Quelle:
Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft (ÖMG) 152 (2006)
Otto (Carl Ehrenfried) Santo-Passo (1873-1949)
Sein Leben und Wirken für das Österreichische Montanwesen
von
Franz Pertlik & Rolf Santo-Passo
Otto (Carl Ehrenfried) Santo-Passo erblickte am 10. August 1873 als Sohn des Otto (Carl Ernst) Santo-Passo und seiner Gemahlin Alma Ottilie Hedwig (geb. Kadler) in Bautzen, Sachsen, das Licht der Welt. Sein Vater lehrte zu dieser Zeit als Professor für Bildhauerei und Malerei an der Malerakademie in Leipzig. Noch vor der Jahrhundertwende übersiedelte die Familie in das Staatsgebiet der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, wo sein Vater zuerst in Brünn, später in Graz als Professor tätig war.
Santo-Passo absolvierte mit gutem Erfolg das „k.k. Erste Gymnasium“ in Brünn, von welchem ihm am 11. Juli 1894 das sogenannte Maturitätszeugnis ausgestellt wurde. Mit dem Studienjahr 1894/95 begann er seine akademischen Studien an der k.k. Bergakademie in Leoben (heute Montanuniversität Leoben). Den Abschluss seiner Studien bestätigten folgende Zeugnisse: das Staatsprüfungszeugnis für das Bergwesen am 27. Juli 1898 (mit Auszeichnung), jenes für das Hüttenwesen am 29. Juli 1899, sowie weiters am 1. Oktober 1902 das Absolutorium der Fachschulen sowohl für das Berg- als auch für das Hüttenwesen.
Im Wintersemester 1901/02 immatrikulierte Santo-Passo an der Universität Wien, im Sommersemester 1903 an der Universität Graz, jeweils an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, und beendete dieses Studium am 31. Juli 1905 mit dem Absolutorium, ausgestellt von der Universität Graz. Seine Promotion zum Dr. jur. erfolgt am 13. Juni 1911 ebenfalls an der Universität Graz.
Aufgrund des Erlasses des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 30. November 1938 wurde Santo-Passo mit Dekreten vom 22. März 1939 und 28. März 1939 das Recht bescheinigt, den akademischen Grad „Diplom-Ingenieur“ im Gebiete des Deutschen Reiches zu führen.
Er verstarb am 3. September 1949 in Hall in Tirol und ist auf dem evangelischen Friedhof St. Peter in Graz in einem Familiengrab beerdigt. Ein kurzer Nekrolog wurde von HAASE (1950) veröffentlicht. Zu bemerken ist, dass in den heute noch vorliegenden Dokumenten unterschiedliche Schreibweisen des Familiennamens aufscheinen. Auf Wunsch eines der Autoren (R. S.-P.) fand in vorliegendem Artikel die heute in der Familie übliche Schreibweise Verwendung.
Seine erste Anstellung trat Santo-Passo am 1. Jänner 1900 an. Die Direktion der Steinkohlengewerkschaft Charlotte in Czernitz, Oberschlesien, stellte ihn als Adjunct, der Direktion der Gewerkschaft zugeordnet, ein. Nach seinem freiwilligen Ausscheiden aus diesem Dienstverhältnis mit 1. Jänner 1902 trat er am 1. März 1902 in die Dienste der Brüxer Kohlen-Bergbau-Gesellschaft. Dieses Anstellungsverhältnis endete mit 15. November 1902.
Der Wortlaut des Dienstzeugnisses dieser Gesellschaft sei hier wörtlich wiedergegeben (N.N., 1902):
Dienstzeugnis
Der gefertigte bevollmächtigte Stellvertreter des Centraldirectors der Brüxer Kohlen-Bergbau-Gesellschaft bestätigt hiemit, daß
Herr Bergingenieur Otto Santo-Passo
vom 1. März 1902 bis 15. November 1902 in Diensten der genannten Gesellschaft beim Bergbaubetriebe in praktischer Verwendung gestanden ist.
Herr Santo-Passo wurde während dieser Zeit als Assistent des mitgefertigten Betriebsleiters unseres Doblhoff III-Schachtes verwendet, hat sich den ihm übertragenen Aufgaben stets mit besonderem Eifer gewidmet, so daß wir uns über seine Dienstleistung in jeder Hinsicht nur äußerst lobend aussprechen können; insbesondere muß seine Mitwirkung bei der Bewältigung der Folgen der am 30. April 1902 auf dem Doblhoff III-Schachte stattgefundenen Brandgas-Explosion anerkennend hervorgehoben werden.
Der genannte Herr verließ unsere Dienste anläßlich seines Übertrittes in den Staatsdienst.
Brüx, am 10. November 1902
Der vorgesetzte Betriebsleiter:
(unleserlich)
Brüxer Kohlen-Bergbau-Gesellschaft
Für den Centraldirector:
(unleserlich)
Bei der hier dokumentierten verheerenden Brandgasexplosion kamen dreizehn Bergleute ums Leben, zwei Mann waren schwer verletzt worden. Die im Jahre 1891 in den Besitz der Brüxer Kohlenbergbau-Gesellschaft übergegangene Schachtanlage „Doblhoff III“ hatte um diese Zeit mehrere Haupteinbaue: den in den Jahren 1880-1882 abgeteuften und zu einer Förderanlage ausgestalteten Doblhoff III-Schacht, den im Jahre 1882/83 abgeteuften Wetterschacht III und den 1890 niedergebrachten Hilfsschacht „Doblhoff IV“. Im Jahre 1900/01 wurde der „Neuschacht“ fertig gestellt, und zur Zeit der Katastrophe war ein weiterer Einbau, der Doblhoff VI-Schacht bei der Ortschaft Sobochleben, bis auf die Kohle niedergebracht worden (HUMMEL, 1903).
Wie aus dem zitierten Dienstzeugnis weiters ersichtlich, wurde Santo-Passo nahtlos in den Staatsdienst übernommen und in den folgenden Jahren als Beamter der k.k. Berghauptmannschaft Klagenfurt, den Revierbergämtern Cilli, Graz und Leoben zugeteilt. Mit Erlass des k.k. Ministers für öffentliche Arbeiten vom 16. Juli 1912 und Dekret der k.k. Berghauptmannschaft Klagenfurt vom 27. Juni 1912 erfolgte seine Ernennung zum Revierbergbeamten in Leoben, wo er die Nachfolge des scheidenden Oberbergkommmissärs Dr. Felix Busson antrat. Mit diesem Dekret war auch der Auftrag verbunden, Vorträge (entspricht heute Lehraufträgen) über Berg-, Vertrags- und Wechselrecht an der k.k. Montanistischen Hochschule in Leoben zu halten .
Als Einjährig-Freiwilliger dem k.u.k. 8. Infanterie-Regiment („Erzherzog Karl Stephan“) unterstellt, wurde Santo-Passo am 25. Juli 1914 zur Armee eingezogen (N. N. 1937). Vorerst dem steirischen Landsturm zugeteilt und mit der militärischen Leitung der steirischen Bergbaubetriebe in Rabenstein bei Frohnleiten, Kraubath, Kalwang und Öblarn betraut, erfolgte durch die k.u.k. Bergwerksinspection des k.u.k. Kriegsministeriums mit 10. Dezember 1915 seine Kommandierung zum Bergwerksinspektor der Gruppe I für die Alpenländer mit Istrien und Dalmatien. Mit 4. Juli 1917 wurde er zum Bergrat der VII. Rangklasse ernannt.
Für seine Verdienste in dieser Zeit verlieh mit Allerhöchster Entschließung vom 31. Oktober 1917 seine k.u.k. Apostolische Majestät Kaiser Karl allergnädigst dem Oberleutnant a. D. Dr. jur. Otto Santo-Passo in Anerkennung vorzüglicher Dienstleistung während der Kriegszeit „Das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille“ [sic!]. Es kann angenommen werden, dass aufgrund des sich abzeichnenden Ende des Krieges mit „Dekret Nr. 3028 von 1918, Abt. 25 des k.u.k. Kriegsministeriums“ am 30. März 1918 sein Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erfolgt (wörtlich):
An Seine Hochwohlgeboren Herrn Bergrat Dr. Otto Santo-Passo in Wien IX, k.k. Ministerium f. öffent. Arb.
Anläßlich Ihres Scheidens von dem Dienstposten eines Bergwerksinspektors des k. u. k. Kriegsministeriums spreche ich Euer Hochwohlgeboren für die ausgezeichneten Dienste, die Sie der Heeresverwaltung durch unermüdliche und pflichtgetreue Obsorge für die Aufrechterhaltung und Hebung der Produktion bei den Bergbaubetrieben der österreichischen Alpenländer geleistet haben, den Dank und die vollste Anerkennung aus.
(Unterschrift unleserlich)
Mit Erlass vom 30. Juli 1918 wurde Santo-Passo jedoch bereits wieder in den Dienst gestellt und zum Revierbeamten des Revierbergamtes Hall in Tirol ernannt. Zu bemerken ist, dass der das Dekret unterzeichnende k.k. Berghauptmann und Hofrat Josef Gattnar in den Jahren 1890 bis 1902 als Leiter des Revierbergamtes Brüx Vorgesetzter von Santo-Passo war (ROTKY, 1930).
Zu Beginn des Jahres 1928 erfolgte seine Berufung an die Oberste Bergbehörde in Wien (N.N. 1928), der er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1937 als Ministerialrat im Bundesministerium für Handel und Verkehr angehörte. Aus Anlass seiner Pensionierung wurde ihm vom Bundespräsidenten des Bundesstaates Österreich, Wilhelm Miklas, im Amtswege über das Bundesministerium für Handel und Verkehr (Präs. Z. 11.152 - 1937), mit 24. Dezember 1936 das „Komturkreuz des Oesterreichischen Verdienstordens“ verliehen.
Santo-Passo übersiedelte nach seiner Pensionierung nach Hall in Tirol. Er hatte dort seine Wohnung auch während des Dienstes in Wien, nicht zuletzt wegen seiner Verbundenheit mit dem Land Tirol, weiterhin beibehalten und Mitgliedern seiner Familie zur Verfügung gestellt. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges als Berghauptmann wieder zum Dienst verpflichtet, war er bis Kriegsende Leiter des Revierbergamtes in Hall in Tirol. Erst 1945, im 72. Lebensjahr, war es Santo-Passo vergönnt, sich seinen wissenschaftlichen Arbeiten und seiner Leidenschaft, der Mineralogie, für wenige Jahre widmen zu können.
Wie aus einer Rechnung der Firma Dr. F. Krantz in Bonn vom 11. Juli 1914 hervorgeht, war Santo-Passo bereits in Leoben als „Sammler“ auf dem Gebiete der Mineralogie tätig. Diese Sammlerleidenschaft sollte ihn bis zu seinem Tode nicht mehr loslassen. Seine Mineraliensammlung erfreute sich in Fachkreisen bis zu ihrer Auflösung eines ausgezeichneten Rufes. Der Öffentlichkeit war ein großer Teil dieser Sammlung in dem 1933 eröffneten und im Stile eines Salzbergwerks ausgebauten Bergbaumuseum in Hall in Tirol zugänglich gemacht worden. Dieses Museum wurde vom Haller Bergmeister Hans Plank gegründet und von Santo-Passo tatkräftig und großzügig als Ratgeber, Gönner und Mäzen unterstützt.
Im Zuge von Umbauarbeiten, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Stadt Hall an diesem Museum durchgeführt wurden, wurde der Ausstellungsraum mit insgesamt fünf erleuchteten Vitrinen, in denen die Sammlung Santo-Passo untergebracht war, zunächst aufgelassen. Die in Österreich als einmalig geltende Sammlung, die eine komplette Dokumentation der Minerale des Haller Bergbaues darstellte, wurde von der Erbengemeinschaft der öffentlichen Hand zum Kauf angeboten, um sie als „geschlossene Sammlung“ zu erhalten. Da es zu keinem Kaufabschluss kam, wurde sie von Gemeindebediensteten unsachgemäß in Kisten verpackt und schließlich von den Erben in Teilen verkauft und so aufgelöst.
Einer Korrespondenz mit der Fa. Heinrich Hoffmann in Gablonz a. N. aus den Jahren 1936/37 ist zu entnehmen, dass von Santo-Passo eine wissenschaftliche Arbeit über die „Geschichte der (historischen) Diamanten“ zusammengestellt und an diese Firma übersandt worden war. Inwieweit diese Arbeit veröffentlicht wurde, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Abschließend sei vermerkt, dass Santo-Passo in der Vorstandssitzung vom 4. November 1918 in die Wiener Mineralogische Gesellschaft (WMG) aufgenommen wurde und im Kalenderjahr 1935 als Zweiter Vorsitzender an der Gestaltung der Vereinsaktivitäten maßgeblich beteiligt war. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod war er ein stets aktives Mitglied des Nachfolgevereines Österreichische Mineralogische Gesellschaft (ÖMG) gewesen.