Drittes Buch:
Bearbeitet von Friedrich Schumacher, Freiberg in Sachsen.
Das vorige Buch, das den Bergleuten gewidmet ist, handelte von der Auswahl des Grubengeländes, vom Verwaschen von Sanden und vom Eindampfen von Lösungen, ferner von den Verfahren zum Aufsuchen der Gänge. Nunmehr beginne ich mit dem dritten Buch, das die Gänge, Klüfte und Gesteinsschichten
[1] Der schwer zu übertragende lateinische Ausdruck "commissurae saxorum" wird mit "Absetzen des Gesteins" übersetzt. Gemeint sind wahrscheinlich die Schichtfugen in den Gesteinen oder die Gesteinsschichten selbst.
zum Gegenstand hat. Bei anderer Gelegenheit sagte ich schon, daß mit diesen Namen zuweilen Hohlräume in der Erde bezeichnet werden; öfter jedoch meint man damit den Inhalt der Hohlräume. Jetzt gebrauche ich sie in anderer Bedeutung, denn unter diesen Namen verstehe ich alle mineralischen Substanzen, die der Schoß der Erde umschließt.
Zunächst will ich von den Gängen sprechen, die nach Tiefe, Mächtigkeit und Länge beträchtlich voneinander abweichen. So gibt es einen Gang, der von der Oberfläche bis in große Tiefen hinabsetzt und den man deshalb als einen in die Tiefe fallenden Gang
[2] Der lateinische Ausdruck "vena profunda" wird im folgenden kurz mit "Gang" übertragen im Gegensatz zur "vena dilarata", dem schwebenden Gang oder Flöz, und zur "vena cumulata", dem Stock oder Stockwerk.
zu bezeichnen pflegt.
Abb. 301: In die Tiefe fallender Gang. Das Gebirge A, C. Der Gang B.
Abb. 302: Schwebender Gang oder Flöz.
Das Gebirge A, D. Das Flöz oder der schwebende Gang B, C.
Ein anderer Gang, diesem ganz unähnlich, steigt weder bis zur Erdoberfläche hoch, noch fällt er in die Tiefe ein, sondern liegt flach im Untergrund und erstreckt sich über weite Flächen. Ein solches Gebilde bezeichnet man als schwebenden Gang oder Flöz.
Wieder ein anderer besitzt sowohl in Bezug auf seine Länge als auch seine Mächtigkeit große Ausdehnung und heißt dann gewöhnlich ein Stock. Er bildet nichts anderes als eine Anhäufung bestimmter Mineralien, wie ich sie in dem Buch "Über die Entstehung und Ursachen der unterirdischen Dinge"
[3] De ortu et causis subterraneorum libri V, Froben, Basileae MDXLVI.
beschrieben habe. Hie und da kommt es vor - jedoch ist dies ungewöhnlich und selten -, daß mehrere Ansammlungen dieser Art an einer Stelle auftreten, von denen jede ein oder mehrere Lachter
[4] Lat. passus, Lachter oder Klafter ist nach Agricolas Werk De mensuris, quibus intervalla metimur Liber I, Froben, Basileae MDL, S. 339, gleich 3 Ellen = 6 Fuß, also fast genau 1,7 m. Über die im folgenden benutzten Längenmaße vgl. Buch 7, Anm. 5.
tief und 4 bis 5 Lachter mächtig ist, während ihr Abstand untereinander 2, 3 und mehr Lachter beträgt. Wenn man mit dem Abbau auf solchen Ansammlungen beginnt, so zeigen sie zunächst die Form einer Scheibe; später tun sie sich weiter auf, und zuletzt entsteht aus all diesen Anhäufungen gewöhnlich ein regelrechter Stock.
Den Zwischenraum zwischen zwei Gängen nennt man Zwischenmittel. Wenn es sich um ein Flöz handelt, bleibt dieses Zwischenmittel ganz im Untergrund verborgen; bei tiefgehenden Gängen ist sein oberstes Ende sichtbar, während alles übrige unsichtbar bleibt.
Abb. 303: Stock. Das Gebirge A, B, C, D. Der Stock E, F, G, H, I, K.
Die Gänge sind wieder bezüglich ihrer Mächtigkeit sehr voneinander verschieden. Einige von ihnen sind 1 Lachter mächtig, andere 2 Ellen, wieder andere nur 1 Elle; einige haben 1 Fuß, manche nur ½ Fuß Mächtigkeit. All diese nennen unsere Bergleute mächtige Gänge. Andere hingegen sind nur 1 Hand oder bis 2 Finger stark; diese heißt man schmale Gänge. Jedoch werden an Orten, wo besonders mächtige Gänge vorkommen, solche mit Mächtigkeiten von 1 Elle, 1 Fuß oder ½ Fuß auch als schmale Gänge bezeichnet. In Kremnitz z.B. wird ein Gang an einer Stelle 15 Lachter mächtig, an einer anderen 18, ja an einer sogar 20 Lachter. Die dortigen Einwohner bezeugen uns dies.
Auch die Flöze schwanken stark in ihren Mächtigkeiten. Einige sind 1 Lachter, andere 2, noch andere mehrere Lachter stark; wieder andere haben nur 1 Elle, 1 Fuß oder ½ Fuß Mächtigkeit. All diese nennt man gewöhnlich mächtige Flöze. Es gibt aber auch solche, die nur 1 Handbreit oder 3, 2 oder 1 Finger stark sind; diese heißen schwache Flöze.
Weiterhin sind die Gänge auch nach ihrer Richtung verschieden. Die einen verlaufen von Osten nach Westen. Andere streichen von Westen nach Osten. Wieder andere verlaufen von Süden nach Norden. Noch andere streichen umgekehrt von Norden nach Süden.
Abb. 304: Zwei durch ein Zwischenmittel getrennte Gänge.
Gänge A, C. Das Zwischenmittel B.
Abb. 305: Zwei durch ein Zwischenmittel getrennte Flöze.
Flöze A, B, D, E. Das Zwischenmittel C.
Abb. 306: Ein mächtiger und ein schmaler Gang.
Ein mächtiger Gang A. Ein schmaler Gang B.
Abb. 307: Ein mächtiges und ein schwaches Flöz.
Ein mächtiges Flöz A. Ein schwaches Flöz B.
Abb. 308: Ein ostwestlich streichender Gang.
Der Gang A, B, C. Die Nebengesteinsschichten D, E, F.
Abb. 309: Ein westöstlich streichender Gang.
Der Gang A, B, C. Die Nebengesteinsschichten D, E, F.
Abb. 310: Ein südnördlich streichender Gang.
Der Gang A, B, C. Die Nebengesteinsschichten D, E, F.
Abb. 311: Ein nordsüdlich streichender Gang.
Der Gang A, B, C. Die Nebengesteinsschichten D, E, F.
Ob ein Gang nach Osten oder nach Westen streicht, das zeigen uns die Schichten des Nebengesteins an. Wenn diese z.B. nach Westen in die Tiefe einfallen, so sagt man, daß der Gang von Ost nach West streicht. Wenn die Schichten jedoch nach Osten zu einfallen, so streicht der Gang von Westen nach Osten. In gleicher Weise bestimmen wir mittels der Nebengesteinsschichten, ob die Gänge nördlich oder südlich streichen.
Nun teilen die Bergleute jeden Quadranten der Erde wieder in sechs Teile, und auf diese Weise bekommen sie 24 Richtungen, die sie mit zweimal zwölf Ziffern bezeichnen. Diese Richtungen gibt ihnen ein Instrument
[5] Gemeint ist der Bergkompaß.
an, das folgendermaßen gebaut ist:
Abb. 312: Der Bergkompaß
Zunächst zeichnet man einen Kreis. Dann zieht man in gleichen Abständen voneinander durch den Mittelpunkt, zwölf gerade Linien, die von einem Punkt der Peripherie zum gegenüberliegenden gehen (die Lateiner heißen eine solche Gerade "diametiens"). Diese teilen den Kreis in 24 in jeder Beziehung unter sich gleiche Teile. Dann schlägt man in den Kreis drei andere Kreise ein, von denen der äußerste die Gradeinteilung für die 24 Himmelsrichtungen enthält. In dem Raum zwischen diesem und dem nächsten Kreis sind an den Durchmessern zweimal zwölf Ziffern eingezeichnet, während das innerste Feld eine Vertiefung zur Aufnahme einer Magnetnadel aufweist. In der Richtung dieser Nadel verläuft derjenige der zwölf Durchmesser, an dessen beiden Enden die Zahl 12 eingetragen ist.
Da die Magnetnadel sich genau nordsüdlich einstellt, bezeichnet die Ziffer 12 am gegabelten Nadelende die Nordrichtung, die Ziffer 12 an der Nadelspitze dagegen die Südrichtung. Die linke Ziffer 6 gibt dann den Osten, die andere 6 rechts den Westen an. Außerdem liegen zwischen zwei Hauptrichtungen immer fünf Nebenrichtungen. Davon werden je zwei nebeneinanderliegende der nächstliegenden Hauptrichtung zugezählt; die fünfte dagegen, die mitten zwischen diesen zwei Doppelpaaren liegt, wird halbiert, und zwar so, daß die eine Hälfte zur einen und die andere zur anderen Hauptrichtung geschlagen wird. So z.B. liegen zwischen 12 Nord und 6 Ost die Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, von denen 1 und 2 nördliche Richtungen mit östlicher Wendung, 4 und 5 östliche Richtungen mit nördlicher Wendung bilden, während 3 zur Hälfte zum Norden und zur Hälfte zum Osten geschlagen wird.
Wer also die Richtung der unterirdischen Gänge feststellen will, der stelle über dem Gang den oben beschriebenen Bergkompaß auf. Die Nadel zeigt ihm dann, sobald sie zur Ruhe gekommen ist, den Verlauf des Ganges an. Wenn also der Gang von 6 nach 6 verläuft, so streicht er von Ost nach West oder von West nach Ost. Ob nun das eine oder das andere der Fall ist, das zeigen uns die Schichten des Nebengesteins an. Wenn aber ein Gang längs der zwischen 5 und 6 liegenden Richtung nach der entgegengesetzten Seite verläuft, so streicht er aus der Mitte zwischen 5 und 6 entweder ostwestlich oder umgekehrt westöstlich. Auch hier zeigen die Schichten des Nebengesteins an, welche von diesen beiden Richtungen zutrifft. In gleicher Weise bestimmen wir die anderen Haupt- und Nebenrichtungen.
Gleichwie die Bergleute es mit den Himmelsrichtungen halten, verfahren auch die Seeleute mit der Zahl der Winde; und zwar ist dies nicht bloß bei unseren Zeitgenossen im Gebrauch, sondern auch die Römer verfuhren schon ebenso, wobei sie den Winden teils lateinische, teils aus dem Griechischen entlehnte Namen gaben. Der Bergmann kann also nach Belieben den Verlauf eines Ganges auch durch die Namen der Winde bezeichnen. Es gibt nämlich, entsprechend den vier Haupthimmelsrichtungen, auch vier Hauptwinde: Den "Subsolanus", der von Osten kommt; ihm entgegengesetzt den "Favonius", der von Westen weht; Dann gibt es weiter den "Auster", der von Süden kommt, und ihm entgegen gesetzt den von Norden blasenden "Septentrio". Dazu kommen Nebenwinde, 20 an der Zahl, wie bei den Himmelsrichtungen; denn zwischen je zwei Hauptwinden liegen immer fünf Nebenwinde. Zwischen dem "Subsolanus" (Ostwind) und dem "Auster" (Südwind) liegt der "Ornithias" zuallernächst dem "Subsolanus". Dann kommt der "Caecias", weiter der "Eurus", der unter diesen fünf die Mitte einnimmt. Der nächste ist der "Vulturnus", und schließlich folgt der "Euronotus", der dem "Auster" zunächst liegt. All diesen gaben die Griechen den Namen, mit Ausnahme des "Volturnus". Wer aber die Winde nicht mit derart peinlicher Genauigkeit unterscheiden will, sagt einfach, diese wären gleichbedeutend mit dem Wind. Zwischen dem "Auster" (Südwind) und dem "Favonius" (Westwind) liegt zunächst der "Altanus" rechts unmittelbar neben dem "Auster". Dann folgt der "Libonotus", weiter der "Africus", der unter diesen fünf die Mitte einnimmt. Hernach kommen der "Subvesperus" und zuletzt der "Argestes" links vom "Favonius". All diese haben mit Ausnahme von "Libonotus" und "Argestes" lateinische Namen. In gleicher Weise liegen zwischen "Favonius" (Westwind) und "Septentrio" (Nordwind) als erster die "Etesiae" rechts vom "Favonius", dann der "Circius" , weiter der "Caurus", unter diesen funf der mittelste; sodann folgt der "Corus" und zum Schluß der "Thrascias" links vom "Septentrio"
Abb. 313: Die Windrichtungen
Auch diesen gaben mit Ausnahme des "Caurus" die Griechen den Namen. Endlich liegen zwischen dem "Septentrio" (Nordwind) und dem "Subsolanus" (Ostwind) als erster der "Gallicus" rechts vom "Septentrio", dann der "Supernas", weiter der "Aquilo" als mittlerer unter diesen fünf, sodann der "Boreas" und zum Schluß der "Carbas" links vom "Subsolanus". Auch hier verstehen diejenigen, die keine derart große Zahl von Winden haben, sondern nur 12, höchstens 14 annehmen, im lateinischen "Aquilo" den nämlichen Wind. Aber für unsere Zwecke ist es nicht nur vorteilhaft, diese große Zahl von Winden zu übernehmen, sondern es empfiehlt sich sogar, sie zu verdoppeln, wie es die deutschen Seeleute tun. Diese verwenden noch eine, aus zwei benachbarten zusammengesetzte, Windrichtung. Auf diese Weise können wir auch die Zwischenlagen durch Windnamen bezeichnen. Wenn also ein Gang von 6 0st nach 6 West streicht, so heißt dies, daß er vom "Subsolanus" zum "Favonius" verläuft.
Abb. 314: Schräg einfallendes Flöz.
Das Flöz A, B. Die Nebengesteinsschichten C.
Wenn aber ein Gang aus der Mitte zwischen 5 und 6 0st nach der Mitte zwischen 5 und 6 West sih erstreckt, so wird man sagen, daß er aus der Mitte von "Carbas" und "Subsolanus" nach der Mitte von "Argestes" und "Favonius" streicht. In derselben Weise ist bei allen anderen Richtungen und deren Zwischenlagen zu verfahren. Wegen der natürlichen Eigenschaften des Magneten, unter dessen Einfluß die Eisennadel nach Süden sich einstellt, muß aber der Bergmann den oben beschriebenen Bergkompaß so aufstellen, daß ihm Osten zur Linken, Westen zur Rechten liegt.
Ebenso wie die Gänge sind auch die Flöze in bezug auf ihre seitlche Ausdehnung untereinander verschieden. An den Schichten des Nebengesteins können wir erkennen, nach welcher Richtung sie sich erstrecken. Wenn nämlich die Schichten nach Westen einfallen, so sagt man, daß das Flöz von Ost nach West streicht; fallen sie dagegen umgekehrt nach Osten ein, so sagt man, daß das Flöz von West nach Ost sich erstreckt. In gleicher Weise können wir mittels der Nebengesteinsschichten feststellen, ob die Flöze nördlich oder südlich verlaufen, und ebenso können wir es bei den Nebenrichtungen und ihren Zwischenlagen machen.
Abb. 315: Geradliniger und gekrümmter Gang.
Ein geradlinig verlaufender Gang A. Ein gekrümmt verlaufender Gang B.
Abb. 316: Waagrechtes und geneigtes Flöz. Ein waagrecht liegendes Flöz A.
Ein geneigt liegendes Flöz B. Ein gekrümmt verlaufendes Flöz C.
Abb. 317: Senkrecht, schräg und gekrümmt einfallende Gänge. Ein senkrecht einfallender Gang A. Ein geneigt einfallender Gang B. Ein gekrümmt verlaufender Gang C.
Überdies gibt es, was noch zum Gegenstand über den Verlauf der Gänge gehört, sowohl solche, die schnurgerade von einer Richtung nach der entgegengesetzten streichen, als auch solche, die gekrümmt verlaufen. In letzterem Falle kann es geschehen, daß ein aus dem Osten kommender Gang nicht - wie man erwarten sollte - nach der entgegengesetzten, also Westrichtung verläuft, sondern sich krümmt und entweder nach Nord oder Süd abbiegt.
In ähnlicher Weise verlaufen auch die Flöze teils wagerecht, teils liegen sie geneigt, teils sind sie gebogen.
Auch die Gänge weichen in der Art ihres Einfallens voneinander ab; denn die einen stehen senkrecht, andere verlaufen mehr oder weniger geneigt, wieder andere gekrümmt.
Außerdem weichen die Gänge auch in Bezug auf die Beschaffenheit des Geländes, durch das sie sich hindurchziehen, stark voneinander ab. Die einen verlaufen nämlich längs des Gehänges eines Berges oder Hügels und steigen nicht darunter hinab.
Abb. 318: Gang, der längs eines Gehänges eines Berges streicht.
Das Berggehänge A, C. Der Gang B.
Abb. 319: Gang, der ein Tal durchsetzt.
Das Berggehänge A, C. Ein Tal B. Der Gang D, E, F.
Abb. 320: Gang, der am Gehänge eines Berges herbstreicht.
Das Berggehänge A. Flaches Gelände B. Der Gang C, D
Abb. 321: Geradliniger, über bergiges Gelände sich erstreckender Gang.
Hügeliges Gelände A. Der Gang B.
Abb. 322: Hauptgang mit Nebengängen, die ihn rechtwinklig oder schief kreuzen.
Der Hauptgang A. Der ihn senkrecht durchsetzende Gang B. Der ihn schief durchsetzende Gang C.
Andere Gänge ziehen sich von der obersten Spitze eines Berges oder Hügels am Gehänge herunter in eine Mulde oder in ein Tal und steigen am Gehänge des gegenüberliegenden Berges oder Hügels wieder hoch.
Wieder andere Gänge ziehen sich einen Berg oder Hügel herab und laufen dann in flaches Gelände aus.
Schließlich gibt es auch noch solche Gänge, die geradlinig über bergiges, hügeliges oder flaches Gelände hinwegziehen.
Sehr ungleich verhalten sich sodann die Gänge bei Kreuzungen, wobei der eine Gang den anderen bald senkrecht kreuzt, bald schief durchschneidet und ihn so gleichsam in zwei Teile spaltet.
Wenn der Gang, der den Hauptgang schief durchsetzt, härter ist als dieser, dann durchdringt er ihn, gleichwie ein Buchen- oder Eisenkeil mittels eines Hammers durch weiches Holz getrieben werden kann. Ist er aber weicher, dann schleppt ihn der Hauptgang drei Fuß oder ein, zwei, drei oder mehrere Lachter weit mit sich oder aber - was jedoch seltener der Fall ist - er verwirft ihn. Ob der Gang, der den Hauptgang schneidet, auf beiden Seiten derselbe ist, das kann man an der gleichartigen Ausbildung des Hangenden oder Liegenden erkennen.
Abb. 323: Hauptgang mit Nebengängen, die von ihm verworfen werden.
Der Hauptgang A. Ein Gang, der den Hauptgang schräg schneidet B. Ein Gang, der sich am Hauptgang schleppt C. Verworfener Gangteil des kreuzenden Ganges D.
Manchmal kommt es vor, daß ein Gang sich mit einem anderen vereinigt, sodaß aus zwei oder mehreren Gängen nahe der Oberfläche ein einziger entsteht. In anderen Fällen erfolgt die Vereinigung nicht in der Nähe des ausgehenden, sondern die Gänge vereinigen sich, wenn sie nicht weit auseinander liegen und wenn der eine dem anderen zufällt oder beide gegenseitig einander zufallen, erst in größerer Tiefe. In ähnlicher Weise können sich drei und noch mehr Gänge in der Tiefe zu einem einzigen vereinigen.
Mitunter löst sich eine derartige Vereinigung von Gängen wieder auf; in diesem Falle kann es geschehen, daß aus dem rechten Gang der linke und umgekehrt aus dem linken der rechte wird.
Weiter können aus einem einzigen Gang, wenn dieser von einem sehr harten Gestein gleichsam wie von einem eisernen Schiffsschnabel durchbrochen und zerteilt wird oder wenn ihn Klüfte in weichem Gestein zersplittern, zwei oder mehrere Einzelgänge werden. Diese vereinigen sich manchmal wieder, manchmal bleiben sie aber auch voneinander getrennt.
Ob es sich um eine Gangteilung oder um eine Vereinigung zweier Gänge handelt, läßt sich allein aus den Schichten des Nebengesteins erkennen. Wenn z.B. ein Hauptgang von Ost nach West streicht, so fallen die Gesteinsschichten gleicherweise von Ost nach West ein. Bei dem benachbarten Gang, der sich - ob er nun von Süden oder Norden kommt - mit dem Hauptgang vereinigt, verhält es sich bezüglich des Streichens der Nebengesteinsschichten ganz entsprechend. Deren Einfallen stimmt dann jedoch mit dem Einfallen der Nebengesteinsschichten des Hauptganges, der nach seiner Vereinigung ja derselbe bleibt, nicht mehr überein, wenn nicht der Nebengang aus der gleichen Richtung wie der Hauptgang kommt.
Abb. 324: Einander zufallende Gänge. Zwei Gänge, die beide schräg einander zufallen A, B. Die Vereinigung beider Gänge C. Ein senkrecht einfallender Gang D. Ein schräg einfallender Gang, der dem senkrecht einfallenden zufällt E. Die Vereinigung beider Gänge F.
Abb. 325: Zwei sich rechtwinklig kreuzende Gänge.
Abb. 326: Gangteilung und Wiedervereinigung.
Eine Gangteilung A, B. Ihre Wiedervereinigung C.
Den mächtigeren Gang heißen wir eben dann Hauptgang und den schmäleren Nebengang. Wenn aber der Hauptgang sich teilt, dann behalten die den einzelnen Teilen zugehörigen Gesteinsschichten dieselbe Richtung beim Einfallen in die Tiefe wie diejenige des Hauptganges.
Dies mag genügen über die Vereinigung und Teilung der Gänge. Wir gehen jetzt zu den Flözen über. Ein Flöz kann entweder einen Gang kreuzen, oder es vereinigt sich mit ihm, oder es kann umgekehrt auch durch einen Gang geschnitten und so in einzelne Teile zerlegt werden.
Schließlich hat jeder Gang Ursprung und Ende, Kopf und Schwanz. Der Teil, mit dem ein Gang beginnt, heißt sein Ursprung; der dagegen, mit dem er aufhört, sein Ende. Als Kopf bezeichnet man den Teil, mit dem ein Gang an der Tagesoberfläche austritt, als Schwanz denjenigen, der in der Erdtiefe verborgen ist. Jedoch ist es gar nicht notwendig, daß die Bergleute den eigentlichen Ursprung der Gänge aufsuchen, ähnlich wie die Könige von Ägypten einst nach der Quelle des Nil forschten. Vielmehr genügt es für sie, irgendeinen Teil des Ganges gefunden sowie seine Richtung erkannt zu haben. Denn selten kann man Ursprung und Ende feststellen. Die Richtung, nach der der Kopf des Ganges zutage ausstreicht oder nach der sein Schwanz ausläuft, läßt sich an seiner Unterlage und an seinem Dach erkennen. Letzteres wird auch als Hangendes, erstere als Liegendes bezeichnet. Auf das Liegende legt sich der Gang auf, und das Hangende überdeckt ihn. Wenn wir also in einen Schacht hinabsteigen, so ist der Teil, dem wir das Angesicht zuwenden, das Liegende, das Lager des Ganges; der Teil dagegen, dem wir den Rücken zuwenden, ist das Hangende.
Abb. 327: Kreuzung von Gängen und Flözen. Ein Flöz, einen Gang schneidend A, C. Der Gang B. Ein Flöz, mit einem Gang sich vereinigend D, E. Der Gang F. Ein Flöz G. Teilstücke dieses Flözes H, I. Der Gang, ein Flöz zerteilend K.
In gewisser Hinsicht entspricht der Kopf des Ganges dem Liegenden und der Schwanz dem Hangenden. Denn wenn das Liegende des Ganges nach Süden gerichtet ist, liegt auch der Kopf des Ganges nach Süden; das Hangende dagegen, das immer dem Liegenden entgegengesetzt ist, muß dann nach Norden liegen. Dementsprechend muß auch der Schwanz des Ganges nach Norden liegen, wenn es sich um einen schräg einfallenden Gang handelt. Das gleiche gilt mit Bezug auf Ost und West, die Nebenrichtungen und ihre Zwischenlagen. Wenn also ein Gang senkrecht, geneigt oder gekrümmt in die Tiefe einfällt, so wird das Liegende des schräg fallenden Ganges leicht vom Hangenden zu unterscheiden sein. Beim senkrecht stehenden Gang ist dies nicht in gleicher Weise möglich. Beim gekrümmten Gang endlich verkehrt sich das Liegende und wird zum Hangenden, und umgekehrt wird das Hangende zum Liegenden. Doch wird aus dem letzteren meist wieder ein senkrechter oder geneigter Gang.
Ein Flöz dagegen hat nur Ursprung und Ende; die Stelle von Kopf und Schwanz vertreten die zwei Seiten.
Stöcke haben Ursprung und Ende, Kopf und Schwanz, gleich wie die Gänge. Sowohl Stöcke als auch Flöze werden oft durch einen Gang quer durchschnitten.
Die Trümer, worunter man kleine Gänge versteht, werden eingeteilt in Quertrümer, in Diagonaltrümer, die den Gang schräg schneiden, in Seitentrümer, in schwebende Trümer und in Hangendtrümer.
Abb. 328: Anfang, Ende, Kopf und Schwanz eines Ganges.
Der Ursprung des Ganges A. Sein Ende B. Sein Kopf C. Sein Schwanz D.
Abb. 329: Anfang, Ende und Seiten eines Flözes.
Der Ursprung des Flözes A. Sein Ende B. Seine Seiten C, D.
Abb. 330: Anfang, Ende, Kopf und Schwanz eines Stockes mit einem ihn kreuzenden Gang. Der Ursprung des Stockes A. Sein Ende B. Sein Kopf C. Sein Schwanz D. Ein quer durchsetzender Gang E.
Die Quertrümer kreuzen den Gang senkrecht; die Diagonaltrümer schneiden ihn schräg; die Seitentrümer vereinigen sich mit dem Gang selbst; die schwebenden Trümer dringen wie die schwebenden Gänge durch ihn hindurch; jedoch sind die schwebenden Trümer wie die in die Tiefe setzenden gewöhnlich mit einem Gang verknüpft.
Die Hangendtrümer dringen nicht so tief in die Erde wie die übrigen, sondern ziehen sich sozusagen von der Tagesoberfläche zum Hangenden oder Liegenden herunter, weshalb man sie auch als zutage gehende Trümer bezeichnet.
In Bezug auf Richtung, Vereinigung und Teilung verhalten sich die Trümer nicht anders als die Gänge.
Schließlich unterscheidet man auch noch Klüfte, worunter man die schmalsten Trümer versteht, die manchmal häufig, manchmal seltener auftreten. Von welcher Richtung ein Gang immer kommen mag, stets werden seine Klüfte in ein und derselben Richtung an der Oberfläche ausstreichen. Da nun die Klüfte aus jeder beliebigen Himmelsrichtung nach der genau entgegen gesetzten zu verlaufen pflegen, z.B. von Ost nach West, so kommt es vor, daß, wenn harte Trümer sich ihnen in den Weg stellen, dieselben Klüfte, die vorher von Ost nach West zogen, nun umgekehrt von West nach Ost verlaufen und so das Streichen des Gesteins das umgekehrte wird. In diesem Falle wird der Verlauf der Gänge nicht durch die Richtung vereinzelter, sondern durch die der regelmäßig wiederkehrenden Klüfte bestimmt.
Abb. 331: Gang mit von ihm ausgehenden seitlichen Trümern. Gänge A, B. Ein Quertrum C. Ein Diagonaltrum D. Ein Seitentrum E. Ein schwebendes Trum F.
Sowohl die Gänge als auch die Trümer sind entweder massig ausgebildet oder drusig oder taub und wasserführend. Die massigen Gänge enthalten kein Wasser und nur wenig Luft; die drusigen führen selten Wasser, enthalten dagegen öfters Luft; die tauben führen oft Wasser. Die massigen Gänge und Klüfte bestehen bald aus harten, bald aus weichen, bald aus mäßig harten Bestandteilen.
Ich kehre zu den Gängen zurück. Ein großer Teil der Bergleute hält von den in die Tiefe setzenden Gängen den für den besten, der von 6 oder 7 Ost nach 6 oder 7 West durch einen nördlich einfallenden Berghang hindurchstreicht, dessen Hangendes nach Süden und dessen Liegendes nach Norden liegt, ferner dessen Ausgehendes, von dem ich sagte, daß es immer dem Liegenden entspreche, nach Norden gerichtet ist und dessen Klüfte nach Osten ausstreichen. Als zweitbesten sehen sie denjenigen Gang an, der umgekehrt von 6 oder 7 West nach 6 oder 7 Ost durch das Gehänge eines Berges mit ähnlichem nördlichem Einfallen hindurchstreicht, dessen Hangendes auch nach Süden und dessen Liegendes nach Norden liegt, ferner dessen Ausgehendes nach Norden gerichtet ist und dessen Klüfte nach West ausstreichen. An die dritte Stelle setzen sie den Gang, der von 12 Nord nach 12 Süd durch das Gehänge eines Berges mit östlichem Einfallen hindurchstreicht, dessen Hangendes nach Westen und dessen Liegendes nach Osten liegt, ferner dessen Ausgehendes nach Osten gerichtet ist und dessen Klüfte nach Norden ausstreichen. Von diesen Gängen erwarten sie alles; von solchen aber, deren Ausgehendes oder das Ausgehende ihrer Klüfte nach Süden oder Westen gerichtet ist, wenig oder überhaupt nichts.
Abb. 332: Gang mit Hangend- und Liegendtrümern.
Der Gang A. Ein Hangendtrum B. Ein Liegendtrum C.
Abb. 333: Gang mit auf ihn zukommenden Klüften.
Klüfte, die von Osten kommen A. Solche von Westen kommend B.
Abb. 334: Massige, drusige und taube Gänge und Trümer.
Ein massiger Gang A. Ein massiges Trum B. Ein drusiger Gang C. Ein drusiges Trum D. Ein tauber Gang E. Ein taubes Trum F.
Denn, so sagen sie, obwohl diese Gänge manchmal Spuren gediegenen Metalls, am Gestein anhaftend, zeigen oder auch Metallklumpen führen, so sei dies doch so wenig, daß es sich nicht der Mühe lohne, solche Gänge abzubauen. Deshalb sei es immer verlorene Zeit und Mühe, wenn die Bergleute in der Hoffnung auf ergiebige Metallfunde auf dem Weitergraben beharren. Ebenso sollen Gänge, die so beschaffen sind, daß die Sonnenstrahlen die metallhaltigen Stoffe herausziehen, nur wenig Metall geben. In Wirklichkeit aber stimmt damit weder die gegenwärtige Erfahrung der Bergleute, die so über die Gänge urteilen, überein, noch ist deren Auffassung stichhaltig. Denn auch solche Gänge, die von Ost nach West durch das Gehänge eines Berges mit südlichem Einfallen hindurchstreichen und deren Ausgehendes in gleicher Weise nach Süden gerichtet ist, sind trotzdem nicht weniger metallreich als diejenigen, die von jenen Bergleuten als erstklassig bezeichnet werden. Dies zeigte sich in den letzten Jahren klar beim St.Lorenzgang zu Abertham, den unsere Landsleute denn auch eine Gottesgabe nennen, weil sie aus ihm eine große Menge gediegenen Silbers gewonnen haben. Und jüngst bewies ein Gang in Annaberg, genannt Himmlisch Heer, durch seine reiche Silberausbeute, daß Gänge, die von Nord nach Süd streichen und deren Ausgehendes nach Westen gerichtet ist, nicht metallärmer sind als Gänge, deren Ausgehendes nach Osten liegt. Auch ist es ganz unmöglich, daß die Sonnenhitze die metallischen Stoffe aus solchen Gängen herausziehen kann. Zwar vermögen die Sonnenstrahlen aus der allerobersten Erdschicht Dämpfe herauszuziehen, aber ins Erdinnere dringen sie nicht hinein. Denn die Luft in einem Stollen, der auch nur von 2 Lachtern dichter Erde bedeckt und verhüllt wird, ist selbst im Hochsommer kühl, da die dazwischenliegende Erde den Anprall der Sonnenhitze unterdrückt. Da die Bewohner heißer Gegenden diese Erfahrung wohl kennen, wohnen sie tagsüber in Höhlen, die ihnen Schutz gegen allzu starke Sonnenhitze geben. Geschweige, daß die Sonne metallische Stoffe aus der Erdtiefe emporziehen könnte, bringt sie es nicht einmal fertig, in gangreichen Gebieten auch nur die Feuchtigkeit aufzutrocknen, weil jene mit Bäumen bewachsen und beschattet sind.
Manche Bergleute also wählen aus allen Arten von metallischen Gängen nur diejenigen aus, die ich genannt habe. Andere wiederum verschmähen diese, wenn sie Kupfer führen, da sie sich dann umgekehrt, wie oben angeführt, verhalten sollen. Auch dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Was könnte es auch für eine Ursache geben, weshalb die Sonne nicht ebenso gut aus Kupfergängen das Kupfer, wie aus Silbergängen das Silber und aus Goldgängen das Gold herausziehen sollte?
Wieder andere Bergleute, unter ihnen auch Kalbe,
[6] Der Freiberger Arzt und Bürgermeister Ulrich Rülein von Kalbe, der Verfasser des ältesten, etwa 1505 erschienenen "Bergbüchleins". Vgl. E. Darmstaedter, Berg-, Probier- und Kunstbüchlein 1926. S 109 ff.
teilen die goldführenden Flüsse und Bäche ein. Besonders reich an Goldkörnern und Goldsand sei, so sagen sie, ein Fluß oder Bach, wenn er von Osten komme und nach Westen fließe, wenn er den Fuß von Bergen, die nach Norden liegen, bespüle und eine flache Ebene
im Süden oder Westen habe. Der nächstbeste sei ein Fluß oder Bach mit umgekehrtem Lauf von West nach Ost, der die Berge im Norden und die Ebene im Süden hat. Den dritten Platz räumen sie einem Fluß oder Bach ein, der von Nord nach Süd fließt und den Fuß von Bergen bespült, die im Osten liegen. Für den goldärmsten von allen halten sie einen Fluß oder Bach, der umgekehrt von Süd nach Nord fließt und den Fuß von Bergen bespült, die im Westen liegen. Schließlich seien Flüsse und Bäche, die von Sonnenaufgang nach Sonnenuntergang oder von nördlichen nach südlichen Ländern fließen, umso stärker goldführend, je mehr sie sich den geschilderten nähern, und umso goldärmer, je mehr sie sich von ihnen entfernen. Derartiges glauben diese Leute von den Flüssen und Bächen. In Wirklichkeit wächst überhaupt kein Gold in Flüssen und Bächen, wie ich im fünften Kapitel des Buches "Über die Entstehung und Ursachen der unterirdischen Dinge
[7] Vgl. dieses Buch Anm 3.
gegen Albertus dargetan habe. Vielmehr ist das Gold von den Gängen und Trümern losgelöst und im Sande von Bächen und Flüssen abgesetzt worden. Gleichviel, welche Richtung der Fluß oder Bach auch besitzen mag, kann man doch vernünftigerweise Gold in ihm erwarten, was auch der Erfahrung nicht widerspricht. Daß jedoch Gold in Gängen und Klüften, die unter einem Bach oder Flußbett liegen, geradeso wie in andern entstehen und gefunden werden kann, das bezweifeln wir nicht.