Zusammengestellt von AH Milz, zur Verfügung gestellt von CB Geyr
Der Name ist in Südtirol ziemlich bekannt, doch wird sich mancher gedacht haben, wie kommt ein eindeutig griechisch klingender Name in die Reihe unserer Bergpioniere. Ein Blick auf die Lebensgeschichte dieser faszinierenden Persönlichkeit gibt uns nähere Informationen dazu.
Theodor Christomannos wurde 1854 aus der alten Griechenkolonie in Wien geboren. Als er noch im Knabenalter war, musste seine Mutter auf ärztliches Anraten einen Kuraufenthalt in Gries verbringen. Als sie wieder heimreiste, blieb er unter nicht ganz erklärlichen Gründen im Alter von 16 Jahren in Bozen und besuchte hier bis zum Abitur das Franziskanergymnasiurn. Anschließend inskribierte er an der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig und wechselte nach einem Jahr nach Innsbruck. Er genoss das Studentenleben in vollen Zügen. Dazu gehörte damals auch, dass man sich einer schlagenden Verbindung anschloss. Dabei kam es bei einem Gefecht in Straßburg zu einem folgenschweren Unfall. Es wurden ihm die Sehnen der rechten Hand durchtrennt, die danach für immer steif blieb. Nachdem er daraufhin einsah, dass dadurch die Ausübung des Arztberufes wohl unmöglich wurde, sattelte er kurzerhand um und studierte Jus. 1884 kam er als junger Anwalt nach Meran. Zeitgenossen, wie zum Beispiel der damalige Leiter des Kreisgerichtes Graf Melchiori, stellten ihm ein hervorragendes Zeugnis für sein Rechtsempfinden aus, das ihn zu einem Schutzengel der Armen machte.
Von Meran aus konnte er seiner Leidenschaft für die Berge frönen. Wenn er mit seiner Schimmelstute Aga unterwegs war, wurde er geradezu zu einer mythischen Figur. 1890 wurde er zum Schriftführer der Sektion Meran des D.u.Oe. A.V. und ein Jahr später zum tatkräftigen und weitblickenden Ersten Vorstand derselben gewählt. Dieses verantwortungsvolle Amt hatte er bis zu seinem Tod im Jahr 1911 inne. In dieser Zeit erlebte die Sektion Meran einen ungeahnten Aufschwung. Verschiedene hochalpine Steiganlagen und das große und schöne Alpenvereinshaus am Pordoijoch wurden während seiner Vorstandschaft errichtet; dieses Haus erhielt später in dankbarer Erinnerung an den hochverdienten ersten Vorstand den Namen „Christomannoshaus".
Die Behinderung in seiner rechten Hand erschwerte ihm die Benützung des Eispickels, doch sie wurde ihm nicht unmöglich, und so unternahm er große Touren im Eis. Schwierige Klettertouren im Fels hingegen waren ihm nicht möglich.
Bei seiner Tätigkeit für den Alpenverein entdeckte er ein Legat von 24.000 Kronen, das der damalige Finanzminister Leopold Freiherr von Hofmann vor zehn Jahren für den Bau einer Straße nach Sulden hinterlassen hatte, das allerdings an die Bedingung geknüpft war, dass diese Straße innerhalb von 1890 realisiert werden musste. Das ganze Ortlergebiet genoss schon seit längerer Zeit die Sympathie von Christomannos; in einem von ihm verfassten Buch über Sulden und Trafoi hatte er auf ältere Veröffentlichungen zurückgegriffen, wo man als Zeichen für die Armut und Abgelegenheit von Sulden schrieb, dass dort die Kinder mit den Bären aus einer Schüssel essen und auf den Wölfen reiten. Nachdem man kurz vor dem Verfall des Legates stand, entwickelte Christomannos seinen ganzen Eifer und begann mit dem Bau der Straße, wobei er für die Finanzierung alle Hebel in Bewegung setzte und bis zym Kaiser gelangte, aber auch in Meran mit Lotterie und „Glückstopf" alle Geldquellen erschloss, die für den Bau nötig waren. Das Gelingen des Vorhabens ermutigte ihn zu neuen Initiativen. Sobald die Straße fertig war, begann man mit dem Bau des Grandhotels in Sulden und bald darauf mit dem des Grandhotels in Trafoi. Dann erfasste ihn eine neue, große Idee: der Bau der Dolomitenstraße. Er wusste dafür die staatlichen Stellen zu interessieren, und so konnte die Straße, von Welschnofen ausgehend über den Karerpass nach Vigo im Fassatal, über das Pordoijoch, den Falzarego nach Cortina und nach Toblach den gewaltigen Kreis schließen. Christomannos war inzwischen Abgeordneter zum Landtag und wurde als Berater im Bahnbau durch den Vinschgau beigezogen. Außerdem war er Gründer der Gesellschaft für die Alpenhotels, deren größtes Vorhaben das Karerpasshotel war. Natürlich war da an die Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht mehr zu denken.
Sein Tod im Jahr 1911, hervorgerufen durch eine Lungenentzündung, hinterließ eine nicht mehr zu schließende Lücke. 20 Monate nach seinem Tod, im Jahr 1912, errichtete man ihm am letzten Ausläufer des Hirzelweges zu Füßen des Masere ein Denkmal in Form eines bronzenen Adlers. Es wurde während des 2. Weltkrieges zerstört. Wahrscheinlich lockte der Materialwert der Bronze. Nach Kriegsende jedenfalls erinnerte sich eine Gruppe von Leuten wieder an ihn, und so konnte das neue Denkmal, gegossen nach einem Modell von Maria Delago, im Jahr 1959 wieder eingeweiht werden.
Die Nachwelt hat sich, zumindest eine Zeit lang, ziemlich intensiv mit ihm beschäftigt. Hans Matscher nannte ihn „Frauenheld, Draufgänger, Bergnarr, genialer Unternehmer", auch Stofflieferant für Anekdoten wurde er genannt. Auf seinem Grabstein in Meran steht „Alles für die anderen, nichts für sich selber", das alles kann man wohl gelten lassen. Eine Anekdote erzählt, er sei mit dem Fahrrad von Meran nach Sulden gefahren, nach einer Stunde Rast auf den König, den Zebrú und den Ortler gestiegen, nach dem Abstieg habe er sich intensiv an der Tanzunterhaltung im Grandhotel in Sulden beteiligt. Das hat er wohl nicht aus Mangel an Bewegung, sondern aus Freude am schönen Geschlecht getan. Weitum bekannt ist, dass er einmal aufgrund einer Wette den Ortler in Lackschuhen bestiegen hat. Außerdem erfahren wir, dass er ein großer Freund der Kunst und Volkskunde war und nebenbei imponierende bergsteigerische Leistungen vollbracht hat. Ein Beispiel sei die Überschreitung der 14 Dreitausender zwischen Cevedale und Pizzo Tresero, aber er hat auch sonst fast alle Eisriesen der Ortlergruppe bestiegen. Auch die Texelgruppe war ihm nicht fremd.
Wenn wir auch heute nicht über alle „Erschließungen" glücklich sind (siehe das heutige Nachdenken über die Sperrung der Dolomitenpässe), so können wir dieser Ausnahmepersönlichkeit unsere Bewunderung nicht versagen.