von in der Regel sechs bis zehn Wochen.
Aus heroischen Schilderungen von Alten Herren, zum Teil auch aus der Literatur, könnte der Eindruck entstehen, als habe im 19.Jahrhundert und bis in die 1930er-Jahre fast jeder Waffenstudent mindestens einmal auf Säbelmensur gestanden. Dieser Eindruck täuscht. Mehr als 90 Prozent aller seit 1890 aktiv gewesenen Corpsstudenten Deutschlands haben im scharfen Gang nie einen Säbel in der Hand gehabt. In Deutschland lag die durchschnittliche Säbelquote, also die Zahl der Säbelpartien im Verhältnis zu allen geschlagenen Partien bei etwa 8 bis 10 Prozent, selten darüber. Am säbelfreudigsten war man eindeutig in Österreich. Etliche schlagende Verbindungen, vor allem Burschenschaften, brachten es auf Säbelquoten von 25 und mehr Prozent. In der Schweiz waren die Verhältnisse von 1890 bis 1945 ähnlich denjenigen in Deutschland. Die Säbelmensur ist in Deutschland seit 1945 ganz, in der Schweiz und Österreich praktisch Geschichte. Die Bestimmungen über die Säbelmensur sind nur noch von historischem Interesse. Trotzdem sollte jeder Waffenstudent etwas über die Säbelmensur wissen. Denn sie ist Teil der studentischen Fechtkultur.